… und darf deshalb nicht ausgestellt werden – so das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
In dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine französische Bulldogge mit einem „Stummelschwanz“ ausgestellt werden darf oder nicht.
Nachdem die Züchter von der Ausstellung ausgeschlossen wurden, klagten sie, hatten aber keinen Erfolg.
Worum ging es?
Die Kläger züchten im Internationalen Klub für Französische Bulldoggen e.V. (IKFB), der seinerseits Mitglied im Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. (VDH) ist, Hunde der Rasse Französische Bulldogge.
Anlässlich einer Hundeausstellung mit mehr als 3.800 angemeldeten Hunden wollten die Kläger ihre Hündin F. ausstellen. Im Vorfeld der Veranstaltung wurde in Bezug auf die Neuregelung des Ausstellungsverbots in der seit dem 01.01.2022 gültigen Fassung des § 10 TierSchHuV ein Konzept seitens des Veranstalters beim Beklagten vorgelegt, das im Vorfeld mit dem Veterinäramt der Stadt, dem Landesumweltministerium NRW und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) abgestimmt worden war und insbesondere eine tierärztliche allgemeine Untersuchung der auszustellenden Hunde und bei bestimmten Hunderassen – unter anderem der Französischen Bulldogge – weitere Untersuchungen auf verdeckte Qualzuchtmerkmale verlangte. Unter anderem war in die vor der Ausstellung durchzuführende tierärztliche Allgemeinuntersuchung aufgenommen worden und war von den untersuchenden Tierärzten zu dokumentieren, ob die Rute bei stummelschwänzigen Hunden die Afterregion bzw. bei Hündinnen auch das Genitale bedeckt. Durch das Veterinäramt des Beklagten erfolgten sowohl stichprobenweise Eingangskontrollen und Überprüfungen der Hunde auf dem Gelände und an den Ausstellungsringen. Neben verschiedenen anderen Hunderassen (z.B. Boxer, Basset Hound, Shar Pei, Pekinese) wurden auch die Französischen Bulldoggen in Augenschein genommen. Von den 14 angemeldeten Französischen Bulldoggen wurden vom Beklagten nach seinen Angaben acht klinisch überprüft und auf Grund der seitens der vor Ort anwesenden amtlichen Tierärztin des Beklagten als Träger von Qualzuchtmerkmalen eingeschätzt und von der Ausstellung ausgeschlossen. Ein Teil der Teilnehmer verweigerte die Untersuchung ihrer Tiere und wurde wegen der sichtlich verkürzten Rutenlänge und fehlenden Einhaltung von Duldungs- und Mitwirkungspflichten von der Ausstellung ausgeschlossen. Vor Ort kam es zwischen dem Veranstalter sowie den Teilnehmern und den anwesenden Amtsveterinärinnen des Beklagten zu Differenzen bezüglich der Einordnung der festgestellten Merkmale.
Bei der im Vorfeld durchgeführten allgemeinen tierärztlichen Untersuchung, deren Ergebnis wie auch die weiteren geforderten Bescheinigungen seitens der Kläger absprachegemäß vorgelegt wurden, war durch die untersuchende Tierärztin festgestellt worden, dass die Rute der Hündin F. nicht beweglich sei und auf Grund der fehlenden Länge und Unbeweglichkeit nicht die Afterregion und auch nicht das Genitale bedecke. Das Vorliegen sonstiger krankhafter Veränderungen wurde auf dem Bogen der klinischen Untersuchung verneint. Der vom Veranstalter geforderte Belastungstest war erfolgreich absolviert worden. Als Ergebnis der Untersuchung wurde durch die im Vorfeld beurteilende Tierarztpraxis vermerkt, dass keine Hinweise auf relevante Erkrankungen vorlägen, die im Sinne des § 10 TierSchHuV zu werten seien.
Die bei der streitgegenständlichen Ausstellung anwesende Amtstierärztin des Beklagten schloss die Hündin F. ausweislich der Bescheinigung über den Ausstellungsausschluss im Ergebnis mit der Begründung von der Ausstellung aus, dass die Rute der Hündin (knöcherner Anteil) nicht die Afterregion bedecke. Ausweislich des amtstierärztlichen Untersuchungsbogens wurde bei der Hündin ebenfalls eine leichte Stenose der Nasenlöcher festgestellt, die auch zunächst als Ausschlusskriterium auf der Bescheinigung des Ausstellungsausschlusses des Beklagten vermerkt war, jedoch – nach den Angaben der Kläger – bereits durch die Amtsveterinärin vor Ort gestrichen worden sei. Im Übrigen wurden bei der klinischen Untersuchung der Hündin F. durch die Amtstierärztinnen keine Entzündungsreaktionen, keine Atemgeräusche, keine heraushängende Zunge, keine veränderten Schleimhäute aufgrund von Sauerstoffmangel, kein Exophthalmus und eine klare Hornhaut bescheinigt.
Die Kläger haben am Klage gegen den Ausschluss erhoben, die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf keinen Erfolg hatte.
Die Entscheidung:
Die Entscheidung des Beklagten, die Hündin F. gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV aufgrund ihrer verkürzten Rute von der Veranstaltung auszuschließen, war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf rechtmäßig und findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG i.V.m. § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde unter anderem die zur Beseitigung festgestellter Verstöße notwendigen Anordnungen. Der festgestellte Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen ergibt sich vorliegend aus dem Verstoß gegen das Verbot von § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV. Danach ist es unter anderem verboten, Hunde auszustellen, bei denen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.
Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Verwaltungsgericht Düsseldorf vorliegend erfüllt. Bei der Hündin F. ist das Körperteil Rute erblich bedingt derart erheblich von grundsätzlich 20-23 umfassenden Wirbelkörpern auf ca. ein bis zwei Wirbelkörper verkürzt, dass sie für den artgemäßen Gebrauch als fehlend bzw. untauglich, jedenfalls jedoch als umgestaltet anzusehen ist. Die Erblichkeit der Rutenlänge wird seitens der Kläger nicht ernsthaft in Frage gestellt und entspricht auch sämtlichen dazu vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, den Ausführungen des Beklagten und den eigenen Zuchtbestimmungen des IKFB, dem die Kläger angehören, und nach denen stark kurzrutige Hunde nur mit einem Hund, mit einer den Anus verdeckenden Rute, verpaart werden dürfen, um die Ruten der Folgegeneration zu verlängern.
