Das Finanzgericht Hamburg hatte sich mit der nachträglichen Geltendmachung eines präferentiellen Warenursprungs im Rahmen eines Erstattungsverfahrens auseinanderzusetzen sowie dem maßgelichen Zeitpunkt für die Prüfung der Voraussetzungen der Erstattung.
Desweiteren hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass, werden Ursprungszeugnisse in einer Gemeinsamen Erklärung der Behörden des Ausstellungslandes und der EU für unwirksam erklärt, die Ware unbekannten Ursprungs ist und der Ursprungsnachweis für Waren, die dem Allgemeinen Präferenzsystem unterliegen, nur in der Weise erfolgen kann, wie dies in der ZKDVO vorgesehen ist.
Die Klägerin begehrt im Rahmen Erstattungsverfahrens die Anwendung eines präferentiellen Zollsatzes für Fahrradeinfuhren aus Kambodscha.
Sie überführte zwischen dem 02.03. und 16.04.2009 komplette Fahrräder mit der Ursprungsangabe Kambodscha in den freien Verkehr. Sie zahlte jeweils den angemeldeten Drittlandszoll von 14 % und berief sich nicht auf eine Zollpräferenz.
Mit drei Schreiben vom 03.12.2010 beantragte sie unter Vorlage von elf
Ursprungszeugnissen Form A vom 26.02. bzw. 08.04.2009 die Erstattung des
Drittlandszolls, weil der präferentielle Zollsatz nach dem Allgemeinen
Präferenzsystem (APS) anwendbar sei.
Vom 19.06. bis 02.07.2009 fand eine Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Kambodscha statt. Anlass war der Verdacht, dass von 2006 bis 2009 für Fahrräder, die tatsächlich ihren Ursprung nicht in Kambodscha hatten, kambodschanische Ursprungszeugnisse ausgestellt worden sein könnten, um Drittlandszölle und Antidumping-Zölle für aus Vietnam und der VR China stammende Fahrräder zu umgehen. Nach dem Abschlussbericht dieser Untersuchung habe insbesondere ein Besuch bei der X Co. Ltd. – der Lieferantin der Klägerin –
ergeben, dass die aus anderen ASEAN-Staaten gelieferten Teile selten
mit einem Ursprungszeugnis Form A versehen gewesen seien. Die
kambodschanischen Herstellungsbetriebe hätten den dortigen Behörden zur
Ausstellung der Ursprungszeugnisse Form A Rechnungen vorgelegt, die nicht den tatsächlichen Kosten der Teile entsprochen hätten. Als reine Produktionsstätten hätten sie auch keine Kenntnis von diesen Preisen gehabt. In einer Gemeinsamen Erklärung des kambodschanischen Handelsministeriums und OLAF vom 02.07.2009 wurde festgestellt, dass die in den Jahren 2006 bis 2009 von den kambodschanischen Behörden ausgestellten Ursprungszeugnisse Form A zur Inanspruchnahme der
APS-Zollpräferenzen ungültig seien, weil der kambodschanische Ursprung aufgrund fehlender Ursprungszeugnisse von Vormaterialien, die aus anderen ASEAN-Staaten gestammt hätten, nicht nachgewiesen sei.
Die Beklagte lehnte den Erstattungsantrag gemäß Art. 236 ZK ab, weil nach dem OLAF-Bericht die von den kambodschanischen Behörden ausgestellten Ursprungszeugnisse Form A als ungültig zu betrachten seien.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage.
Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen; die Ablehnung der
Erstattung von Zoll in Höhe von 81.009,78 € sei nicht rechtswidrig gewesen und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne von § 101 S. 1 FGO, weil sie keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung habe.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend allein Art. 236 Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der
Gemeinschaften1 in Betracht; Der
Erstattungsantrag nach Art. 239 ZK ist Gegenstand eines gesonderten Verfahrens.
