Ein Hausarzt, der seine Arztpraxis in einem als Umweltzone ausgewiesenen Stadtteil betreibt, aber ein Fahrzeug nutzt, welches keine Feinstaubplakette aufweisen kann, hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Fahrverbot in der Umweltzone.
Im entschiedenen Fall fuhr der klagende Arzt einen im Jahr 1994 zugelassenen Pkw Toyota Landcruiser. Bis 31.12.2009 durfte er die im gesamten Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart ausgewiesene Umweltzone ohne eine Feinstaubplakette befahren. Im Oktober 2009 hatte er bei der beklagten Stadt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Fahrverbot in der Umweltzone Stuttgart beantragt. Dies begründete er damit, dass sein Diesel-Pkw technisch nicht nachrüstbar sei, es aber aus beruflichen Gründen für ihn notwendig sei, mit dem vom Fahrverbot betroffenen Toyota Landcruiser von seinem Wohnort nach Stuttgart zu fahren. Auf Grund der Altersstruktur seiner Patienten müsse er zahlreiche Hausbesuche und Besuche in Alten- und Pflegeheimen zu allen Tages- und Nachtzeiten wahrnehmen. Für diese Fahrten in der Umweltzone Stuttgart benötige er sein allradbetriebenes Fahrzeug, um auch im Winter bei Schnee, Matsch und Eisglätte in Stuttgart sicher fahren zu können. Auf Grund dieser Sondersituation sei das öffentliche Interesse an seinen Fahrten als Arzt zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dienstleistungen höher zu gewichten als das gesellschaftliche Interesse an der Luftreinhaltung.
Nach Ablehnung des Antrages und erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Hausarzt Klage. Das Verwaltunggericht Stuttgart kam zu dem Ergebnis, daß der Mediziner keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Fahrverbot in der Umweltzone Stuttgart habe.
Nach den Regelungen der Bundesimmissionsschutzverordnung könne die Behörde den Verkehr von Fahrzeugen, die von Verkehrsverboten betroffen seien, von und zu bestimmten Einrichtungen zulassen, soweit dies im öffentlichen Interesse liege, insbesondere wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen notwendig sei, oder überwiegende und unaufschiebbare Interessen einzelner dies erforderten. Ob die vom Kläger genannten Hausbesuche und Besuche in Alten- und Pflegeheime als „Fahrten zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dienstleistungen“ eingestuft werden könnten, könne offen bleiben. Denn jedenfalls begehre der Kläger die Ausnahmegenehmigung auch für seine regelmäßigen beruflichen Fahrten von seinem Wohnort zu seiner Praxis in Stuttgart. Die Fahrten zur Praxis lägen aber, ebenso wenig wie die Fahrten anderer Berufspendler zu ihren Arbeitsstellen in Stuttgart, grundsätzlich nicht im öffentlichen Interesse. Eine generelle bzw. uneingeschränkte Privilegierung von Ärzten habe der Verordnungsgeber nicht beabsichtigt. Dies zeige gerade auch die Regelung im Anhang zur Bundesimmissionsschutzverordnung, wonach Arztfahrzeuge im Notfalleinsatz vom Fahrverbot ausgenommen seien.
Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung wegen überwiegenden und unaufschiebbaren Interessen Einzelner komme ebenfalls nicht in Betracht, da dies eine individuelle Sondersituation des Klägers im Sinne eines besonderen Härtefalls voraussetze. Ein solcher besonderer Härtefall liege vor, wenn ein Antragsteller aus beruflichen oder privaten Gründen auf die Benutzung des Kraftfahrzeugs angewiesen sei, ihm neben dem vom Fahrverbot betroffenen Fahrzeug keine anderen Fahrzeuge zur Verfügung stünden und ihm der Erwerb eines geeigneten Ersatzfahrzeugs aus finanziellen Gründen unmöglich oder unzumutbar sei. Eine solche Sondersituation habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Trotz entsprechender Nachfragen habe der Kläger keine konkreten Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht. Das Gericht könne daher nicht prüfen, ob der Kläger finanziell tatsächlich nicht in der Lage sei, sich ein seinen Vorstellungen entsprechendes Ersatzfahrzeug anzuschaffen und er seine Tätigkeit als Arzt deshalb tatsächlich nur mit dem Toyota Landcruiser ausüben könne.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 04. 07.2011 – 13 K 3296/10