Die Rute dient auch dem artgemäßen Gebrauch der Hündin. Zu diesem Gebrauch zählt insbesondere auch ihre seitens des Beklagten eindrücklich dargestellte Funktion als Kommunikationsmittel, was seitens der Kläger jedenfalls mit Blick auf die grundsätzliche Funktion der Rute nicht bestritten wird. Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf Dr. med. vet. C. die sonstigen Funktionen der Rute in Frage stellen, kommt es hierauf zunächst nicht an. Denn für den artgemäßen Gebrauch untauglich oder umgestaltet sind Körperteile immer schon dann, wenn eine ihrer Funktionen infolge der züchterischen Einflussnahme nicht mehr ausreichend erfüllt oder ausgeführt werden kann. Dabei kommt es auf das der Tierart entsprechende physiologische Sein, also auf das Normale bzw. die Normalfunktion des Organs oder Körperteils an1.
Dies ist – so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter – in Bezug auf die Rute der Hündin F. jedenfalls in Bezug auf ihre Funktionen im Rahmen der Kommunikation aufgrund ihrer im Verhältnis zur Normalfunktion und –länge der Rute bei der Tierart Hund fehlenden ausreichenden auch seitlichen Beweglichkeit und fehlenden Nutz- und Sichtbarkeit durch ihre Kürze erfüllt.
Bei der Hündin F. sind hierdurch auch Schäden aufgetreten. Ein Schaden liegt vor, wenn der körperliche oder seelische Zustand, in welchem ein Tier sich befindet, vorübergehend oder dauernd zum Schlechteren hin verändert ist2, wobei völlig geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben. Gleichzeitiges Leiden oder Schmerzempfinden muss nicht gegeben sein. Ausreichend sind zum Beispiel das Fehlen eines Körperteils, wenn dadurch das artgerechte Leben nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, zuchtbedingte geringfügige Gleichgewichts- oder Stoffwechselstörungen, erst recht natürlich Störungen beim Sehen oder Hören, bei der Fortbewegung, beim artgemäßen Nahrungserwerbs- oder Sozialverhalten3.
Der Sollzustand des Tieres beurteilt sich dabei an Tieren der gleichen Art4.
Etwaige Schadenskompensationen schließen das Verbot ebenso wenig aus, wie die fehlende Feststellung von Verhaltensauffälligkeiten5.
Ebenso wenig spricht gegen einen Schaden, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat6.
Auch allein das – ggf. auch durch Zucht erreichte rassetypische – „zufriedene“ Weiterleben des Hundes schließt das Vorliegen eines Schadens nicht aus.
Als Schaden im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV genügt aber nicht schon das Fehlen eines Körperteils als solches. Vielmehr muss der Schaden gerade auf Grund des Defektes („hierdurch“) auftreten7.
Das bedeutet jedoch gerade nicht, dass der auf dem Fehlen, der Funktionslosigkeit oder der Umgestaltung beruhende Schaden vollständig losgelöst von der bereits festgestellten Einschränkung des artgemäßen Gebrauchs existieren muss. Der Wortlaut der Norm „hierdurch“ gibt gerade einen kausalen Zusammenhang vor, sodass § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV erfüllt ist, wenn aus dem Fehlen, der Funktionslosigkeit oder der Umgestaltung zum artgemäßen Gebrauch auch ein Schaden im Sinne einer nicht nur geringfügigen Schlechterstellung resultiert8.
Dies ist vorliegend der Fall, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Nach den überzeugenden aus wissenschaftlichen Abhandlungen und der eigenen fachlichen Expertise, der im Rahmen des Vollzugs des Tierschutzgesetzes und der zugehörigen Verordnungen besondere Bedeutung und eine vorrangige Beurteilungskompetenz beigemessen wird9, gezogenen Darstellungen des Beklagten spielt die Rute eine wesentliche Rolle im Verhaltensrepertoire eines Hundes und entstehen durch das Fehlen der funktionstüchtigen, ausreichend beweglichen und langen Rute erhebliche Einschränkungen im arteigenen Ausdrucks- und Sozialverhalten und ist die innerartliche Kommunikation gestört. Im Bereich der Rute gibt es nach den überzeugenden – und von den Klägern hinsichtlich des vielfältig möglichen Einsatzes der Rute auch nicht bestrittenen – Darlegungen des Beklagten bei langrutigen Hunden über zehn unterschiedliche Stellungen mit Signalfunktion, die im Zusammenwirken mit allen anderen optischen Signalen maßgeblich an der Übermittlung von Stimmungen beteiligt sind. Durch eine fehlende funktionsfähige Rute kommt es zu einer zuchtbedingten Ausdrucksreduktion.
Die getroffene Bewertung der Rute der Hündin F. findet ihre Bestätigung ebenso in den kürzlich veröffentlichten Leitlinien der AGT zur Auslegung und zum Vollzug des Ausstellungsverbots von § 10 TierSchHuV.
Danach stellt die Brachyurie (Stummelschwanz) grundsätzlich ein Qualzuchtmerkmal dar. Denn in der Frontalansicht sind auf Hundehöhe laterale und dorsale Rutenbewegungen nicht zu erkennen und ist das charakteristische Einziehen der Rute bei Angst/Unsicherheit dem Hund nicht möglich und kann von Hunden und unter Umständen auch von Menschen nicht erkannt werden. Als Schaden ist nach der fachlichen Einschätzung der AGT insofern zu werten, dass die Funktionsfähigkeit der Rute der betroffenen Hunde gemessen am tierartspezifischen Normalzustand als Kommunikationsorgan nicht oder nicht vollumfänglich gegeben ist, wodurch das Tier Einschränkungen oder Störungen im artgemäßen Explorations- und Sozialverhalten erfährt.
Die Einschätzung des Beklagten wird ebenfalls durch die Bewertung der TVT gestützt, die als Zusammenfassung des gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisstands gelten kann, sodass den relevanten Merkblättern (hier Merkblatt Nr. 141 – Qualzucht und Erbkrankheiten bei Heimtieren – Schwerpunkt Hunde) der Charakter einer sachverständigen Äußerung zukommt 10.