Nach Art. 236 Abs. 1 UAbs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als
nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich
geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK nachträglich buchmäßig erfasst worden ist. Da vorliegend die Einfuhrabgaben, deren Erstattung begehrt wird, nicht nachträglich buchmäßig erfasst wurden, müssten die Einfuhrabgaben gesetzlich nicht geschuldet gewesen sein. Zwar ist bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Dies ist jedoch dann anders, wenn das Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten, davor liegenden Zeitpunkt abstellt2. So liegt es hier, weil Art. 236 Abs. 1 UAbs. 1 ZK die Erstattung ausdrücklich davon abhängig macht, dass der Betrag „im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war“. Die Norm ist allerdings insoweit missverständlich, als nicht der Zahlungszeitpunkt, sondern der Zeitpunkt der Zollschuldentstehung gemäß Art. 214 ZK für die Ermittlung des tatsächlich geschuldeten Abgabenbetrags maßgeblich ist.
Die ursprüngliche Zollfestsetzung basierte auf dem Regelzollsatz gemäß Art. 20 Abs. 3 Buchst. c ZK für Waren der Unterposition 8712 0030 der Kombinierten Nomenklatur (KN) gemäß Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 vom 19.09.20083 in Höhe von 14 %.
Die Klägerin, die insoweit die Beweislast trägt, hat nicht nachgewiesen, dass sie im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung, also bei Annahme der Zollanmeldungen (Art. 201 Abs. 2 ZK) zwischen dem 02.03. und dem 16.04.2009, einen niedrigeren als den gezahlten Zoll geschuldet hat. Die APS-
Zollpräferenz (Zollsatz: 0 %) für kambodschanische Einfuhren gemäß Art. 20 Abs. 3 Buchst. e ZK in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 732/2008 vom 22.07.2008 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.20114
ist nicht anwendbar.
Für die hier geltend gemachte APS-Präferenz bestimmt sich gemäß Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 732/2008 der Ursprung einer Ware nach dem Zollkodex. Damit ist der Ursprung der Waren nach den auf Grundlage von Art. 27 UAbs. 2 Buchst. b ZK erlassenen Art. 66 – 97 ZKDVO in der bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 vom 18.11.20105 am 01.01.2011 (siehe Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung) geltenden Fassung (ZKDVO a. F.) zu bestimmen. Nach Art. 80 Buchst. a ZKDVO a. F. erhalten Ursprungserzeugnisse der begünstigten Länder eine Zollpräferenzbehandlung, sofern ein Ursprungszeugnis nach Formblatt A vorgelegt wird.
Die Klägerin konnte den Ursprungsnachweis der eingeführten Waren nach Auffasung des Finanzgerichts Hamburg nicht mit den nachträglich vorgelegten Ursprungszeugnissen führen, auch wenn darin der kambodschanische Ursprung bestätigt wird. In der Gemeinsamen Erklärung des kambodschanischen Handelsministeriums und OLAF vom 02.07.2009 wurde nämlich festgestellt, dass die in den Jahren 2006 bis 2009 von den kambodschanischen Behörden ausgestellten Ursprungszeugnisse Form A zur Inanspruchnahme der APS-Zollpräferenzen ungültig sind. Dies betrifft auch die vorgelegten Ursprungszeugnisse, da diese am 26.02. bzw. 08.04.2009 ausgestellt wurden. Ein solches Ergebnis einer nachträglichen Prüfung gemäß Art. 94 Abs. 6 ZKDVO a. F. für die im Ursprungszeugnis nach Form A enthaltene Angabe über den Warenursprung hat zur Folge, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass das Zeugnis demnach zu Unrecht ausgestellt worden ist6.
Die Klägerin konnte auch nicht anderweitig den Nachweis des kambodschanischen Ursprungs führen.
Eine Erklärung des Ursprungs auf der Rechnung gemäß Art. 80 Buchst. b ZKDVO a.F. ist nicht möglich, da dies ausschließlich in den in Art. 89 Abs. 1 ZKDVO a. F. genannten Fällen vorgesehen ist, die vorliegend nicht gegeben sind. Es geht nämlich weder um eine Ausfuhr aus der Gemeinschaft (Buchst. a) noch hatten die Sendungen jeweils einen Wert von weniger als 6.000,–
€ (Buchst. b). Im Übrigen enthalten die in der Akte befindlichen Rechnungen und Versandunterlagen keinen Hinweis auf den kambodschanischen Ursprung im Sinne des APS.
