Der Kuss wider Willen bei der Betriebsfeier: fristlose Kündigung

Vielfach werden Kündigungen von Arbeitsverhältnissen – insbesondere außerordentliche – ausgesprochen, die weder Hand noch Fuß haben.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat aber nun in 2. Instanz bestätigt, dass eine Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wirksam war.

In dem entschiedenen Fall wr der Kläger seit 1996 bei der Beklagten, seiner Arbeitgeberin, als EDI-Manager beschäftigt. Die Beklagten hatte am 16.09.2019 eine Kollegin eingestellt, die zuvor bereits als Werkstudentin bei ihr beschäftigt war. Während des Werkstudiums hatte der Kläger diese jedenfalls einmal von hinten an die Schultern gefasst, woraufhin sie ihm sagte, dass er das lassen solle.

Auf einer zweitägigen Teamklausur Ende September 2019 versuchte der Kläger abends in der Hotelbar mehrfach, seiner Kollegin trotz ihrer geäußerten Ablehnung seine Jacke umzulegen. Dies veranlasste eine andere anwesende Mitarbeiterin, ihn aufzufordern, damit aufzuhören. Später folgte er der Kollegin auf dem Rückweg von der Hotelbar zu ihrem Zimmer, obwohl sie auf seine mitgeteilte Absicht, noch mit zu ihr zu kommen, erklärt hatte, dass sie das nicht wolle. Vor ihrem Zimmer zog er sie zu sich heran und versuchte, sie zu küssen. Nachdem die Kollegin ihn weggedrückt hatte, zog er sie erneut zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen. Die Kollegin drückte ihn nochmals weg, öffnete ihre Zimmertür, ging schnell hinein und verschloss die Tür von innen. In einer anschließenden WhatsApp-Nachricht schrieb ihr der Kläger, er hoffe, sie sei ihm nicht böse.

Nachdem die Kollegin ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall berichtet hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage, die vom dem Arbeitsgericht Köln abgewiesen wurde1.

Die Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln war nun ebenfalls erfolglos:

Es liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Der Kläger hat eine Mitarbeiterin, die Zeugin L am Abend des 26./27.09.2019 sexuell belästigt. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ist der Beklagten unzumutbar.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – von der auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist – in zwei Stufen zu erfolgen: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich, d.h. generell ohne Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

Dabei hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, lassen sich dabei nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese2.

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist3.

Darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund ausmachen, ist derjenige, der die fristlose Kündigung ausgesprochen hat4, hier also die Beklagte.

Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein wichtiger Grund für die ausgesprochene Kündigung vor, so das Landesarbeitsgericht Köln. Dies hat das Arbeitsgericht Köln zu Recht unter zutreffender Würdigung des gesamten Sachverhalts, insbesondere des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Berufungsgericht schließt sich vollinhaltlich der überzeugenden Begründung des Arbeitsgerichts an.

Wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und küsst, verletzt – unabhängig von der Strafbarkeit der Tat wegen sexueller Belästigung – seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Absatz 2 BGB), in erheblicher Weise. Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Der Kläger hat seine Kollegin, die Zeugin L auf dem Teamevent vom 26.09.2019 auf den 27.09.2019 gegen deren Willen zu küssen versucht und geküsst und damit eine so schwere Pflichtverletzung begangen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger selbst erkennbar – ausgeschlossen ist.

Dies steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fest.