Auch nach der Einschätzung der TVT liegt bei einem Hund mit einer zu kurzen oder fehlenden Rute ein Merkmal nach § 11b TierSchG – in Bezug auf das Erfordernis des Schadens gleichlautend zu § 10 TierSchHuV – vor. Dieses Tier zeige zwar nicht zwingend offensichtliche Schmerzen oder Leiden, es sei ihm jedoch nicht möglich, artgerechte Verhaltensweisen vollständig auszuüben und die entsprechenden Funktionen des Körperteils einzusetzen (Schaden). Auch als Ausdrucksmittel des natürlichen und artgemäßen Verhaltensrepertoires könne eine bis auf wenige Glieder fehlende Rute kaum bzw. gar nicht mehr eingesetzt werden11.
Dem steht nicht entgegen, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter, dass auch die TVT weitere intensive Forschung zum Einfluss extremer Körpermerkmale auf das Verhalten der Tiere für wünschenswert erachtet11.
Denn jedenfalls das Vorliegen eines Schadens durch die nicht unerhebliche Negativabweichung vom Normalzustand ist auch nach der zuvor zitierten Einschätzung der TVT gegeben, der sich das Gericht anschließt. Für das Vorliegen eines Schadens ist gerade der Nachweis von Verhaltensstörungen und weiteren Verhaltensauffälligkeiten nicht erforderlich.
Auch ausweislich der Ausführungen von R. werden Hunde durch eine fehlende, funktionsuntüchtige oder stark verkürzte Rute in ihrem arteigenen Ausdrucksverhalten und ihrer Kommunikation stark eingeschränkt. Die visuelle Kommunikation und die für Tier und Mensch gut zu „lesenden“, gleichzeitig komplexen, durch Haltung und Bewegung der Rute transportierten Signale, gehörten zu den wichtigsten lautlosen Bestandteilen der Hundesprache12.
Nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf kann auch die Datenbank R. als sachverständige Stellungnahme herangezogen werden. Das R. entstand aus einer Initiative des Tierschutzausschusses der Berliner Tierärztekammer und besteht insbesondere aus ehrenamtlich engagierten Tierärzten, Rechtsanwälten und Biologen sowie einem wissenschaftlichen Beirat mit weiteren Fachtierärzten aus Wissenschaft und Praxis und einem Juristen13 und umfasst daher eine breitgefächerte Expertise zur Auswertung und zur Verfügungstellung wissenschaftlicher und eigener Erkenntnisse und Erfahrungen. Das R. wird gefördert und als Quelle zur Auslegung von § 11b TierSchG und § 10 TierSchHuV empfohlen seitens des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Tierschutzbeauftragten der Bundesländer, des BMEL, der Bundestierärztekammer und der Österreichischen Tierschutzombudspersonen. Auch die TVT als in der Rechtsprechung weithin anerkannte sachverständige Informationsquelle schätzt das R. als wichtige Hilfestellung und Informationsquelle ein, da die dortige Datenbank fortlaufend aktualisiert und ergänzt werde und der aktuelle Stand der Forschung und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einzelnen Qualzuchtmerkmalen inklusive Rassen gebündelt werde14.
Die von Seiten der Kläger pauschal gerügte fehlende Objektivität ist seitens des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nicht hinreichend nachvollziehbar. Die Orientierung am und Priorisierung des Tierschutzes ist mit Blick auf die Zielsetzung des R. und die verfassungsrechtliche Wertentscheidung in Art. 20a GG nicht zu beanstanden und hat insbesondere hinter züchterischen – insbesondere an der Erhaltung eines Rassestandards aus optischen oder traditionellen Gründen bestehenden – Interessen nicht zurückzutreten. Dass gewichtige wissenschaftliche Erkenntnisse der Gegenmeinung ignoriert würden, ist nicht hinreichend ersichtlich. Bei der Einschätzung des R. als Quelle sachverständiger Stellungnahmen geht es um deren Ausführungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und tiermedizinischen Einschätzung von Bedürfnissen und Verhalten von Tieren. Die rechtliche Bewertung der aus den Erkenntnissen zu folgernden Konsequenzen obliegt dabei weiterhin dem Gericht. Dementsprechend stünden auch seitens der Kläger als überzogen eingeschätzte Formular- und Auflagenvorschläge etwa der TVT und gegebenenfalls auch des R. nicht maßgeblich der sonstigen Einschätzung als wissenschaftlich fundierte Quelle entgegen.
Der Einschätzung der Brachyurie und der daraus folgenden erheblichen Einschränkung als Kommunikationsmittel als Schaden stehen im Ergebnis auch weder das Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) der Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht des BMEL vom 26. Oktober 2005 noch die vom Kläger vorgelegten Erkenntnisse entgegen.
Ausweislich des Gutachtens des BMEL sind Knick- und Korkenzieherschwänze, aber auch Verkürzungen der Schwanzwirbelsäule als problematisches Zuchtziel einzustufen und häufig vergesellschaftet mit Missbildungen an weiteren Abschnitten der Wirbelsäule bis hin zu Spina bifida. Folge davon könnten Rückenmarksbeeinträchtigungen mit Störungen der Lokomotion der Hintergliedmaßen bis zu Paralysen sowie Harn- und Kotinkontinenz sein. Empfohlen wurde seitens des BMEL ein Zuchtverbot für Tiere, die neben einer Knick- und Korkenzieherrute bzw. Brachy- oder Anurie auch Wirbeldefekte an weiteren Abschnitten der Wirbelsäule aufweisen, weil bei den Nachkommen mit Schmerzen und Leiden gerechnet werden müsste. Diese Bewertung nimmt insbesondere die möglichen erheblichen physischen Gesundheitsfolgen der genannten Rutenveränderungen in den Blick, ohne dass – auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und des Fortschritts wissenschaftlicher Erkenntnisse – weitere Schäden als Folge einer Brachyurie ausgeschlossen wären. Vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen Gesundheitsschäden bei brachycephalen und von Rutenveränderungen betroffenen Hunden erscheint der damals gewählte Fokus auf die erheblichen gesundheitlichen, klinisch vorgestellten Probleme wie etwa Atemnot, Wirbelsäulendeformationen und Bewegungsstörungen, die mit erheblichen Leiden – etwa durch Erstickungsangst oder wegen neurologischen Ausfällen – einhergehen, nachvollziehbar. Das steht jedoch weder einer Fortentwicklung der sachverständigen tierärztlichen Einschätzung von Qualzuchtmerkmalen noch der Erweiterung des Fokus auf weitere Qualzuchtmerkmale entgegen. Dementsprechend unterstützt, wie bereits dargelegt, auch das BMEL die Arbeit von R. , um aktuellen Erkenntnissen gerecht zu werden. Auch nach der Einschätzung der TVT sei das Gutachten des BMEL an vielen Stellen veraltet und bedürfe dringend einer Aktualisierung15.