Der von der Klägerin angeführte Art. 109 ZKDVO a. F. gilt nur für die
Warenverkehrsbescheinigung EUR.1. Da Art. 80 ZKDVO a. F. eine ähnliche
Regelung für APS-Waren enthält, wird deutlich, dass es keine Regelungslücke gibt, die es erlauben würde, Art. 109 ZKDVO auf den vorliegenden
Fall anzuwenden.
Die §§ 93 – 100 AO sind vorliegend nicht anwendbar, weil Art. 80 ZKDVO a. F. eine abschließende Spezialregelung für den Nachweis der APS-Präferenz enthält.
Anderenfalls hätte die darin unter der Überschrift „Nachweis der
Ursprungseigenschaft“ vorgenommene Aufzählung keinen Sinn.
In Art. 4 Nr. 23 ZK ist lediglich aufgeführt, was unter dem Begriff des geltenden Rechts zu verstehen ist, ohne im Einzelfall eine Aussage über die an
wendbaren Normen zu treffen. Auch die Rn. 68 des Urteils des EuGH vom 20.10.20057 stützt
die Auffassung der Klägerin nicht. Hierbei ging es um die erstattungsrechtlichen Folgen der „Vorlage hinreichender Beweismittel“. Abgesehen davon, dass die Entscheidung im Zusammenhang mit dem Zollwertrecht erging, setzt die genannte Textstelle voraus, dass bereits etwas bewiesen ist. Für die Frage, die im vorliegenden Rechtsstreit inmitten steht, nämlich wie der Präferenzursprung nachgewiesen werden kann, gibt sie damit nichts her. Schließlich führt das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 26.04.20138 zu keinem anderen Ergebnis. Die Frage, womit der Präferenznachweis erbracht werden kann, stellte sich in jenem Verfahren nämlich nicht, weil Ursprungszeugnisse nach Form A vorgelegt worden waren, deren Beweiswert nicht bezweifelt wurde. Selbst wenn es möglich sein sollte, den Nachweis des kambodschanischen Ursprungs mit anderen Mitteln als einem Ursprungszeugnis Form A zu führen, hätte die Klägerin dies nicht getan. Er ergibt sich nicht aus dem Beschluss der Kommission C(2012) 8694 vom 30.11.2012. In dessen Rn. 23 S. 2 wird lediglich die Auffassung der kambodschanischen Behörden wiedergegeben, dass „die meisten“ Fahrräder, für die zu Unrecht Ursprungszeugnisse nach Form A ausgestellt worden seien, ein solches Ursprungszeugnis hätten erhalten können. Es wird dadurch gerade nicht belegt, dass auch die von der Klägerin eingeführten Fahrräder diese Anforderungen erfüllten.
Anders als die Klägerin meint, ist es nicht unbillig, dass der Vertrauensschutztatbestand in Art. 220 Abs. 2 ZK, der ausdrücklich nur für die nachträgliche buchmäßige Erfassung gilt, vorliegend nicht zur Anwendung kommt.
Der Grund hierfür ist nämlich, dass sich die Klägerin entschieden hat, bei der
Zollanmeldung die APS-Zollpräferenzen nicht geltend zu machen.
- ABl. EG L 302/1; Zollkodex [↩]
- BFH, Urteil vom 06.08.2013 – VII R 15/12 [↩]
- ABl. EU L 291/1 [↩]
- ABl. EU L 211/1 [↩]
- ABl. EU L 307/1 [↩]
- EuGH, Urteil vom 08.11.2012 – C – 438/11, Rn. 18;
BFH, Urteil vom 24.04.2012 – VII R 31/09 [↩] - EuGH, Urteil vom 20.10.2005 – C – 468/03 [↩]
- FG Hamburg, Urteil vom 26.04.2013 – 4 K 9/11 [↩]