Freibetrag der Schenkerin auf der Insel?

Hat eine in Großbritannien lebende Schenkerin, die hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks (beschränkt) schenkungsteuerpflichtig ist, Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein Schenker, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist?

Diese Frage hat das Finanzgericht Düsseldorf nun bejaht, wobei dies auch ungeachtet der Möglichkeit, zur unbeschränkten Steuerpflicht zu optieren, gelte.

In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall waren die Klägerin und ihre Töchter deutsche Staatsangehörige. Sie leben in Großbritannien. Die Klägerin war hälftige Miteigentümerin eines in Düsseldorf belegenen Grundstücks. Im September 2011 übertrug sie ihren Miteigentumsanteil auf ihre Töchter. Im Schenkungsvertrag verpflichtete sie sich, die anfallende Schenkungsteuer zu übernehmen. Eine Behandlung der Schenkung als unbeschränkt steuerpflichtig war nicht beantragt worden.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag von jeweils 2.000 €, der nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige gilt. Bei unbeschränkter Steuerpflicht ist für Schenkungen an Kinder ein Freibetrag von jeweils 400.000 € vorgesehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist. Daraufhin hat der Gesetzgeber ein Recht geschaffen, die Behandlung des Erwerbs als unbeschränkt steuerpflichtig zu beantragen.

Der EuGH hat auf Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22.10.2014 mit Urteil vom 08.06.20161 entschieden, dass die Art. 63 und 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach bei Schenkungen unter Gebietsfremden die Steuer unter Anwendung eines niedrigeren Steuerfreibetrags berechnet wird, wenn der Erwerber keinen spezifischen Antrag stellt. Die Artikel stehen auch und auf jeden Fall einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Steuer auf Antrag eines solchen Erwerbers unter Anwendung des höheren Freibetrags berechnet wird, der für Schenkungen unter Beteiligung zumindest eines Gebietsansässigen gilt, wobei die Wahrnehmung dieser Option durch den gebietsfremden Erwerber bewirkt, dass für die Berechnung der Steuer auf die betreffende Schenkung alle Schenkungen, die dieser Schenkungsempfänger in den zehn Jahren vor und den zehn Jahren nach der Schenkung von derselben Person erhalten hat, zusammengerechnet werden.

Das Finanzgericht Düsseldorf ist der Entscheidung gefolgt und hat der Klägerin Recht gegeben.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das im Streitfall in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 20082 anzuwenden ist, gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Die vorliegenden Schenkungen unter Lebenden (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) sind jeweils in Höhe von 400.000 € steuerfrei. Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Danach bleibt der Erwerb der Kinder i. S. der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 400.000 € steuerfrei. Obgleich dies nach dem Wortlaut der Bestimmung nur in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gelten soll, kann die Klägerin nicht nur auf den Freibetrag des § 16 Abs. 2 ErbStG von 2.000 € verwiesen werden. Dem steht das Urteil des EuGH vom 08.06.20163 entgegen. Nach diesem Urteil kann die einschränkende Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG im Streitfall nicht angewendet werden.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2016 – 4 K 488/14 Erb

  1. EuGH, Urteil vom 08.06.2014 – C-479/14 []
  2. BGBl. I, S. 3018 []
  3. EuGH, Urteil vom 08.06.2016 – C-479/14 []