Es kommt immer wieder vor, dass nach Beissvorfällen nicht nur die Wegnahme des Hundes und ein Hundehaltungsverbot angeordnet wird, sondern sogar im Sofortvollzug die Einschläferung des Hundes wegen der eventuell vorliegenden Aggressivität angeordnet wird. Wir hatten hier über einen solchen Fall berichtet, in dem auch das Oberverwaltungsgericht Münster eine solche Entscheidung gehalten hat.
„Sofortvollzug“ bedeutet – verkürzt gesagt -, dass die Behörde das Klageverfahren, in dem der gesamte Sachverhalt aufzuklären ist, nicht abwarten, sondern sofort zur Tat schreiten will. Der Betroffene hat dann nur die Möglichkeit, sich neben der Klage mit einem Antrag im vorläufigen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht zu wenden. Dann wird in einem sogenannten „summarischen Verfahren“ mit eingeschränkten Beweismitteln die Wahrscheinlichkeit der Rechtmässigkeit der Entscheidung der Behörde überprüft, wobei die Folgen des Sofortvollzugs und die der nicht erfolgenden Anordnung des Sofortvollzugs gegeneinander abzuwägen sind.
Gegen eine entsprechende Anordnung des Landratsamts Erzgebirgskreis hat sich nun ein Hundehalter gegen entsprechende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Chemnitz1, die die Entscheidung der Behörde bestätigt hatten, an das Bundesverfassungsgericht gewandt.
Das Bundesverfassungsgericht hat erfreulicherweise im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass dem Landratsamt Erzgebirgskreis bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, untersagt wird, im Rahmen eines Vollzugs des angefochtenen Bescheides den Rottweiler-Rüden „Z“ einschläfern zu lassen.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechtsschutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn eine Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre.
Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.
Eine solche Abwägung hätten auch die Verwaltungsgerichte treffen müssen
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers erscheint dem Bundesverfassungsgericht weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Im Rahmen der daher gebotenen Abwägung überwiegen die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im angeordneten Umfang.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als begründet, könnte die generelle Untersagung der Haltung und angeordnete Einschläferung des betroffenen Hundes vollzogen werden. Dann wäre eine Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen. Die Vernichtung des Eigentums des Beschwerdeführers könnte nicht rückgängig gemacht werden.
Erginge dagegen die einstweilige Anordnung im angeordneten Umfang, bliebe die Verfassungsbeschwerde aber ohne Erfolg, könnte die zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Menschen und Tieren angeordnete generelle Untersagung der Haltung durch jedermann und angeordnete Einschläferung des Hundes nur verzögert vollzogen werden.
Dies wiegt insgesamt weniger schwer als der dem Beschwerdeführer drohende irreparable Verlust, zumal den Nachteilen eines verzögerten Vollzugs des angefochtenen Bescheids dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Anordnung nur im erforderlichen Umfang ergeht. Sie lässt eine Beschlagnahme des Hundes und vorübergehende Haltung durch eine zur Haltung gefährlicher Hunde befugte Einrichtung zu. Auch bleibt die Untersagung der Haltung des Hundes durch den Beschwerdeführer vorläufig vollstreckbar.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.03.2019 – 1 BvR 673/19
- VG Chemnitz, Beschlüsse vom 21.02.2019 – 7 L 102/19; vom 11.02.2019 – 7 L 102/19; vom 29.06.2018 – 7 L 348/18; vom 06.02.2019 – 7 L 88/19; vom 05.04.2018 – 7 L 145/18; Sächsisches OVG, Beschlüsse vom 14.02.2019 – 3 B 249/18; vom 15.01.2019 – 3 B 249/18; vom 07.02.2019 – 3 B 37/19; vom 11.06.2018 – 3 B 130/18 [↩]