Auch die von den Klägern eingeführten Äußerungen von Dr. med. vet. C. führen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Ergebnis zu keiner anderen Einschätzung. Soweit dieser ausführt, dass es in Bezug auf die Rolle der Rute in der Kommunikation des Hundes in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Ansichten gebe, ist weder ersichtlich, welche von der Einschätzung der Rute als wesentliches Kommunikationsmittel abweichende Ansichten dies sein sollen und worauf sich diese unterschiedlichen Ansichten genau beziehen. Ein wissenschaftlicher Nachweis dafür, dass die Rute keine Funktion in der Kommunikation des Hundes hat, wird dadurch insbesondere nicht geliefert und erscheint auch mit Blick auf die übrigen sachverständigen Ausführungen und die eigene Einschätzung der Kläger fernliegend. Soweit Dr. med. vet. C. kritisiert, dass verschiedentlich gezeigt wurde, dass verschiedene Rutenpositionen mit verschiedenen emotionalen Zuständen verbunden seien, jedoch nicht darauf eingegangen worden sei, ob die Morphologie der Rute tatsächlich einschränkend auf die Kommunikationsfähigkeit wirke, geht er zunächst ersichtlich auch von dem verschiedentlichen Nachweis der Funktion der Rute innerhalb der Kommunikation aus. Ob im weiteren die Untersuchungen auf die Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit eingegangen sind, erscheint im Ergebnis nicht erheblich. Denn zum einen kommt es nicht darauf an, ob die Hunde mit einer Brachyurie das Fehlen der Rute durch andere Körperteile oder Ausdrucksmittel kompensieren können. Und zum anderen erscheint die formulierte Frage insoweit redundant als die Kommunikationsfähigkeit durch den vollständigen Wegfall eines Kommunikationsmittels offensichtlich eingeschränkt wird, selbst wenn diese Einschränkung in einem weiteren Schritt kompensiert werden sollte. Im Ergebnis spricht auch die aufgeführte Evidenz zum Fehlen von etwa vermehrter Aggression unter Artgenossen als negative Folge einer eingeschränkten Kommunikation nicht gegen die Annahme eines Schadens im Sinne von § 10 TierSchHuV.
Ungeachtet des Umstands, dass das Vorhandensein von Verhaltensstörungen bereits keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Schadens ist, ist nach den sachverständigen Äußerungen der amtlichen Tierärztin des Beklagten davon auszugehen, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass sich die eingeschränkte bzw. gestörte Kommunikationsfähigkeit vielfältig und gerade nicht ausschließlich in aggressivem Verhalten, sondern beispielsweise auch in Zurückhaltung zeigen kann. Überdies erscheint der aus der fehlenden Aggression als Verhaltensmuster gezogene Rückschluss auf das (Nicht-)Vorliegen eines Schadens problematisch, wenn nach dem Rassestandard etwa der hier betroffenen Französischen Bulldogge (FCI-Standard Nr. 101, S. 7) Aggressivität einen ausschließenden Fehler aus der Rasse darstellt und demnach davon auszugehen ist, dass aufgrund der zielgerichteten Zucht der Französischen Bulldogge Aggressivität gerade nicht zu den zu erwartenden reaktiven Verhaltensmustern zählt. Überdies lässt sich kein klarer – über eine bloße Korrelation hinausgehender – Rückschluss aus dem in den Studien16.
angenommenen Zusammenhang zwischen der Physiognomie und dem Verhalten des Hundes auf die fehlende Beeinträchtigung des Hundes durch die Rutenlänge ziehen, die soweit ersichtlich auch nicht untersucht wurde. Der vorgenannten Studie lässt sich überdies die Vermutung entnehmen, dass die brachycephale Kopfform ein mögliches Nebenprodukt der menschlichen Selektion der Hunde auf kindliche/jugendliche Verhaltenscharakteristika ist und dass die hochselektive Zucht von brachycephalen Rassen zu einer menschengemachten Veränderung in der Organisation des Gehirns des Hundes geführt hat. Dies lässt den klägerseits vorgebrachten Rückschluss vom Fehlen von – gerade weggezüchtetem – aggressiven/adulten Verhalten auf das Fehlen eines Schadens als Zirkelschluss erscheinen.
Nicht zuletzt lässt sich die von Dr. med. vet. C. aufgestellte These nicht ohne jegliche Differenzierung sämtlichen der genannten wissenschaftlichen Publikationen entnehmen, da beispielhaft die Veröffentlichung „Associations between Domestic-Dog morphology and behaviour scores in the dog mentality assessment, 2016“17 unter anderem als Ergebnis festhält, dass brachycephale Hunde mehr Aggressionen gegenüber dem „Geist“ als Teststimulus gezeigt hätten und kleinere, schwerere Hunde häufiger aggressiv auf das plötzliche Erscheinen des „Testdummys“ reagiert hätten.
Darüber hinaus gehen auch zwei weitere – teilweise in anderem Zusammenhang – von den Klägern angeführte Studien davon aus, dass die Funktion der Rute insbesondere als Kommunikationsmittel zu sehen ist. Insoweit äußert die zur fehlenden Funktion der Rute als Steuerungselement angeführte Studie18, dass gerade der Umstand, dass im Rahmen der Studie nicht nachgewiesen werden konnte, dass Hunde die Rute für ihre Agilität bei Bewegungsmanövern nutzen, dafürspricht, dass andere Zwecke der Rute – als wichtiges Kommunikationsmittel und zur Schädlingsabwehr – im Vordergrund stehen. Auch die seitens der Kläger vorgelegte Masterarbeit19 geht im Grundsatz davon aus, dass Hunde durch die Bewegung der Rute wichtige soziale Hinweise übermitteln und stellt als Ziel der Untersuchung heraus, ob der Hund in der Lage ist, den Verlust der Rute durch die Nutzung anderer Kommunikationsmittel zu kompensieren. Wie bereits dargelegt, kommt es jedoch für die Feststellung eines Schadens gerade nicht auf die mögliche Kompensation an. Dementsprechend bedarf es keiner weiteren Erörterung, inwieweit die Masterarbeit mit Blick auf die Untersuchungsmethode (Fragebögen an Hundebesitzer), den aus ca. 92% langrutigen Hunden bestehenden Analysepool, die fehlende Differenzierung hinsichtlich des jeweiligen Interaktionspartners des eingeschätzten lang- oder kurzrutigen Hundes, die fehlende Berücksichtigung züchterisch hervorgebrachter Charaktereigenschaften bei der Bewertung der Prävalenz von Beißvorfällen und die insgesamt erhobenen Daten überhaupt geeignet ist, den von ihr gezogenen Schluss, dass kurzrutige Hunde in der sozialen Kommunikation nicht im Nachteil sind, zu stützen.
