Auch mit Miederhosen können sich Finanzgerichte beschäftigen …
Im konkreten Fall begehrte die Klägerin die Erteilung verbindlicher Zolltarifauskünfte für Damenformslips.
Das beklagte Hauptzollamt reihte die Slips anders ein, als beantragt.
Auf die darauf folgende Klage sah sich das Finanzgericht Hamburg an einer eigenen Entscheidung zunächst gehindert und legte dem Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen mit folgender Frage vor:
„Sind die Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur zu der Unterposition 6212 2000 dahin auszulegen,
- dass bei einer Miederhose bereits dann die Elastizität „in Querrichtung … begrenzt“ ist, wenn die Querelastizität geringer ist als die Längselastizität bzw.
- dass bei einer Miederhose erst dann die Elastizität „in Querrichtung … begrenzt“ ist, wenn die Querelastizität deutlich geringer ist als die Längselastizität bzw.
- dass die Begrenzung der Querelastizität sich nicht durch einen Vergleich zwischen Längs- und Querelastizität definiert, sondern eine absolute Begrenztheit der Querelastizität meint?„
Nach Ansicht des Finanzgerichts Hamburg sind die Unterpositionen 6108 2200 und 6212 2000 der Kombinierten Nomenklatur (KN)1) sowie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zu den genannten Unterpositionen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung.
Die Position 6108 KN lautet:
„Unterkleider, Unterröcke, Slips und andere Unterhosen, Nachthemden, Schlafanzüge, Negligees, Bademäntel und -jacken, Hausmäntel und ähnliche Waren, aus Gewirken oder Gestricken, für Frauen oder Mädchen“
Die Unterposition 6108 2200 KN lautet:
„Slips und andere Unterhosen aus Chemiefasern“
Die Position 6212 KN lautet:
„Büstenhalter, Hüftgürtel, Korsette, Hosenträger, Strumpfhalter, Strumpfbänder und ähnliche Waren, Teile davon, auch aus Gewirken oder Gestricken“
Die Unterposition 6212 2000 lautet:
„Hüftgürtel und Miederhosen“
Die Unterposition 6212 9000 lautet:
„andere“
Die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (ABl. EU 2015 C 76, S. 1) –
im Folgenden: Erläuterungen zur KN – zu Unterposition 6212 2000 lauten (Europäischer Zolltarif, EZT, Rz. 01.0 bis 09.0):
„Hüftgürtel und Miederhosen
Hierher gehören vor allem solche Miederhosen, auch aus Gewirken oder Gestricken, die wie eine kurze Hose mit oder ohne Bein oder eine kurze Hose mit oder ohne Bein mit hoher Taille geschnitten sind.
Sie müssen folgende Eigenschaften aufweisen:
a) sie umschließen Taille und Hüften fest; die Seitenteile sind länger als 8 cm (vom Beinausschnitt bis zum oberen Rand gemessen);
b) sie sind längselastisch, jedoch in Querrichtung ist die Elastizität begrenzt. Eine Verstärkung oder eine Einlage im Bauchbereich, ebenso Spitzen, Bänder, Posamenterie oder andere Applikationen sind zulässig, wenn die Längselastizität nicht beeinträchtigt wird;
c) sie bestehen aus folgenden Spinnstoffen:
– Baumwollmischung mit einem Elastomer
– Anteil von mindestens 15 %, oder
– Mischung aus synthetischen Chemiefasern mit einem Elastomer
– Anteil von mindestens 10 %, oder
– Baumwollmischung (nicht mehr als 50 %) mit einem hohen Anteil an synthetischen Chemiefa
sern und einem Elastomer-Anteil von mindestens 10 %.“
Die Erläuterungen zum Harmonisierten System – im Folgenden: Erläuterungen zum HS – zu Position 6212 lauten auszugsweise (Europäischer Zolltarif, EZT, Rz. 01.0):
„Zu dieser Position gehören Waren, die dazu bestimmt sind, gewisse Teile des Körpers zu stützen oder verschiedene Kleidungsstücke beim Tragen zu halten, und Teile davon. Diese Waren können aus Spinnstofferzeugnissen aller Art, auch elastischen, einschließlich Gewirken oder Gestricken, hergestellt sein.“
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, mit der die streitgegenständliche Ware in die Unterposition 6212 2000 oder hilfsweise in die Unterposition 6212 9000 eingereiht wird.