Im Anschluss an das Arbeitsgericht Köln steht für das Landesarbeitsgericht Köln zunächst fest, dass der Kläger jedenfalls gegenüber der Zeugin L nicht einvernehmlich ein „lockeres und überschwängliches“ Verhältnis hatte. Denn unstreitig hatte die Zeugin sich bereits im Werksstudium dagegen gewehrt, dass der Kläger ihr ungebeten von hinten die Hände auf die Schulter legt. Dass sich das Verhältnis gegenüber der Zeugin irgendwann einmal geändert hätte, ist auch von keinem der Parteien behauptet worden. Dass der Kläger – wie er selbst behauptet – gegenüber allen anderen Kollegen ein lockeres und überschwängliches Verhältnis habe, wäre – sofern es unstreitig wäre – für den vorliegenden Fall irrelevant. Denn der Kläger wird kaum die Ansicht vertreten, dass eine sexuelle Belästigung eher zu rechtfertigen sei, nur weil alle anderen Kollegen – außer der oder dem Betroffenem – offensivere Handlungen des Klägers dulden oder dass die Einwilligung der übrigen Kollegen in offensivere Handlungen des Klägers eine irgendwie geartete Rechtfertigung für ein solches gegenüber der Zeugin darstellen würde.

Die Zeugin ist auch glaubwürdig. Es ist keinerlei Belastungstendenz erkennbar. Die Zeugin war – anders als der Kläger – erst seit ca. zehn Tagen im Unternehmen angestellt und befand sich selbst noch in der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes. Eine unberechtigte Belastung eines langjährigen Angestellten hätte ihr Arbeitsverhältnis ohne weiteres gefährden können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsvortrag des Klägers, die Zeugin L habe die Vorfälle zumindest übertrieben dargestellt. Dazu behauptet der Kläger, er habe von seiner Ehefrau nach Abschluss der Beweisaufnahme erfahren, diese habe auf dem Gerichtsflur gehört, die Zeugin L habe zur Zeugin B gesagt, dass sie „ein wenig auf die Tränendrüse gedrückt“ habe.

Dieser Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin L zu erschüttern. Selbst wenn man unterstellt, dass die Zeugin L sich entsprechend geäußert hat, ergibt sich daraus nicht, dass ihre Aussage wahrheitswidrig war. Einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin bedurfte es daher nicht. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist: Die Zeugin L sei als sie den Geschehensablauf im Rahmen ihrer Vernehmung erneut geschildert habe, von der Schilderung emotional so berührt gewesen, dass sie habe mit den Tränen kämpfen müssen. Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch unmittelbar neben der Zeugin saß, habe dies mit entsprechenden Blicken und Grimassen quittiert. Die Kammer habe deshalb – wie sich auch aus dem Sitzungsprotokoll ergibt –  die Sitzung noch während der Vernehmung der Zeugin L unterbrochen und nach Wiederaufnahme der Verhandlung den Kläger aufgefordert, die Plätze zu tauschen und darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung bestehe, sich während der Zeugenvernehmung neutral zu verhalten. Als die Zeugin L sich in der Sitzungsunterbrechung auf den Gerichtsflur begeben hätte, habe die Zeugin B , die dort wartete, bemerkt, dass die Zeugin L emotional aufgewühlt gewesen sei. Dies habe die Zeugin L auf Nachfrage der Zeugin B lediglich bestätigt.

Die Überzeugung des Landesarbeitsgerichts Köln ist – im Anschluss an das Arbeitsgericht Köln – von der mangelnden Einvernehmlichkeit des Geschehenen ist auch nicht dadurch erschüttert worden, dass die Zeugin sich von dem Kläger am Abend des 26.09. und am Morgen des 27.09.2019 beim Verabschieden umarmen ließ, ohne ihren Widerstand laut oder sonst deutlich zu äußern. Es ist psychologisch nachvollziehbar, wenn Opfer von Belästigungen aus bestimmen subjektiven Beweggründen ihre Ablehnung nicht sofort und unmittelbar kundtun. Dazu hat die Zeugin nachvollziehbar ausgesagt, dass sie in der akuten Situation daran gedacht habe, ihr Arbeitsverhältnis und das Verhältnis zu den Arbeitskollegen nicht zu belasten. Außerdem ist die Zeugin wegen des Vorfalls im Werksstudium davon ausgegangen, dass dem Kläger klar sein müsse, dass sie Zudringlichkeiten ablehne. Abgesehen davon kann der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen, dass eine mangelnde lautstarke Ablehnung seines Verhaltens eine Zustimmung darstelle.