Es kommt daher, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf, nicht darauf an, ob die Hündin F. den vorgenannten Schaden durch andere Verhaltensweisen oder Ausdrucksmittel kompensieren kann. Insoweit ist jedoch hervorzuheben, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Beklagten auch die Kompensationsmöglichkeiten der Hündin F.erheblich eingeschränkt sind, da die brachycephale Kopfform mit einem verkürzten Kopf, Fang und Faltenbildung im Gesicht zu einer wesentlichen Einschränkung der Mimik führt. Dass nach den Angaben der Kläger hiervon auch andere Hunderassen etwa mit sehr langen Haaren, die das Gesicht vollständig verdecken, betroffen sind, stellt die Bewertung des Beklagten nicht in Frage. Vielmehr erscheinen auch solche Züchtungen in Bezug auf ihre Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt und insoweit problematisch. Diese Einschätzung entspricht der Wertung der TVT, nach der bei Vertretern der Rassen mit einer ausgeprägten Faltenbildung, Haarbüscheln am Kopf oder entsprechender Fellanomalie eine abgestufte und differenzierte Kommunikation nicht erfolgen könne. Diese Tiere seien im Ausdrucksverhalten mehr oder weniger stark eingeschränkt, was zu Unsicherheit und Fehlreaktionen führen könne20.
Ebenso wenig spricht der von den Klägern vorgebrachte Umstand, dass es auch aus anderen Gründen – etwa aufgrund von Größenunterschieden oder nicht absenkbaren Ruten – zwischen verschiedenen Hunderassen zu Missverständnissen oder Kommunikationsproblemen kommen könne, gegen das Vorliegen eines Schadens. Denn dass auch andere – überwiegend züchterisch bedingte – morphologische Ausprägungen bei Hunden zu Kommunikationsproblemen führen können, entwertet gerade nicht deren Problematik und rechtfertigt auch keine weitere Einschränkung in der artgerechten Ausdrucksweise.
Der Einschätzung als Schaden steht ebenso wenig die unter strengen Anforderungen bestehende Möglichkeit, die Rute bei jagdlich zu führenden Hunden nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b) TierSchG zu kupieren entgegen. Denn zum einen zeigt bereits die Formulierung als Ausnahme vom Amputationsverbot, die nur unter strengen Voraussetzungen und zum Schutz des Hundes vor sonstigen Gefahren erfüllt ist, dass dem Hund gerade ein Schaden zugefügt wird, der jedoch ausnahmsweise als gerechtfertigt angesehen wird. Zum anderen erlaubt diese Vorschrift auch nur insoweit die Zulässigkeit der Amputation, wie sie unerlässlich ist. Wie der Beklagte ausgeführt hat, bedeutet dies auch im Rahmen der Jagd idealerweise, dass eine Rute weiterhin als Kommunikationsmittel eingesetzt werden kann.
Darüber hinaus stellt der Verlust der Schutzfunktion der Rute und die daraus folgende nicht unerhebliche Negativabweichung vom Normalzustand einen Schaden dar. So ist es der Hündin F. nicht artgerecht möglich, Körperöffnungen (Anus und insbesondere das weibliche Genitale) zu erreichen oder mit der Rute zu bedecken und so zu schützen, um etwaige unerwünschte Geruchskontrollen oder Deckakte physiologisch abzuwehren21.
Gemessen am tierartspezifischen Normalzustand ist die Funktionsfähigkeit der Rute als Schutzorgan vorliegend nicht gegeben, wodurch die Hündin Einschränkungen oder Störungen im artgemäßen Sozialverhalten erfährt22.
Dass insoweit ausschließlich der knöcherne Anteil der Rute entscheidend ist, ergibt sich aus den überzeugenden Darstellungen des Beklagten, da nur dieser Teil selbständig beweglich ist und einen adäquaten Schutz der Körperöffnungen zu bieten vermag, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter. Die gegenteilige Auffassung der Kläger, es reiche, wenn die Haare den Anus bedeckten, überzeugt nicht. Zum einen behaupten sie insofern lediglich das Gegenteil, ohne damit die Einschätzung des Beklagten nachhaltig zu hinterfragen. Zum anderen erscheint es auch nicht naheliegend, dass Haare die Schutzfunktion einer knöchernen Rute vollständig erfüllen könnten. Darüber hinaus verbliebe bei der Hündin F. ohnehin der Umstand, dass sie nicht in der Lage ist, ihr Genitale zu bedecken und so vor aufdringlichen Rüden oder ungewollten Deckakten zu schützen. Soweit die Kläger sich auf die Ausführungen von Dr. med. vet. C. beziehen, laut dem sämtliche außerhalb der Kommunikation liegende Funktionen der Rute einer wissenschaftlichen Grundlage entbehrten, widerspricht er hiermit jedenfalls in Bezug auf die Schutzfunktion der Rute sämtlichen sonstigen vorliegenden fachtierärztlichen und wissenschaftlichen Einschätzungen, ohne diesen Standpunkt näher zu erläutern. Soweit er in der Folge angibt, es sei jedenfalls nicht untersucht, ob es zu Einschränkungen der Funktion durch die verkürzte Rute komme, scheint dies der Grundannahme der fehlenden Schutzfunktion der Rute bereits zu widersprechen. Überdies ist nicht ersichtlich, welche Sinnhaftigkeit einer wissenschaftlichen Untersuchung mit dem Ziel der Klärung der Frage, ob das Fehlen der Rute die Schutzfunktion der Rute einschränkt, zukäme. Denn dass die fehlende Möglichkeit, Anus und Genitale zu bedecken eine Einschränkung darstellt, liegt auf der Hand. Auch insoweit kommt es auf eine mögliche Kompensation nicht an.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf teilt im Ergebnis die Einschätzung des Beklagten, dass es sich bei den vorgenannten Funktionen der Rute um wesentliche Körperfunktionen handelt, deren Fehlen zu einer nicht unerheblichen Abweichung zum Schlechteren führt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass die Hündin F. bereits mit einer Stummelrute geboren und nicht kupiert wurde. Denn für die Bewertung der Schlechterstellung kommt es gerade auf den Vergleich mit dem Normzustand innerhalb der Art und nicht der Rasse an. Insofern folgt das Gericht der sachverständigen Einschätzung des Beklagten, der Normzustand eines Hundes weise eine 20-23 Wirbelkörper umfassende bewegliche Rute auf und die erhebliche Diversität der morphologischen Erscheinungsbilder innerhalb der Hunde beruhe auf gezielten Züchtungen, was den vom Beklagten in das Verfahren eingeführten Ausführungen von Prof. Dr. B. H. – Institut für Tierpathologie, Geschäftsführender Direktor Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität C1. – entspricht23.