Die Ware wäre in die Position 6212 als die Position mit der – im Vergleich zu der Position 6108 – genaueren Warenbezeichnung (vgl. die Allgemeine Vorschrift 3 a) Satz 1 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur) und dort in die Unterposition 6212 2000 (Hüftgürtel und Miederhosen) einzureihen und der Beklagte mithin zur Erteilung der begehrten verbindlichen Zolltarifauskunft zu verpflichten, wenn es sich bei der streitgegenständlichen Ware um eine Miederhose im Sinne der
Unterposition 6212 2000 handelte. Wenn es sich bei der streitgegenständlichen Ware hingegen nicht um eine Miederhose im Sinne der Unterposition 6212 2000 handelte, wäre die Ware in die Position 6108 und dort in die Unterposition 6108 220 0 (Slips und andere Unterhosen aus Chemiefasern) einzureihen und die Klage mit dem Hauptantrag folglich abzuweisen. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag, die Ware in die Unterposition 6212 9000 (andere <als vorstehend in den Unterpositionen 6212 10, 621
2 2000 und 6212 3000 genannte Waren>) einzureihen. Für den Fall, dass die Ware keine Miederhose im Sinne der Unterposition 6212 2000 sein sollte, käme auch in Anbetracht der unter Position 6212 als Auffangposition vorhandenen Unterposition 6212 9000 für die sonstigen in Position 6212 genannten Waren und diesen ähnliche Waren nur eine Einreihung in die Unterposition 6108 2200 (Slips und
andere Unterhosen aus Chemiefasern) in Betracht. Denn wenn die unzweifelhaft als Unterhose anzusehende und daher dem Warenkreis der Unterposition 6212 2000 grundsätzlich unterfallende streitgegenständlichen Ware nicht die in den Erläuterungen zur KN aufgeführten besonderen Voraussetzungen einer als Miederhose anzusehenden Unterhose erfüllt, kann sie gerade keine andere den in Position 6212 genannten Waren ähnliche Ware sein, anderenfalls die für die Miederhose erforderlichen Voraussetzungen ohne Bedeutung blieben.
Was unter einer Miederhose im Sinne der Unterposition 6212 2000 zu verstehen ist, wird in den Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000 näher bestimmt. Da vorliegend die streitgegenständliche Ware die dort unter Buchstabe a) (sie umschließen Taille und Hüften fest; die Seitenteile sind länger als 8 cm <vom Beinausschnitt bis zum oberen Rand gemessen>) und Buchstabe c) (sie bestehen aus folgenden Spinnstoffen, hier: aus eine Mischung aus synthetischen Chemiefasern mit einem Elastomer-Anteil von mindestens 10 %) umschriebenen Eigenschaften unzweifelhaft aufweist, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie daneben auch die unter Buchstabe b) Satz 1 umschriebene Eigenschaft aufweist, nämlich dass die Ware längselastisch ist, jedoch in Querrichtung die Elastizität begrenzt ist. Damit sind die auf die Auslegung der Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000 zu Buchstabe b) Satz 1 gerichteten Vorlagefragen entscheidungserheblich.
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofes2 ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren
allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur).
Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur KN, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen3. Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird4.
Ob die objektiven Merkmale und Eigenschaften der streitgegenständlichen Ware dem Wortlaut der Position 6212, insoweit namentlich dem Begriff der den Büstenhaltern, Hüftgürteln, etc. ähnlichen War
en, auch aus Gewirken oder Gestricken, sowie dem Wortlaut der Unterposition 6212 2000, insoweit namentlich dem Begriff der hier allein in Betracht zu ziehenden Miederhosen, entsprechen, ist nicht ohne weiteres eindeutig zu beantworten.
