Die Zulassung als Vertragsarzt als wertbildender Faktor

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass, orientiert sich der für eine Arztpraxis mit Vertragsarztsitz zu zahlende Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert, in dem damit abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten ist.

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie. Er erwarb eine Facharztpraxis mit dem Patientenstamm der gesetzlich Versicherten. Der Praxis-Übernahmevertrag bestimmte, dass ein Teil des Kaufpreises auf die Einrichtung, ein weiterer auf den ideellen Wert der Praxis entfiel. Dieser Praxiswert war anhand des vom Veräußerer in der Praxis erzielten und auf die gesetzlich versicherten Patienten entfallenden Umsatzes und Gewinns ermittelt worden. Die Privatpraxis führte der Verkäufer fort; sie war vom Vertrag ausgenommen. Die Geschäftsgrundlage des Übernahmevertrages sollte entfallen, wenn der Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Zulassung als Vertragsarzt nicht erhalten sollte.

Nachdem der Kläger die Zulassung erhalten hatte, gründete er mit einem Facharzt für Anästhesie eine Praxisgemeinschaft. Der Anästhesist entrichtete an den Kläger einen Geldbetrag als Gegenleistung für den von ihm erworbenen Anteil am Praxiswert. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er setzte im Hinblick auf den ihm verbleibenden Teil des Praxiswerts für die Streitjahre jeweils entsprechende Beträge als Betriebsausgabe (Absetzung für Abnutzung – AfA -) an.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Hälfte des vom Kläger entrichteten Betrags für den Praxiswert auf den „wirtschaftlichen Vorteil einer Vertragsarztzulassung“ entfalle, der als ein nicht abnutzbares immaterielles – vom Praxiswert zu trennendes eigenes – Wirtschaftsgut anzusehen sei. Da die vom Kläger jährlich vorgenommene AfA die abschreibbare Hälfte bereits überschritten habe, sei für weitere AfA in den streitbefangenen Jahren kein Raum mehr.

Der Arzt obsiegte vor dem Finanzgericht und der Bundesfinanzhof gab ihm nun auch in der Revisionsinstanz Recht.

1. Wirtschaftsgüter sind Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können1.

Auch der Geschäftswert eines Unternehmens ist ein Wirtschaftsgut. Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert, sondern durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen aufgrund besonderer dem Unternehmen eigener Vorteile höher oder gesicherter erscheinen als bei einem anderen vergleichbaren Unternehmen2.

Den derivativ erworbenen Praxiswert beurteilt die Rechtsprechung als abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut, weil der Wert einer freiberuflichen Praxis im Wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden endet3.

Ferner gehören zu den Wirtschaftsgütern etwa ein Wettbewerbsverbot, für das Zahlungen geleistet werden4, sowie Milchlieferungsrechte und das betriebsgebundene Zuckerrübenlieferrecht5.

Auch der wirtschaftliche Vorteil aus einer Güterfernverkehrsgenehmigung ist ein selbständiges Wirtschaftsgut, weil es für die steuerliche Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht auf die Verkehrsfähigkeit (Einzelveräußerbarkeit) ankommt. Es reicht aus, dass der Vermögenswert zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann6.

Von den selbständigen Wirtschaftsgütern abzugrenzen sind deren unselbständige Teile, die wertbildenden Faktoren, wie z.B. geschäftswertbildende Rechtsreflexe oder Nutzungsvorteile eines Wirtschaftsguts7. So sind Lieferrechte für Leseringe keine selbständigen Wirtschaftsgüter, sondern wertbildende Faktoren des allgemeinen Geschäftswerts8. Dasselbe gilt für Gewinnchancen aus schwebenden Verträgen9. Die Möglichkeit, ein Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen, ist kein besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden10.

Ein unselbständiger werterhöhender Faktor eines Wirtschaftsguts kann zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gemacht und dadurch zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine „Veräußerung des Kundenkreises“ zur Bereinigung von Liefergebieten oder bei Änderung des Warenangebots stattfindet11. Eine gemeinschaftsrechtliche Ackerprämienberechtigung (Ackerquote) verselbständigt sich dann als Wirtschaftsgut, wenn sie in den Verkehr gebracht, insbesondere zum Gegenstand eines Kaufvertrages gemacht worden ist. Erst zu diesem Zeitpunkt wird sie einer selbständigen Bewertung zugänglich und löst sich als immaterielles Wirtschaftsgut von dem Grund und Boden12.

2. Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall davon auszugehen, dass bei dem Erwerb einer Vertragsarztpraxis im Regelfall neben dem erworbenen Praxiswert kein weiteres selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut in Form des „mit einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils“ vorhanden ist.

Der Kaufpreis für eine Vertragsarztpraxis lässt sich grundsätzlich nicht –auch nicht teilweise– dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuordnen.

Der Erwerb einer eingeführten Arztpraxis schafft für den Praxiserwerber die Grundlage der freiberuflichen Tätigkeit. Das erworbene Chancenpaket bildet den Praxiswert, der sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe, etc.). Wie bei Gewerbetreibenden handelt es sich um einen Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren. Wenn sich der Kaufpreis einer Praxis –wie im Streitfall– nach dem Verkehrswert richtet, lässt sich von dem Praxiswert kein gesondertes Wirtschaftsgut „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ abspalten. Der die Praxis übergebende Vertragsarzt kann den Vorteil aus der Zulassung grundsätzlich nicht selbständig verwerten. Er kann nur gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Fortführung der bestehenden Praxis durch einen Nachfolger (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V) stellen. Dieser Antrag löst dann ein neues Zulassungsverfahren aus, wobei die Zulassung des Erwerbers vom Vorliegen persönlicher Eigenschaften abhängt und im Ermessen des Zulassungsausschusses steht. In der Praxis soll ein Erwerber allerdings nur dann die ausgeschriebene Zulassung erhalten, wenn der Zulassungsausschuss die Zahlungsfähigkeit und den Zahlungswillen des Kandidaten feststellt, d.h. der Zulassungsausschuss berücksichtigt die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben. Dies gilt allerdings nur, soweit der Kaufpreis den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt (§ 103 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Diese Begrenzung soll das eigentumsrechtlich geschützte Recht des bisherigen Praxisinhabers an der eingerichteten und ausgeübten Arztpraxis mit dem Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl in Einklang bringen und verhindern, dass sich durch die erhöhte Nachfrage nach Kassenpraxen der Kaufpreis für die Praxis ungerechtfertigt erhöht13. Orientiert sich daher der zu zahlende Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert der fortgeführten Praxis, so ist in dem damit abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten.