Die Überzeugung des Berufungsgerichts – im Anschluss an das Arbeitsgericht – von der Tat in der Schilderung der Zeugin ist auch nicht infolge der Aussage des Zeugen E erschüttert worden. Zwar hat sich der Zeuge E bei der Schilderung des Gesprächs mit dem Kläger, welches ca. eine Woche nach dem Seminar stattgefunden haben soll, widersprüchlich geäußert. Allerdings war hier zu berücksichtigen, dass der Zeuge E sowohl als Vertrauter des Klägers wie auch als Beschäftigter der Beklagten ein Interesse daran haben könnte, beiden Parteien nicht zu schaden und sich nicht eindeutig einzulassen. Desweiteren hätte es sich – selbst bei einer Aussage, die die Darstellung des Klägers belegt hätte – lediglich um die Wiedergabe einer Erklärung des Klägers nach der mutmaßlichen Tat gehandelt und damit um ein äußerst schwaches und stark vorbelastetes Indiz.

Im Anschluss an das Arbeitsgericht Köln steht für das Landesarbeitsgericht Köln weiterhin fest, dass die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen angehört hat und dass der Kläger im Personalgespräch am 04.10.2019 den von der Zeugin L geschilderten Vorgang eingestanden hat. Zwar haben sich die Zeugen Ba und J an einer Stelle der Aussage widersprochen, indem der Zeuge J aussagte, der Kläger habe die Vorgänge selbst geschildert. Der Zeuge Ba sagte aus, der Kläger habe die Vorgänge nicht selbst geschildert; er habe der Wiedergabe der Beschreibung durch Herrn Ba lediglich zugestimmt. Allerdings haben beide Zeugen unabhängig voneinander detailreich das Gespräch und seinen wesentlichen Inhalt widergegeben. Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen wurde dem Kläger nicht nur die WhatsApp Kommunikation mit der Zeugin L vorgelegt. Es wurde auch ausdrücklich das Geschehen im Aufzug und im Hotelflur angesprochen. Nach beiden Zeugenaussagen hat der Kläger den Vorgang ohne weiteres zugestanden. Darüber hinaus erinnern sich beide Zeugen daran, dass der Kläger im Nachgang versucht habe, den Vorgang zu relativieren. Beide Zeugen schilderten die Details dieses Vorgangs, nämlich dass der Kläger gesagt habe, er habe die Zeugin „ja schließlich nicht vergewaltigt“ und dass „dazu immer zwei“ gehören würden und dass deshalb das Gespräch lauter und aufgeregter geendet habe. Dies war für die Kammer ein eindeutiger Hinweis darauf, dass zuvor nicht nur über die WhatsApp Kommunikation, sondern über das Geschehen im Aufzug und im Hotelflur gesprochen worden sein muss.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Berufungsvorbringen des Klägers. Soweit dieser vorträgt, es bestünden Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Klägers, er sei unter einem Vorwand zu dem Personalgespräch bestellt worden, ist zunächst festzustellen, dass es sich hier um eine Tatkündigung handelt, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers – im Unterschied zur Verdachtskündigung – keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Soweit der Kläger rügt, die Aussagen der Zeugen Ba und J wichen – was dem Arbeitsgericht Köln nicht verborgen geblieben sei, in einem entscheidenden Punkt voneinander ab, schließt sich das Berufungsgericht der überzeugenden Würdigung der Aussagen dieser Zeugen durch das Arbeitsgericht an, mit der sich der Kläger nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat.