Die Bedeutung des Begriffs der Miederhose als eine Büstenhaltern, Hüftgürteln, etc. ähnliche Ware ist nicht näher durch die Kombinierte Nomenklatur definiert, auch finden sich hierzu keine Hinweise in den Anmerkungen zu Abschnitt XI bzw. zu Kapitel 62. Damit ist die Bedeutung des Begriffs der Miederhose nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen festzustellen, wobei es nicht auf eine Verkehrsanschauung
ankommen kann, da sich aus der Position 6212 und der Unterposition 6212 2000 nichts dafür ergibt, dass der Unionsgesetzgeber ausnahmsweise die Verkehrsanschauung als maßgebendes Kriterium angesehen hätte. Es ist damit auf die Erläuterungen zum HS und die Erläuterungen zur KN als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen5. Nach den Erläuterungen zu Position 6212 (HS), Rz. 01.0, gehören zu dieser Position Waren, die dazu bestimmt sind, gewisse Teile des Körpers zu stützen oder verschiedene Kleidungsstücke beim Tragen zu halten, und Teile davon, wobei diese Waren aus Spinnstofferzeugnissen aller Art, auch elastischen, einschließlich
Gewirken oder Gestricken, hergestellt sein können. Nach den Erläuterungen zu Unterposition 6212 2000 (KN), Rz. 02.0, gehören hierher vor allem solche Miederhosen, auch aus Gewirken oder Gestricken, die wie eine kurze Hose mit oder ohne Bein oder eine kurze Hose mit oder ohne Bein mit hoher Taille geschnitten sind, und sie müssen die in den Erläuterungen zu Unterposition 6212 2000 (KN), Rz. 04.0 bis 09.0, unter Buchstaben a) bis c) genannten Eigenschaften aufweisen. Die dort genannten kumulativ geforderten Eigenschaften, anknüpfend an besondere Vorgaben zur Schnitt- und Passform (Buchstabe a)), zur Elastizität (Buchstabe b)) und zur Spinnstoffzusammensetzung mit einem Mindest-Elastomer-Anteil (Buchstabe c)), dienen dazu sicherzustellen, dass eine Miederhose im Sinne der Unterposition 6212 2000 im Sinne der Erläuterung zu Position 6212 (HS) dazu bestimmt ist, gewisse Teile des Körpers zu stützen. Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, ist davon auszugehen, dass die erforderliche Stützfunktion nicht gegeben ist und die Ware damit – unabhängig von einem durch
den Hersteller oder Einführer etwaig beabsichtigten Verwendungszweck –nicht dazu bestimmt ist, gewisse Teile des Körpers zu stützen. Die an die Stützfunktion in Bezug auf gewisse Teile des Körpers anknüpfende und diese für die Miederhose näher definierende Warendefinition der hier einschlägigen Erläuterungen zur KN, die in Zusammenschau mit den Erläuterungen zum HS zu Unterposition 6212 und
der dort umschriebenen Stützfunktion zu lesen sind, steht im Einklang mit der durch die Position 6212 und die Unterposition 6212 2000 vorgegebenen Begriffsbedeutung eines Kleidungsstücks oder Bekleidungszubehörs im Sinne der unter Position 6212 exemplarisch genannten Waren, denen eine
solche Stütz- bzw. Zusammenhaltfunktion gemeinsam ist. Damit dürfen die Erläuterungen nicht unberücksichtigt bleiben, sondern sind als maßgebliches Erkenntnismittel heranzuziehen6.
