Hunde haben es machmal an sich, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – das ein oder andere ankabbern. Aber unschuldig schauen können sie nach getaner „Arbeit“ immer …
Das Oberlandesgericht Hamm hatte nun über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Frage ging, in welcher Höhe Schadenersatz für die Beschädigung von Bürostühlen durch einen Hund verlangt werden kann.
Worum ging es?
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die Beschädigung von 7 Bürostühlen des Herstellers X durch den Hund der Beklagten während eines Beratungsgesprächs in den Räumen der Klägerin. Die Klägerin macht Reparaturkosten iHv 7.072,17 € brutto geltend, auf die die Beklagte 1.600,- € geleistet hat.
Das Landgericht Hagen hat – da die Stühle noch nicht repariert worden waren – deren Wiederbeschaffungswert auf 4.832,50 € geschätzt und der Klägerin 3.232,50 € zugesprochen1.
Daraufhin hat die Klägerin Berufung zum Oberlandesgericht Hamm eingelegt und nach inzwischen durchgeführter Reparatur der Stühle weitere 2.239,67 € verlangt.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm:
Das Oberlandesgericht Hamm hat der Berufung zum Teil stattgegeben – und zwar uas folgenden Gründen:
Nach § 251 Abs. 2 Abs. S. 1 BGB steht es dem Schädiger ausnahmsweise frei, die Naturalrestitution zu verweigern und stattdessen Entschädigung in Geld zu leisten, wenn die Naturalrestitution zwar möglich ist, aber unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert.
Die Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen für eine Naturalrestitution ergibt sich bei reinen Vermögensschäden aus einem Wertvergleich zwischen den Kosten, die zur Herstellung erforderlich sind, und dem Wert des beschädigten Gegenstands. Einen fixen Zahlenwert für die Unverhältnismäßigkeit gibt es nicht. Die von der Rechtsprechung entwickelte 130% Grenze im Bereich der Regulierung von Kraftfahrzeugschäden kann nicht schablonenhaft auf Schadensersatzregulierungen außerhalb der Krafthaftpflicht übertragen werden. Die Regulierung von Kraftfahrzeugschäden stellt ein Massengeschäft dar, das in der Praxis einer einheitlichen und übersichtlichen Handhabung zugänglich sein muss. In anderen Fällen kommt es vielmehr auf eine Interessenabwägung im Einzelfall an. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich diesbezüglich in einer häufig verwendeten Formulierung darauf festgelegt, dass die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit dann überschritten ist, wenn ein „krasses Missverhältnis“ zwischen dem Herstellungsaufwand und dem zu ersetzenden Schaden besteht2. Die Qualifikation des notwendigen Missverhältnisses als „krass“ bringt zum Ausdruck, dass § 251 Abs. 2 S. 1 BGB als Ausnahmevorschrift zu verstehen ist.
Hiervon ausgehend kann die Klägerin nicht allein deshalb auf die Beschaffung gleichwertiger gebrauchter Stühle verwiesen werden, weil die Instandsetzungskosten ca. 140% einer Ersatzbeschaffung betragen. Das Oberlandesgericht Hamm hat bei seiner Entscheidung bedacht, dass die beschädigten Stühle von der Klägerin als Neuartikel erworben und seit ihrer Anschaffung zum festen Inventar des von ihr betriebenen Büros über einen Zeitraum von 16 Jahren gehört haben. Die Stühle waren im Übrigen intakt und unbeschädigt. Die Ersatzbeschaffung gebrauchter Stühle war zwar möglich. Die Recherchen der Parteien haben nach Einsichtnahme in die überreichten Internetauszüge aber gezeigt, dass die angebotenen Stühle nicht durchweg in der Farbe der beschädigten Stühle ausgeführt waren. Hinzu kommt, dass unter keiner der ausgewiesenen Adressen die benötigten sieben Stühle in den benötigten drei Ausführungen angeboten wurden. Der Klägerin wäre daher nichts anderes übrig geblieben, als quer durch die Republik den Gebrauchthandelmarkt zu beobachten und sukzessive die benötigten sieben Stühle zu beschaffen, die zuvor noch auf ihren Zustand hin zu untersuchen waren. Angesichts dessen ist es der Beklagten mit Blick auch auf ein zu wahrendes einheitliches Erscheinungsbild des Inventars zumutbar, die höheren Kosten der Reparatur der vorhandenen Stühle zu übernehmen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.02.2021 – 9 U 128/20
ECLI:DE:OLGHAM:2021:0219.9U128.20.00
- Landgericht Hagen, Urteil vom 03.07.2020 – 2 O 38/19 [↩]
- BGH, Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 275/12 [↩]