Die Beklagte hätte hier auch nicht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statt einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung oder ordentliche Kündigung aussprechen müssen. Die durchzuführende Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers

Einer Abmahnung bedurfte es nicht, da es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Davon ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Wie bereits in der Berufungsverhandlung von der Vorsitzenden Richterin ausgeführt, hat der Kläger mit der aufgrund der Beweisaufnahme nachgewiesenen sexuellen Belästigung der Zeugin L eine „rote Linie“ überschritten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte, deren Verpflichtung es ist, ihre überwiegend weiblichen Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen gegenüber Kollegen zu schützen, auch für den Kläger erkennbar – unzumutbar macht. Hierbei geht es vor allem um sein Verhalten des Klägers vor der Hotelzimmertür der Zeugin L : Der Kläger hat die Zeugin L bis zu ihrem Hotelzimmer verfolgt, sie gegen ihren ausdrücklich bekundeten Willen bedrängt und geküsst. Die Zeugin L konnte sich dem Kläger nur durch eine „Flucht“ in ihr Hotelzimmer verwehren. Dort belästigte der Kläger die Zeugin L weiter durch zudringliche Apps: „Ich hoffe du bist mir nicht böse“. Die Zeugin antwortete darauf nicht. Der Kläger schrieb sodann „Wenn Du döse auf mich bist, dann Zimmer 308“. Die Zeugin antwortete darauf nicht. Der Kläger schrieb weiter „Oder kann ich runter? 201 war Dein Zimmer?“ und „Ich habs nicht böse gemeint, glaubs mir.“ Die Zeugin L schrieb daraufhin zurück: „Also ich fand den Ablauf nicht cool.“ Der Kläger erwiderte „Sorry… Ganz ehrlich“. Etwas später schrieb er dann: „Muss ich jetzt bei dir vorbeikommen?“ Der Kläger rief die Zeugin dann noch auf dem Handy an. Die Zeugin reagierte allerdings nicht.

Die sexuelle Belästigung der Zeugin L fand im Rahmen einer dienstlichen Fortbildung statt. Der Kläger hat dabei gegenüber der Zeugin L seine stärkere Position ausgenutzt. Er war der Zeugin L nicht nur körperlich überlegen, sondern hat auch gewusst, dass diese erst vor ca. zwei Wochen ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten begründet hat, sich also noch in der Probezeit befunden hat. Die vom Kläger nachträglich gegenüber der Zeugin L ausgesprochenen Entschuldigungen sind nicht geeignet, die vorher begangene schwere Pflichtverletzung ungeschehen zu machen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Köln – so das Landesarbeitsgericht Köln weiter – festgestellt, dass auch die unter Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände durchzuführende Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis kommt. Dabei hat das Berufungsgericht – wie das Arbeitsgericht – insbesondere die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses des Klägers und dessen familiäre Situation zu seinen Gunsten berücksichtigt. Dennoch ist der Beklagten in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen. Dies gilt auch ohne die Tatsache, dass der Kläger im Personalgespräch am 04.10.2019 wenig Reue gezeigt hat und nicht erkennbar war, dass der Kläger in der Zukunft Bedrängungen von Arbeitskolleginnen unterlassen würde.

Die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Absatz 2 BGB ist gewahrt. Dies hat das Arbeitsgericht Köln zutreffend festgestellt. Der Kläger durfte und musste zu den Vorwürfen der Zeugin L zeitnah angehört werden, um entweder der Anhörungspflicht bei einer Verdachtskündigung gerecht zu werden oder – wie hier – nach Bestätigung der Vorwürfe eine Tatkündigung aussprechen zu können. Dies ist am 04.10.2019 rechtzeitig geschehen. Die Kündigung ist sodann elf Tage später am 15.10.2019 und damit innerhalb der Frist ausgesprochen worden.

Landesarbeitsgericht Köln, Rteil vom  01.04.2021 – 8 Sa 798/20
ECLI:DE:LAGK:2021:0401.8SA798.20.00

  1. ArbG Köln, Urteil vom 13.08.2020 – 19 Ca 6950/19 []
  2. BAG, Urteil vom 13.12.2018 -2 AZR 370/18 []
  3. BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 []
  4. BAG, Urteil vom 06.08.1987 – 2 AZR 226/87 []