Dies vorweggeschickt, ist die für die streitgegenständliche Ware in Anwendung der Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000 allein streitige Eigenschaft nach Buchstabe b) der Erläuterung für die Beurteilung des Rechtsstreit entscheidend und aufgrund des insoweit nicht eindeutigen Aussagegehalts der Erläuterung näher klärungsbedürftig. Die Ware stellt sich als ein als Hüftslip gearbeiteter Damenformslip aus Gestricken dar, der sowohl in Längs- als auch in Querrichtung elastisch ist, wobei sich der Slip bei händischem Auseinanderziehen in seiner Querrichtung weniger gut dehnen lässt als in seiner Längsrichtung, wobei die Beurteilung, in welchem Maße sich der Slip in seiner Querrichtung w
eniger gut dehnen lässt, je nach individuellem Empfinden durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Besondere in Querrichtung eingearbeitete unelastische Elemente weist der Slip nicht auf.
Buchstabe b) der Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000 im dortigen, für den vorliegenden Fall allein relevanten Satz 1 bestimmt, dass Miederhosen längselastisch sind, jedoch in Querrichtung die Elastizität begrenzt ist. Nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg ist unklar, welcher Aussagegehalt der Formulierung „in Querrichtung ist die Elastizität begrenzt“ beizumessen ist.
Zunächst ist der Wortlaut der Formulierung „in Querrichtung ist die Elastizität begrenzt“ offen.
Das Finanzgericht Hamburg hält dafür, dass dem Wortlaut insoweit eindeutig nur entnommen werden
kann, dass Miederhosen sowohl längselastisch als auch in einem Mindestmaß querelastisch sein müssen, m. a. W. Miederhosen nicht (überhaupt) nicht querelastisch sein dürfen. Denn es kann nur etwas – hier: die Querelastizität – begrenzt sein, was prima facie überhaupt vorhanden ist.
Anderenfalls hätte es in den Erläuterungen vielmehr heißen müssen, dass Miederhosen längselastisch, jedoch nicht querelastisch sind. Im Übrigen ist auch keine Miederhose vorstellbar, die nicht wenigstens minimal querelastisch ist, da anderenfalls eine Eignung als zu tragendes und dementsprechend an- und
ausziehbares Kleidungsstück wohl ausgeschlossen sein dürfte. Jedenfalls stünde eine Auslegung dahin gehend, dass eine Miederhose nur längselastisch, aber nicht querelastisch ist, mit der Begriffsbedeutung der Miederhose im Sinne der Unterposition 6212, die erkennbar auf ein zu tragendes Kleidungsstück abstellt, im Widerspruch.
Die Formulierung „in Querrichtung ist die Elastizität begrenzt“ kann, ausgehend von der vom Finanzgericht Hamburg vorausgesetzten Prämisse, dass ein Minimum an Querelastizität vorhanden sein muss, Verschiedenes meinen:
Zum einen ist es denkbar, dass „begrenzt“ in erster Linie in Zusammenschau mit dem ersten Satzteil zu lesen ist, in welchem die Längselastizität angesprochen wird, und daher in dem Sinne zu verstehen ist, dass sich die Begrenzung der Querelastizität allein durch einen Vergleich mit der – ohne nähere Einschränkungen – für Miederhosen geforderten Längselastizität definiert. Dabei kommen wiederum
verschiedene Bedeutungsinhalte in Betracht. Einerseits könnte gemeint sein, dass es
insoweit ausreicht, dass die Querelastizität geringer ist als die Längselastizität, ohne dass näher zu bestimmen wäre, um wieviel geringer die Querelastizität im Verhältnis zur Längselastizität sein muss. Damit würde eine, auch nur geringfügig, geringere Querelastizität im Vergleich zur vorhandenen Längselastizität den Anforderungen der in Rede stehenden Erläuterung genügen. Andererseits könnte gemeint sein, dass die Querelastizität deutlich geringer ist als die Längselastizität. Damit würde nur eine in einem bestimmten, nämlich deutlichen, Ausmaß geringere Querelastizität im Vergleich zur vorhandenen Längselastizität den Anforderungen der in Rede stehenden Erläuterung genüg
en. Sollte es zutreffend sein, dass die Begrenzung der Querelastizität sich vom Grundsatz her durch einen Vergleich mit der vorhandenen Längselastizität der Miederhose definiert, so neigt das Finanzgericht Hamburg insoweit eher der letztgenannten Auslegungsvariante zu, wonach die Querelastizität deutlich
geringer sein muss als die Längselastizität. Denn anderenfalls wäre in den Fällen, in denen es nur minimale Unterschiede in der Längs- und in der Querelastizität der Miederhose gibt, das Merkmal „in Querrichtung ist die Elastizität begrenzt“ letztlich nahezu gegenstandslos und würde nicht mehr zu einer Konkretisierung der in der Erläuterung zum HS zu Position 6212 umschriebenen Stützfunktion beitragen.
