Über die Frage, ob Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit wegen der privaten Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge, die nicht zur privaten Nutzung überlassen wurden (im konkreten Fall Vorführwagen eines Autohauses), um einen geldwerten Vorteil zu erhöhen sind, hatte das Niedersächsische Finanzgericht zu befinden.
Das Finanzgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anwendung der 1 %-Regelung voraussetzt, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertige sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen1.
Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers2. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder mit der 1 v. H.-Regelung zu bewerten.
Allerdings begründet § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand. Die Vorschriften regeln vielmehr nur die Bewertung eines Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss3. Deshalb setzt die Anwendung der 1 v. H.-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat4. Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG5.
Ob und welches Fahrzeug einem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich ausdrücklich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung auch zur privaten Nutzung überlassen ist, ist aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der Gesamtumstände festzustellen6.
Danach kommt im Streitfall der Ansatz eines geldwerten Vorteils für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge nicht in Betracht. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 06.10.2011 in dieser Sache festgestellt, dass die Tatsachenwürdigung des Finanzgerichts Niedersachsen in dem Urteil vom 11.03.2010, mit der das Vorliegen einer privaten Nutzung bejaht worden ist, die Entscheidung nicht trägt. Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinasnzhofs zugrunde zu legen (§ 126 Abs. 5 FGO). Im zweiten Rechtsgang haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung rechtfertigten. Es hat sich nicht feststellen lassen, dass die GmbH dem Kläger ein Fahrzeug zur privaten Nutzung überlassen hat. Dies hat zur Folge, dass der sog. Anscheinsbeweis für eine private Nutzung nicht zur Anwendung kommt. Ebenso wenig ist erwiesen, dass bestimmte Fahrzeuge privat genutzt worden sind.
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, in der dem Kläger ausdrücklich die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge gestattet worden ist, ist nicht getroffen worden. Etwas anderes wurde auch vom Finanzamt nicht behauptet. In seinem Arbeitsvertrag ist dem Kläger die private Nutzung „des Vorführwagens“ grundsätzlich untersagt.
Zur Überzeugung des Finanzgerichts steht aber auch nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Kläger arbeitsvertraglich auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge gestattet hat, das Privatnutzungsverbot also nur zum Schein ausgesprochen worden ist. Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung z. B. auch nur in Form einer stillschweigenden Duldung der Privatnutzung haben sich nicht ergeben.
Auch eine mangelhafte Überwachung des Verbots lässt keinen Rückschluss auf eine Überlassung verbotswidrige Nutzung der Fahrzeuge zu. Selbst wenn der Arbeitgeber das arbeitsvertragliche Verbot nicht überwacht, besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass Arbeitnehmer Verbote missachten und damit einen Kündigungsgrund schaffen oder sich – unter Umständen – gar einer Strafverfolgung aussetzen6.
Das Finanzgericht hatte im ersten Rechtsgang zwar ausgeführt, es sei nicht davon überzeugt, das Verbot sei tatsächlich ernst gemeint gewesen. Nach den Vorgaben des Bundesfinanzhofs ist jedoch eine Vereinbarung zur privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge vom Finanzgericht positiv festzustellen. Diese Feststellung beinhaltet dann auch, dass das Privatnutzungsverbot im schriftlichen Arbeitsvertrag nur zum Schein ausgesprochen worden ist. Im Streitfall war das Bestehen einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung aber nicht erwiesen.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 03.05.2012 – 1 K 284/11
- im Anschluss an BFH, Urteil vom 06.10.2011 – VI R 64/10 [↩]
- BFH, Urteile vom 06.11.2001 – VI R 62/96, BFHE 197, 142; vom 07.11.2006 – VI R 19/05, BFHE 215, 256; vom 04.04.2008 – VI R 68/05, BFHE 221, 17; vom 21.04.2010 – VI R 46/08, BFHE 229, 228 [↩]
- BFH, Urteile vom 13.02.2003 – X R 23/01, BFHE 201, 499; 07.11.2006 – VI R 95/04, BFHE 215, 256; vom 19.05.2009 – VIII R 60/06 [↩]
- BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 46/08 [↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 11.02.2010 – VI R 43/09; Urteil vom 21.04.2010 – VI R 46/08 [↩]
- BFH, Urteil vom 06.10.2011 – VI R 64/10 [↩] [↩]