Hochbegabung steuerlich absetzbar

.. jedenfalls können nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt ist.

An seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der eine vorherige amtsärztliche oder vertrauensärztliche Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, erforderlich war, hält der Bundesfinanzhof ausdrücklich nicht länger fest.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind1.

In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie sind auch dann zwangsläufig, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des Steuerpflichtigen leidet2.

Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der Bundesfinanzhof bislang regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangte der Bundesfinanzhof diesen formalisierten Nachweis. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der Bundesfinanzhof seit seiner Entscheidung vom 11.11.2010 – VI R 17/093 nicht länger fest.

 

Auf dieser Grundlage hat der Bundesfinanzhof im konkreten Fall die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts München4 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Der Bundesfinanzhof hat in diese Zusammenhang noch darauf hingewiesen, daß im konkreten Fall zu prüfen sei, ob der Besuch der betreffenden Schule im Ausland wegen der Hochbegabung des Schülers medizinisch angezeigt war. In einem solchen Fall können die geltend gemachten Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für Kosten einer auswärtigen der Krankheit geschuldeten Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung dient. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steht dem Abzug dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG nicht entgegen3. Die Vorschrift erfasst nur Kosten, die zur schulischen Förderung des Kindes aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen aufgewendet werden3. Krankheitsbedingte Schulkosten werden hingegen von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht erfasst.

Zudem sei zu beachten, so der Bundesfinanzhof, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf, wenn die Maßnahmen medizinisch indiziert sind. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen3, es sei denn, es liegt ein für jedermann offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor5. In einem solchen Fall fehlt es dem Aufwand an der erforderlichen Angemessenheit (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Die erforderlichen Feststellungen hat das Finanzgericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, so der Bundesfinanzhof weiter, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden3. Da weder das Finanzamt noch das Finanzgericht die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das Finanzgericht aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn sich dem bereits vorliegenden amtsärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2002 nicht die medizinische Notwendigkeit der gesamten Dauer des Schulbesuchs entnehmen lässt.

Der Bundesfinanzhof weist weiter darauf hin, dass außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur insoweit abziehbar sind, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst getragen hat. Deshalb müssen sich die Kläger die Jugendhilfeleistungen der Stadt A, die sie für den Schulbesuch des S erhalten haben, belastungsmindernd anrechnen lassen.

Ein zusätzlicher Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung des Schülers steht den Klägern nicht zu. Der Bundesfinanzhof entnimmt dies der Regelung des § 33a Abs. 5 EStG, durch die eine doppelte Steuerermäßigung, nach § 33 und § 33a EStG, vermieden werden soll3.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2011 – VI R 37/10

  1. u.a. Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.09.1989 – III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418 []
  2. Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.03.2007 – III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841 []
  3. Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2010 – VI R 17/09, BFHE 232, 40 [] [] [] [] [] []
  4. Finanzgericht München, Urteil vom 29.05.2008 – 15 K 3058/05 []
  5. Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.07.1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 []