Allerdings ist zu bedenken, dass diese Auslegungsvariante zu der weitergehenden Auslegungsproblematik führt, welcher konkrete Bewertungsmaßstab anzulegen ist, um von einer deutlich geringeren Querelastizität ausgehen zu können. Denn eine Orientierung an einer deutlich geringeren Querelastizität unterliegt zwangsläufig weiteren bewertenden Kriterien, so dass eine Festlegung auf eine bestimmte quantifizierbare Abstufung der geringeren Querelastizität im Vergleich zur Längselastizität geboten sein könnte.
Zum anderen ist es denkbar, so das Finanzgericht Hamburg, dass sich das Merkmal „begrenzt“ nicht durch einen Vergleich zwischen Längs- und Querelastizität definiert, sondern eine absolute Begrenztheit der Querelastizität meint in dem Sinne, dass der – grundsätzlich vorhandenen und an sich nicht eingeschränkten – Querelastizität der Miederhose durch zusätzliche Vorkehrungen eine feste Grenze gesetzt ist, durch die die Querelastizität an einem bestimmten Punkt ihrer Ausdehnung und Beanspruchung beendet wird. Dass eine derartige Begrenzung von Elastizität gemeint sein könnte,
könnte insofern auch Satz 2 der Erläuterung unter Buchstabe b) nahe legen. Denn dort ist ausgeführt, dass eine Verstärkung oder eine Einlage im Bauchbereich, ebenso Spitzen, Bänder, Posamenterie oder andere Applikationen zulässig sind, wenn die Längselastizität nicht beeinträchtigt wird. Darin wird deutlich, dass die genannten zusätzlich verarbeiteten Elemente zumindest zu einer Beeinträchtigung
der Elastizität führen können, so dass auch eine, gegebenenfalls über eine bloße Beeinträchtigung hinausgehende, Begrenzung der Elastizität durch derartige Elemente durchaus denkbar ist. Andererseits ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die von der Erläuterung zum HS zu Position 6212 geforderte Stützfunktion wohl nicht ausschließlich durch eine derartige absolute Begrenztheit
der Querelastizität erreicht werden kann, sondern auch eine schlicht in ihrem Ausmaß reduzierte Querelastizität zu einer ebenso guten Stützfunktion führen kann.
In allen vorstehend genannten Auslegungsvarianten der Formulierung „in Querrichtung ist die Elastiz
ität begrenzt“ stellt sich zudem gleichermaßen die Frage, anhand welcher objektiven Kriterien der Vergleich zwischen Längs- und Querelastizität bzw. die Prüfung, ob eine absolute Begrenztheit der Querelastizität vorliegt, vorzunehmen wäre. Bei der Auslegungsvariante, die auf einen Vergleich
zwischen Längs- und Querelastizität abstellt, kämen insoweit beispielsweise eine rein sensorische Prüfung durch händisches Auseinanderziehen des Materials oder auch technische Messverfahren, die Daten zur Dehnbarkeit des verwendeten Materials liefern, in Betracht. Bei der Auslegungsvariante, die auf eine absolute Begrenztheit der Querelastizität abstellt, kämen beispielsweise ebenfalls eine rein
sensorische Prüfung durch händisches Auseinanderziehen des Materials oder das Abstellen auf besondere Eigenschaften des verwendeten Materials oder gesondert eingearbeitete Elemente, z. B. feste unelastische Stoffpartien, Bänder o. ä., in Betracht.
