… das fragte sich eine Olde English Bulldogge.
Das Verwaltungsgericht Potsdam verneinte dies und hat im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entschieden, dass § 8 Abs. 2 HundehV1 einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass hiervon nur Kreuzungen erfasst werden, bei denen ein Elterntier ein Hund der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 HundehV genannten Rassen zugehört (sog. F 1 Generation).
Die Gemeinde hatte gegenüber der Antragstellerin in dem Verfahren ein u.a. ein Hundehaltungsverbot verhängt und die sofortige Vollziehung angeordnet. Dem hiergegen gerichteten Antrag hat das Verwaltungsgericht Potsdam stattgegeben, da sich im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung das private Interesse der Antragstellerin an einem Aufschub von Vollzugsmaßnahmen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt, da sich die angegriffene Haltungsuntersagung nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist.
Die unter Ziffer 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung verfügte Haltungsuntersagung findet ihre Grundlage nicht in § 13 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) i. V. m. §§ 5 Abs. 1, 8 Abs. 2 und 1 Abs. 2 Satz 3 HundehV. Danach hat die Ordnungsbehörde das Halten eines Hundes unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen. Diese Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners sind im konkreten Fall nicht gegeben, weil die Haltung des Hundes, der eine „Old English Bulldogge“ ist, nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 3 der HundehV verboten ist.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 HundehV ist die Haltung von Hunden im Sinne des § 8 Abs. 2 HundehV verboten. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 HundehV gelten u. a. Hunde der Rasse „American Pittbull Terrier“ sowie deren Kreuzungen mit Hunden nach § 8 Abs. 2 HundehV oder mit anderen Hunden auf Grund rassespezifischer Merkmale oder Zucht als gefährliche Hunde im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV, d. h. als Hunde, bei denen von einer über das natürliche Maß hinausgehenden Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder einer anderen in ihrer Wirkung vergleichbaren, Mensch oder Tier gefährdenden Eigenschaft auszugehen ist.
Bei dem von der Antragstellerin gehaltenen Hund „Eddi“ handelt es sich nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1-5 HundehV. Er stellt auch keine Kreuzung mit nach § 8 Abs. 2 HundehV als gefährlich geltenden Hunderassen dar.
Der Hund „Eddi“ ist ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Ahnentafel ein „Old English Bulldog“ (im Folgenden: OEB). Der OEB stellt eine durch die Fédération Cynologique Internationale (FCI) nicht anerkannte Rasse dar. Ob dieser Umstand genügt, um diese Züchtung nicht als eigenständige Rassen oder Gruppe und damit überhaupt als Kreuzung bewerten zu können, kann im Eilrechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden und muss – soweit erforderlich – einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Denn bei Haushunden gilt eine Rasse als solche, wenn sie als Rasse definiert wurde. Dies geschieht in der Regel durch einen (nicht zwangsläufig internationalen) Zuchtverband, kann aber ebenso durch einen Züchter oder von Einzelpersonen vorgenommen werden. Die meisten bekannten Hunderassen werden durch Verbände und Vereine beschrieben. Normen bzw. einheitliche wissenschaftliche Grundlagen für die Benennung einzelner Rassen gibt es nicht. Der OEB verfügt wohl über eine vorläufige Anerkennung durch den amerikanischen Zuchtverband UKC2.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der OEB keine eigene Rasse ist, sondern es sich um eine Kreuzung handelt, unterfällt er nicht der Regelung unter § 8 Abs. 2 HundehV.
Derartige Hunde wurden nach den Angaben des Züchters Z unter der Bezeichnung „Olde English Bulldogge“ Anfang der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts gezüchtet. Die Zucht setzte sich aus 1/2 „Englischer Bulldogge“, 1/6 „Bullmastiff“, 1/6 „American Bulldog“ und 1/6 „American Pittbull Terrier“ zusammen. Seit 1976 wurde kein weiterer Pittbull mehr eingezüchtet. Um sich vor unautorisierten Nachzuchten zu schützen, änderte der Züchter den Rassenamen in „… Bulldog“. Andere Züchterverbände setzten die Zucht unter der Bezeichnung „Olde English Bulldog“ fort.