Dass der Mensch den Hund durch Züchtung morphologisch teilweise derart stark verändert hat, führt nicht zu einem neuen Normalzustand des Hundes. Diese Einschätzung lässt sich auch den gesetzgeberischen Entscheidungen, Qualzuchten nach § 11b TierSchG und Ausstellungen von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen nach § 10 TierSchHuV zu verbieten, entnehmen. Merkmale, die bei Hunden zu beeinträchtigenden Negativabweichungen im Verhältnis zum Normalzustand führen, sollen gerade nicht normalisiert und ausgestellt werden, um Anreize für die Züchtung zu unterbinden24.
Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen kann dahinstehen, inwieweit die weiteren vom Beklagten angeführten Funktionen der kurzen Rute – etwa Verteilung von Duftstoffen, Steuerung und Thermoregulation – bestehen oder eingeschränkt sind und ebenfalls einen Schaden insbesondere hinsichtlich der Erheblichkeit der Negativabweichung darstellen. Ebenso kann dahinstehen, ob die sonstigen hervorgehobenen körperlichen Merkmale insbesondere auch der brachycephale Kopf der Hündin F. und seine Folgen wie (ggf. weiter zu überprüfende) Gebissveränderungen und unproportional große Weichteilstrukturen oder das mögliche Vorliegen des Robinow-like-Syndroms für sich bereits zu einem Ausstellungsausschluss hätten führen und insoweit die Begründung des Ausschlusses hätte ergänzt werden können. Ebenso wenig kommt es im Ergebnis darauf an, warum die ursprüngliche amtstierärztliche Einschätzung einer leichten Stenose bei der Hündin F. gestrichen wurde, wie es sich auch aus der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Dokumentation des Ausstellungsausschlusses ergibt.
Der von den Klägern behauptete Ausschluss des Vorliegens weiterer Defekte allein aufgrund der besonderen Zuchtvorgaben und der Behauptung der Kläger – viele der mit Französischen Bulldoggen assoziierten Krankheiten seien bei den rein gezüchteten Hunden nicht bekannt – ist jedoch fernliegend. Denn die vom Beklagten angeführten Krankheiten beruhen zu großen Teilen auf physischen – dem Rassestandard entsprechenden – Merkmalen, die gerade auch bei den im Verband gezüchteten Hunden vorliegen, auch wenn die Zuchtvorgaben des IKFB mehr Augenmerk auf die Gesundheit der gezüchteten Hunde legen mögen. Die von den Klägern betonten Zuchtvorgaben oder Zuchtauswahlen wären jedoch spätestens ab der ersten Nachzuchtgeneration kaum noch nötig, wenn die Angaben der Kläger in Bezug auf das fehlende Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Rahmen der kontrollierten Zucht zuträfen. Die in diesem Zusammenhang seitens der Kläger angeführte Umfrage unter den Züchtern wurde zwar an das Veterinäramt der Stadt Erfurt weitergeleitet, von diesem jedoch nicht erstellt und auch als untauglich bewertet. Dennoch lässt sich selbst dieser Befragung das gehäufte Vorkommen von Problematiken entnehmen, wie im Rahmen des Geburtsvorgangs (Dystokie, erhöhte Kaiserschnittrate), bei bewegungseingeschränkten Ruten, verdrehten Backenzähnen oder dem Vorliegen von Hemivertebrae. Darüber hinaus hat auch die Präsidentin des IKFB in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass gerade die bei der eigenen Zucht gewonnene Erkenntnis, dass kurzrutige Hunde gehäuft weitere Probleme an der Wirbelsäule aufwiesen25, wonach Untersuchungen belegen, dass die Anzahl der Steißbeinwirbel negativ mit der Anzahl und dem Grad der Hemivertebrae korreliert, zu der Zuchtvorgabe geführt habe, dass mit stark kurzrutigen Hunden nur unter Auflagen bzw. nur zusammen mit längerrutigen Hunden gezüchtet werden dürfe. Dass Probleme in der Zucht in Teilen selbst erkannt und diesen entgegengewirkt werden soll, widerlegt nicht das grundsätzliche Vorhandensein von zuchtbedingten Problemen.
Schließlich bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die erhebliche Einschränkung der artgemäßen Kommunikation neben der Begründung eines Schadens auch dazu führt, dass der Hündin F. Leiden entstehen, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter. Zwar sprechen die sachverständigen Ausführungen der TVT, des R. und des Beklagten, nach denen es durch die erhebliche Einschränkung des arteigenen Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens zu – wenn auch nicht offensichtlichen oder erheblichen – Leiden komme26 und die Einschätzung der AGT, wonach es bei den betroffenen Hunden zu Leiden durch Überforderung komme, da die Kommunikation von Angst- und Meideverhalten durch die kurze Rute nicht möglich sei und von Hunden und gegebenenfalls Menschen nicht wahrgenommen werde27 zumindest dem Grunde nach erheblich – auch rasse- und tierübergreifend – für das Vorliegen von Leiden. Ob dieser Umstand jedoch ebenso bei der konkret bewerteten – auch in ihrer Verhaltensweise aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit auf bestimmte Charaktereigenschaften gezüchteten – Hündin nachzuweisen wäre oder ob der sachverständige Rückschluss aus den allgemeinen fachtierärztlichen Erkenntnissen insoweit ausreichen würde, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Lediglich ergänzend sei insoweit jedoch darauf hingewiesen, dass auch der Kläger grundsätzlich davon ausgeht, dass die fehlende Möglichkeit, arteigenem Verhalten nachzugehen, bei Hunden grundsätzlich Leid auslöst. So hat er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es für ihn besonders wichtig sei, dass seine Hündin F. arteigenem Verhalten nachgehen und insbesondere aufgrund einer ausreichend flexiblen Wirbelsäule selbständig After- und Genitalbereich reinigen könne. Warum dies jedoch gerade in Bezug auf die Einschränkung der Kommunikations- und Schutzmöglichkeiten des Hundes anders zu bewerten sein soll, erschließt sich nicht. Die reine optische Gewöhnung bzw. Bevorzugung einer (sehr) kurzen Rute stellt insoweit kein für den Hund maßgebliches Kriterium dar.