Schließlich trägt auch der Blick auf die in anderen Sprachen der Mitgliedstaaten verfassten Erläuterungen zur KN nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg nicht zu einer eindeutigen Auslegung der Erläuterung zur KN zu Unterposition 6212 2000, Buchstabe b) Satz 1, bei: So heißt es beispielsweise in der englischen Sprachfassung „They must have vertical elasticity and restricted horizontal elasticity“, in der französischen Sprachfassung „Elles doivent avoir une élasticité verticale
limitée dans le sens horizontal“, in der spanischen Sprachfassung „Deben presentar una elasticidad en sentido vertical y una elasticidad limitada en sentido horizontal“ und in der italienischen Sprachfassung „Esse devono presentare un’elasticità verticale ma limitata in senso orizzontale“. Sämtliche Formulierungen stellen, wie die deutsche Sprachfassung, auf den Begriff „begrenzt“ ab, der in Zusammenschau mit dem einleitenden Satzteil zur Längselastizität sowohl eine im Vergleich zur
Längselastizität begrenzte, d. h. niedrigere, Querelastizität meinen kann als auch eine eigenständig zu betrachtende absolute Begrenztheit der Querelastizität.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Finanzgericht Hamburg es wegen der in allen Auslegungsvarianten gegebenen Schwierigkeiten, die objektiven Kriterien zur Ermittlung der
begrenzten Querelastizität zu bestimmen, sowie der teilweise zudem erforderlichen Einführung von bisher nicht definierten Bewertungsmaßstäben, auch für denkbar hält, dass die Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000, Buchstabe b) Satz 1, ungeeignet sind, die tariflich relevanten Merkmale und
Eigenschaften von Miederhosen zu definieren, so dass für die erforderliche Warenbeschaffenheit einer Miederhose – neben den in den Erläuterungen zur KN zu Unterposition 6212 2000 unter Buchstaben a) und c) genannten Voraussetzungen – in Bezug auf die Anforderungen an deren Querelastizität unter Rückgriff auf die Erläuterung zum HS zu Position 6212 allein auf das Vorhandensein einer nachweisbaren Stützfunktion für gewisse Teile des Körpers abzustellen sein könnte.
Angesichts der aufgezeigten Zweifel hinsichtlich der inhaltlichen Bedeutung der hier zur Auslegung des Unionsrechts maßgeblich heranzuziehenden Auslegungshilfen der Europäischen Kommission hat das Fianzgericht Hamburg beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof die oben genannten Fragen im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 11.05.2016 – 4 K 218/14
- Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. EU L 256, S. 1) in den für die hier relevanten Unterpositionen jeweils gleich lautenden Fassungen der
Durchführungsverordnungen (EU) der Kommission Nr. 927/2012 vom 09.10.2012 (ABl. EU L 304, S. 1), Nr. 1001/2013 vom 04.10.2013 (ABl. EU L 290, S. 1), Nr. 1101/2014 vom 16.10.2014 (ABl. EU L 312, S. 1) und Nr. 2015/1754 vom 06.10.2015 (ABl. EU L 285, S. 1 [↩] - vgl. etwa
EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C – 121/95; BFH, Urteile vom 18.12.2001 – VII R 78/00; vom 09.10.2001 – VII R 69/00; vom 14.11.2000 – VII R 83/99; vom 05.10.1999 – VII R 42/98; vom 23.07.1998 – VII R 36/97 [↩] - vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997 – Rs. C -143/96; vom 19.05.1994 – Rs. C
– 11/93 [↩] - BFH, Urteile vom 14.11.2000 – VII R 83/99; vom 05.10.1999 – VII R 42/98; BFH, Beschluss vom 24.10.2002 – VII B 17/02 [↩]
- BFH, Urteil vom 18.12.2001 – VII R 78/00 [↩]
- EuGH, Urteil vom 14.04.2011 – C – 88/09 und C – 289/09 [↩]