Eine gesonderte Bewertung des Vorteils aus der Zulassung kommt im Übrigen auch aus Gründen der Praktikabilität nicht in Betracht, weil ein sachlich begründbarer Aufteilungs- und Bewertungsmaßstab nicht ersichtlich ist.

Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rechtsprechung, derzufolge eine Güterfernverkehrsgenehmigung ein selbständiges Wirtschaftsgut ist. Allerdings ist der wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung insoweit mit einer Güterfernverkehrsgenehmigung vergleichbar, als der Inhaber in einem reglementierten Markt auftreten und die Marktchancen nutzen darf. Die Zulassung als Vertragsarzt ist aber von persönlichen Voraussetzungen abhängig, die nicht Gegenstand einer Veräußerung sein können, insbesondere von der beruflichen Qualifikation als Arzt. Außerdem begründet die Zulassung eine Behandlungspflicht gegenüber den gesetzlich versicherten Patienten und damit einhergehend einen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V, § 72 Abs. 2 SGB V).

Die Rechtsprechung zur Wirtschaftsgutseigenschaft von Güterfernverkehrsgenehmigungen14 beruht zudem auf § 10 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes in der damaligen Fassung, wonach die Güterfernverkehrskonzession in einem vereinfachten Verfahren auf einen etwaigen Betriebserwerber überging, ohne dass ein neues Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden musste. Bei der Veräußerung eines Speditionsunternehmens hing die Höhe des Kaufpreises entscheidend vom Vorhandensein einer oder mehrerer Güterfernverkehrsgenehmigungen ab15. Diese konnten mit dem Unternehmen entgeltlich übertragen und einzeln bewertet werden und erfüllten damit die Merkmale eines Wirtschaftsguts.

Demgegenüber kann die Zulassung als Vertragsarzt gerade nicht zusammen mit der Praxis entgeltlich übertragen werden. Vielmehr sind das Nachbesetzungsverfahren und der Praxiserwerb voneinander unabhängige Rechtsakte16.

Die Regelungen des § 103 Abs. 4 SGB V über die Praxisnachfolge in zulassungsbeschränkten Bereichen finden Anwendung, wenn die Zulassung des Vertragsarztes durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet. Ein Antrag des Verzichtenden löst gemäß § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V das Nachbesetzungsverfahren aus; dann entscheidet der Zulassungsausschuss über den Nachfolger nach Ausschreibung der Praxis nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Kaufpreis für die Praxis ist, wie dargelegt, auf den aus sämtlichen wertbildenden Faktoren zusammengesetzten Verkehrswert begrenzt. Ein Kaufpreisanteil für den Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ist gemäß § 103 Abs. 4 Satz 7 SGB V nicht vorgesehen.

Auch wenn mithin der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Geschäftswert der übernommenen Praxis stehendes oder ihn überlagerndes selbständiges Wirtschaftsgut ist, schließt dies nicht aus, dass in Sonderfällen die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leistet, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will. So liegt der Streitfall indessen nicht.

3. Im Streitfall hat das Finanzgericht es mithin, so der Bundesfinanzhof, zu Recht abgelehnt, den vom Kläger geleisteten Kaufpreis teilweise dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuzuordnen. Das Entgelt für den Praxiswert hatten die Vertragsparteien ausschließlich am erzielten Umsatz/Gewinn der übernommenen Kassenpraxis orientiert. Daneben kommt dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt aus den ausgeführten Gründen keine eigenständige Bedeutung zu.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.08.2011 – VIII R 13/08

  1. Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.08.1992 – I R 24/91; Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2006 – III R 6/05; Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.09.2010 – IV R 28/08 []
  2. Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.1979 – IV R 21/75; Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.03.1996 – I R 60/95 []
  3. Reichsfinanzhof, Urteil vom 30.01.1929 – VI A 369/28, RStBl 1929, 326; Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.04.1958 – I 61/57 U, in: BFHE 67, 151; Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.04.1982 – IV R 2-3/79 []
  4. Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.06.1981 – VIII R 43/79 []
  5. Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.03.1998 – IV R 23/96; Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.06.1999 – IV R 33/98; Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2010 – IV R 32/08; Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2010 – IV R 2/10 []
  6. Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.03.1989 – II R 15/86; Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.08.1989 – X R 176-177/87; Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.1991 – I R 148/90 []
  7. Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2003 – IV R 27/01 []
  8. Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.10.1987 – II R 224/82 []
  9. Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.11.1985 – IV R 7/83 []
  10. Bundesfinanzhof, Urteil vom 09. 07.2002 – IX R 29/98 []
  11. Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.970 – I R 196/67 []
  12. Bundesfinanzhof, Urteil in BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406 []
  13. vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 99 []
  14. Bundesfinanzhof, Urteil in BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644; Bundesfinanzhof, Urteil in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 []
  15. Bundesfinanzhof, Urteil in BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644 []
  16. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.08.1992 – 6 RKa 36/90 []