Für die Bewertung des Vorliegens der Ausschlussvoraussetzungen erweisen sich im Ergebnis die Bewertung der im Vorfeld getroffenen oder nicht getroffenen Abreden oder die von den Klägern als überflüssig erachteten Untersuchungen als unerheblich. Denn weder binden etwaige in Bezug auf die Auslegung von § 10 TierSchHuV getroffene Vereinbarungen zwischen dem VDH und dem Beklagten das Gericht noch machen die Kläger etwaige Schadensersatzansprüche geltend. Darüber hinaus führen die Ausführungen der Kläger in Bezug auf die Beweislast, den Charakter der Verbotsnorm des § 10 TierSchHuV, und die Vorgehensweise des Beklagten jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Ausstellungsausschlusses, da dieser – wie bereits dargelegt – in Bezug auf die Brachyurie ausreichend begründet ist. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, wie sonstige, auf anderen physischen Merkmalen beruhende Ausstellungsausschlüsse unter Berücksichtigung der Adressierung von §10 TierSchHuV gerade auch an Aussteller und Veranstalter, der Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 16 Abs. 2 TierSchG und dem elastischen Gefahrenbegriff im Ordnungsrecht28 zu begründen und nachzuweisen sind.
Im Ergebnis war das Einschreiten des Beklagten nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG auch durch den Verstoß gegen § 10 Satz 1 Nr. 2 lit. a) TierSchHuV indiziert und erscheint als notwendige Anordnung im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Entscheidung sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt weder eine den Beklagten an einer objektiven Entscheidung hindernde Voreingenommenheit zu Lasten der Rasse der Französischen Bulldogge noch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Zunächst ist keine Voreingenommenheit in dem Sinne ersichtlich, dass die Rasse und nicht ein konkretes – vom Beklagten – beanstandetes Merkmal, das bei der Rasse gerade gehäuft vorkommt, zum Ausschluss der Hündin von der Ausstellung geführt hat. Auch der vom Kläger zitierte Aktenvermerk des Beklagten zur Überwachung der Ausstellung, der die Problematik einer Zucht mit Hunden einer Rasse aufwirft, die nach der Auffassung des Beklagten überwiegend Qualzuchtmerkmale aufweist, lässt keine rechtswidrige Voreingenommenheit erkennen. Vielmehr spiegelt sie die Bewertung der körperlichen Merkmale der Französischen Bulldogge durch den Beklagten wider. Dass die Kläger insoweit einen anderen Standpunkt vertreten, führt nicht zu einer Voreingenommenheit des Beklagten, die eine rechtliche Überprüfung des Einzelfalls ausgeschlossen hätte. Der Vermerk zeigt darüber hinaus, dass der Beklagte gerade auch die Zuchtinteressen nicht aus dem Blick verloren hat, sondern die Folgen seiner Einschätzung reflektiert, auch wenn diese im Ergebnis nicht den Interessen der Kläger entsprechen. Die dort dokumentierte Einschätzung, dass keine Bewertung/Beurteilung erstellt werden könne, bezieht sich ersichtlich auf die Frage der Bewertung der Zuchttauglichkeit mit Blick auf die Ausstellungsverbote in § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TierSchHuV, nicht auf die Frage, ob ein Amtstierarzt Qualzuchtmerkmale erkennen kann. Dass der Beklagte sich willkürlich etwaigen gegenläufigen wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließt, ist seitens der Kläger nicht substantiiert geltend gemacht und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Soweit er eine andere Auffassung vertritt als die Kläger oder andere fachtierärztliche Einschätzungen für überzeugender erachtet, stellt dies für sich keine Voreingenommenheit dar.
Es ist auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG ersichtlich, die sich aus einer isolierten Herausnahme von im W. organisierten Züchtern ergeben könnte. Denn zum einen werden laut den Angaben des Beklagten je nach personeller Ausstattung und dem Vorhandensein sonstiger Ressourcen auch nicht vom W. organisierte Ausstellungen überprüft. Und zum anderen liegt der Fokus der Regelung in § 10 TierSchHuV gerade auf den Ausstellungen von Tieren und nicht auf – gegebenenfalls durch § 11b TierSchG zu begegnenden – sonstigen unorganisierten Züchtern, die ihre Tiere verkaufen, aber nicht ausstellen29.
Auch die seitens der Kläger gerügte unterschiedliche Bewertung ihrer Hündin auf anderen Ausstellungen stellt – ungeachtet der Frage, ob es dort zu amtlichen Überprüfungen gekommen ist – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn eine Ungleichbehandlung liegt jedenfalls nur dann vor, wenn die Vergleichsfälle dem gleichen Träger öffentlicher Gewalt zuzurechnen sind30.
Darüber hinaus ergeben sich aus den teilweise gegenläufigen Schilderungen der Beteiligten zu den Abläufen am Tag des Ausstellungsausschlusses keine Anhaltspunkte für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Hundehalter, sodass es nicht abschließend darauf ankommt, ob alle ausgeschlossenen Französischen Bulldoggen aufgrund der Kurzrutigkeit oder auch aufgrund anderer Symptome ausgeschlossen wurden. Im Übrigen bezieht sich der streitgegenständliche Ausschluss allein auf die Hündin F. und den Haltern sonstiger seitens des Beklagten – möglicherweise – fehldiagnostizierter Hunde hätte ebenfalls der Klageweg offen gestanden.
Der Anregung der Kläger, die Berufung nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, folgt das Verwaltungsgericht Düsseldorf Gericht nicht. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat die Sache, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im Berufungsverfahren dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterbildung des Rechts zu fördern31.