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann aus dem Umstand, dass an der Züchtung der OEB Hunde beteiligt waren, die in § 8 Abs. 2 HundehV benannt werden, nicht auf eine Kreuzung des hier betroffenen Hundes im Sinne dieser Vorschrift geschlossen werden. Denn der Hund ist nicht aus einer Kreuzung zweier Hunde der in § 8 Abs. 2 HundehV aufgeführten Rassen oder Gruppen im Sinne der Tatbestandsalternative „deren Kreuzungen untereinander“ hervorgegangen. Nach der genannten Auskunft des Züchters … ist davon auszugehen, dass die Tiere, zu denen Mitte der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts sowohl der OEB als auch der „… Bulldog“ gehörten, bereits Mischlinge waren. Der von der angegriffenen Ordnungsverfügung betroffene Hund unterfällt auch nicht der Tatbestandsalternative „Kreuzungen von Hunden der aufgeführten Rassen oder Gruppen mit anderen Hunden“. Wortlaut und Grammatik der Regelung setzen voraus, dass ein Elterntier des zu beurteilenden Hundes ein Hund einer der aufgeführten Rassen oder Gruppen, d. h. reinrassig ist (sogenannte F1-Generation). Ist dies der Fall, so kommt es auf das weitere Elterntier und dessen Rasse oder Gruppenzugehörigkeit nicht an. Diese Betrachtungsweise entspricht auch Sinn und Zweck der Norm, nämlich der Eindämmung der als gefährlich erachteten Hunde unter dem Gesichtspunkt der „abstrakten Gefährlichkeit“ der anhand einer „Rasse- bzw. Gruppenliste“ bestimmten Hunde. Kommt es maßgeblich darauf an, dass nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit eines einzelnen Hundes, sondern ein genetisches Potential – beim Hinzutreten weiterer Umstände – die aufgelisteten Hunde zu einer Gefahr werden lassen können, so liegt es in der Logik dieses Gedankens, dass eine so begründete abstrakte Gefährlichkeit sich mit fortschreitender Abnahme des genetischen Potentials durch wiederholte Kreuzungen „mit andern Hunden“ im Zuge der Generationen zunehmend verflüchtigt3. Das Verwaltungsgericht Potsdam folgt nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass unter Kreuzungen im Sinne von § 8 Abs. 2 HundehV neben den direkten Abkömmlingen eines Hundes der in dieser Vorschrift benannten Rassen und Gruppen dem Grundsatz nach auch sämtliche Nachfahren eines solchen „reinrassigen“ Hundes unabhängig vom jeweiligen Verwandtschaftsgrad zu verstehen sind4. Bei einer solchen Auslegung der Vorschrift wäre deren nahezu grenzloser Ausweitung Tür und Tor geöffnet und die Regelung damit unverhältnismäßig. Es ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Potsdam auch nicht sachgerecht, der beschriebenen Ausweitung der Regelungen in § 8 Abs. 2 HundehV dadurch zu begegnen, dass Kreuzungen im Sinne dieser Vorschrift nur dann vorliegen, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz Einkreuzung anderer Rassen die Merkmale mindestens einer in der genannten Vorschrift genannten Rassen zeigt5. Die Vermutung einer abstrakten Gefährlichkeit späterer Generationen als der F1-Generation läge dann an bloßen Zufälligkeiten der jeweiligen Vererbung, nämlich daran, welches Aussehen bei einem Tier zu beobachten ist, nicht aber an der durch den Verordnungsgeber gewollten Anknüpfung an die genetisch bedingten Verhaltenseigenschaften der Tiere einer bestimmten Hunderasse- oder gruppe.
Selbst wenn man jedoch der o. g. obergerichtlichen Rechtsprechung folgt und eine Kreuzung im Sinne von § 8 Abs. 2 HundehV bereits dann annimmt, wenn der Hund nach seinem äußeren Erscheinungsbild trotz Einkreuzung anderer Rassen die Merkmale mindestens einer der in § 8 Abs. 2 HundehV genannten Rassen zeigt, erwiese sich die angegriffenen Haltungsuntersagung als rechtswidrig. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der in der Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2013 benannte Hund über äußere Rassemerkmale von Hunden nach § 8 Abs. 2 HundehV verfügt. Der Antragsgegner trägt dies nicht einmal vor.
Die in Ziff. 4 der Ordnungsverfügung angeordnete „Sicherstellung“ erweist sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Regelung nicht dem Bestimmtheitsgebot nach § 37 VwVfG genügt, nach dem der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss. Daran fehlt es hier. Es bleibt unklar, ob der Antragsgegner eine befristete (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) Sicherstellung im Sinne von § 5 Abs. 2 HundehV angeordnet hat oder, so die Begründung der Ordnungsverfügung, das Zwangsmittel der Ersatzvornahme nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Brandenburg (VwVG BB) androhen wollte.
Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 27.03.2013 – 3 L 104/13
- Hundehalterverordnung Berlin vom 16.06.2004, GVBl. II S. 485 -HundehV- [↩]
- United Kennel Club; vgl. http://www.castlebulls.de/13701.html [↩]
- VG Osnabrück, Urteil vom 29.09.2010 – 6 A 210/09 unter Verweis auf BVerwG, Entscheidungen vom 10.10.2001 – 9 BN 2/01; vom 19.01.2000 – 11 C 8/99 [↩]
- OVG Hamburg, Beschluss vom 11.12.2000 – 2 Bs 306/00; OVG Münster, Urteil vom 17.06.2004 – 14 A 935/02; VGH Mannheim, Urteil vom 14.03.2006 – 11 UE 1426/04 [↩]
- vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 14.03.2006 – 11 UE 1426/04; VG Cottbus, Beschluss vom 14.01.2013 [↩]