Zwar dürften vorliegend grundsätzlich eine Vielzahl von Hunden im Rahmen von Ausstellungen im Sinne von § 10 TierSchHuV betroffen sein, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Die Anwendung der streitgegenständlichen Norm bezieht sich jedoch vorliegend schwerpunktmäßig auf die Subsumtion im Einzelfall unter Anwendung der in der Rechtsprechung grundsätzlich geklärten Auslegungsmaßstäbe etwa in Bezug auf die Begrifflichkeit „Schaden“ und unter Rückgriff auf die hierzu bislang soweit ersichtlich einheitlich ergangene Rechtsprechung32 und der mittlerweile ebenso vorliegenden Leitlinien der AGT, sodass vor diesem Hintergrund die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend ersichtlich ist.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2024 – 23 K 7084/22
ECLI:DE:VGD:2024:1105.23K7084.22.00
- Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, 4. Auflage 2023, § 10 TierSchHundeV – Ausstellungsverbot – Rn. 3 und TierSchG § 11b Rn. 4. 59 [↩]
- VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2016 – 23 L 2645/16 [↩]
- VG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2018 – 11 E 1067/18 [↩]
- Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, 4. Auflage 2023, TierSchG § 1 Rn. 27 [↩]
- vgl. zur gleichlautenden Vorschrift in § 11b TierSchG: VG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2018 – 11 E 1067/18; Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, 4. Auflage 2023, TierSchG § 11b Rn. 5. 68 [↩]
- Metzger, in: Lorz/Metzger, 7. Auflage 2019, TierSchG § 11b Rn. 12 [↩]
- vgl. zum gleichlautenden § 11b Abs. 1 TierSchG: Metzger, in: Lorz/Metzger, 7. Auflage 2019, TierSchG § 11b Rn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2018 – 11 E 1067/18 [↩]
- vgl. auch zum Vorliegen eines Schadens beim Fehlen funktionsfähiger Tasthaare: VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2022 – 23 L 1501/22 [↩]
- BVerwG, Beschluss vom 02.04.2014 – 3 B 62.13; BayVGH, Beschluss vom 23.05.2017 – 9 C 16.2602; OVG Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2013 – OVG 5 S 27.12; OVG NRW, Urteil vom 25.09.1997 – 20 A 688/96 [↩]
- BayVGH, Beschluss vom 23.07.2012 – 9 ZB 10.3169; OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.08.2009 – 11 ME 187/09; VG Mainz, Beschluss vom 13.06.2016 – 1 L 187/16.MZ; Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 4. Auflage 2023, § 2 Rn. 34 [↩]
- TVT-Merkblatt NR. 141, Stand: Dezember 2023, S. 1 und 13 [↩] [↩]
- https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rute/, Abschnitt 6 – Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/psychische Wohlbefinden des Einzeltieres und Einordnung in Belastungskategorie, abgerufen zuletzt am 4. November 2024 [↩]
- https://qualzucht-datenbank.eu/team/, zuletzt abgerufen am 4. November 2024, 93 [↩]
- vgl. TVT-Merkblatt NR. 141, Stand: Dezember 2023, S. 3 [↩]
- TVT-Merkblatt NR. 141, Stand: Dezember 2023, S. 5 [↩]
- Dog Behavior Co-Varies with Height, Bodyweight and Skull Shape, Paul D. McGreevy et al, 2013, 101 [↩]
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4771026/, zuletzt abgerufen am 30. Oktober 2024, 104 [↩]
- Rottier & Schulz et al. – Tail wags the dog is unsupported by biomechanical Modeling of Canidae Tails Use during Terrestrial Motion, 2022, 107 [↩]
- Tail length’s effect on dog welfare – Association between the length of the tail and social behavior in dogs, Sofie Kaas Rasmussen, 2. April 2024, S. 6-7, 109 [↩]
- TVT-Merkblatt Nr. 141, Stand: November 2017, S. 15 [↩]
- .TVT-Merkblatt NR. 141, Stand: Dezember 2023, S. 1 und 13; https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rasse-french-bulldog/ Abschnitt 5 – Wirbelkörpermalformationen und Ruten-Deformationen, zuletzt abgerufen am 4. November 2024; Anlage 2 zu Leitlinien der AGT – Skelett – Brachyurie/Stummelschwanz [↩]
- Anlage 2 zu Leitlinien der AGT – Skelett – Brachyurie/Stummelschwanz – Schäden [↩]
- vgl. darüber hinaus nur beispielhaft zum fehlenden Vorhandensein von physischen Extremmerkmalen bei wilden bzw. wildlebenden Hunden: https://www.eurogroupforanimals.org/files/eurogroupforanimals/2023-11/2023_11_30_Extreme%20breeding%20in%20Europe%20-%20Mapping%20of%20legislation%20FINAL.pdf, Annex 1, S. 21 f., abgerufen am 4. November 2024 [↩]
- BT-Drs. 394/21, S. 21. 123 [↩]
- vgl. hierzu auch: R., https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rute/, Abschnitt 5, zuletzt abgerufen am 4. November 2024 [↩]
- https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rasse-french-bulldog/ Abschnitt 5. – Wirbelkörpermalformationen und Ruten-Deformationen, abgerufen zuletzt am 4. November 2024; https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rute/ Abschnitt 10. – Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung –, abgerufen zuletzt am 4. November 2024; vgl. TVT-Merkblatt NR. 141, Stand: Dezember 2023, S. 3, 129 [↩]
- vgl. Anhang 2 der Leitlinien der AGT [↩]
- vgl. zum Ausreichen der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Betroffenseins mit einem relevanten Defekt: Hirt, in: Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Auflage 2023, TierSchHundeV § 10 Rn. 4 [↩]
- vgl. zum Zuchtverbot mit brachycephalen und stummelrutigen Hunden: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.10.2022 – 11 ME 221/22 [↩]
- Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 18. Auflage 2024, Art. 3 GG Rn. 13 [↩]
- Rudisile, in: Schoch/Schneider/, 45. EL Januar 2024, VwGO § 124 Rn. 30 [↩]
- vgl. jeweils in Bezug auf das Fehlen funktionsfähiger Tasthaare bei Nacktkatzen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2022 – 23 L 1501/22; OVG NRW, Beschluss vom 06.12.2022 – 20 B 1039/22; VG Hamburg Beschluss vom 04.04.2018 – 11 E 1067/18 [↩]