Nicht nur eine falsche Haltung von Hunden oder Beissvorfälle etc. kann zu einem Haltungsverbot führen, sondern auch der von Hunden ausgehende Lärm kann zu einem Haltungsverbot führen – auf bauordnungsrechtlicher Grundlage.
So geschehen in einem vom Verwaltungsgericht Hannover im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutz entschiedenen Fall.
Was war passiert?
Die Antragsteller bewohnen ein Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Die Antragsteller halten auf dem Grundstück nach ihren Angaben sechs Hunde. Steuerlich angemeldet hatten sie im März 2017 insgesamt sieben Hunde.
Im Juni und Oktober 2016 beschwerten sich zunächst drei Nachbarn bei der Gemeinde über die Hundehaltung auf dem Grundstück der Antragsteller. Die Gemeinde leitete die Beschwerden im März 2017 an den Antragsgegner weiter. Im Juli 2017 beschwerten sich sodann vier Nachbarn der Antragsteller beim Antragsgegner. Die Nachbarn gaben an, durch das Bellen der Hunde einer ständigen Lärmbelästigung ausgesetzt zu sein.
Mit Schreiben vom 10.05.2017 forderte der Antragsgegner die Antragsteller erstmals zur Stellungnahme zu den Beschwerden auf. Da die Antragsteller nicht reagierten, forderte der Antragsgegner die Antragsteller mit Schreiben vom 19.07.2017 nochmals zur Stellungnahme auf und wies dabei bereits auf eine mögliche Unzulässigkeit der ausgeübten Hundehaltung hin.
Mit E-Mail vom 10.08.2017 listeten die Antragsteller die gehaltenen Hunderassen (Mischlinge der Rassen Podenco, Collie, Ratero und Terrier) auf und legten ein Tagesprotokoll vor, aus dem sich die Auslaufzeiten ergeben sollten. Nach Angaben der Antragsteller werden die Hunde im Haus gehalten.
Am 25.01.2018 fand mit einem Mitarbeiter des Antragsgegners ein Ortstermin statt. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich sechs Hunde auf dem Grundstück auf.
Mit Bescheid vom 19.02.2018 untersagte der Antragsgegner den Antragstellern ab sofort die Nutzung des Wohngebäudes und des Grundstücks zur Haltung von mehr als zwei Hunden und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Hundehaltung sei bauordnungsrechtlich zu untersagen, da durch die Haltung von mindestens sechs Hunden unzumutbare Belästigungen entstünden. Als unzumutbar seien Belästigungen anzusehen, die nach der in der Bevölkerung vorherrschenden Auffassung nicht hinzunehmen seien. Eine Hundehaltung von mehr als zwei Tieren könne nach der Rechtsprechung in einem allgemeinen Wohngebiet wegen der damit verbundenen unzumutbaren Lärmbelästigungen unzulässig sein. Die Haltung von sechs oder sieben größeren Hunden sei auf keinen Fall so möglich, dass die Lebensäußerungen der Tiere den Nachbarn verborgen blieben. An der sofortigen Vollziehung bestehe ein öffentliches Interesse, da die Nutzungsänderung dem formellen Baurecht widerspreche und eine Übereinstimmung mit dem materiellen Baurecht nicht offensichtlich sei.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Antragstellerin Klage und wandte sich zugleich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Über letzteres hatte nun das Verwaltungsgericht Hannover zu entscheiden.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover:
Soweit sich die Antragsteller gegen die Untersagung der Nutzung des Wohngebäudes und des Grundstücks zur Haltung von mehr als zwei Hunden wenden, ist ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unbegründet.
Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung wird bereits genügt, wenn überhaupt eine schriftliche, einzelfallbezogene und nicht lediglich formelhafte Begründung vorhanden ist, die die von der Behörde getroffene Interessenabwägung erkennen lässt. Diese Voraussetzungen werden von der hier gegebenen Begründung erfüllt. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in noch ausreichender Weise damit begründet, dass es den Nachbarn nicht zuzumuten sei, die unzulässige Hundehaltung für die Zeit eines sich eventuell anschließenden Klageverfahrens hinzunehmen.
Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung das private Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung dieser Untersagungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben. Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Nutzungsuntersagung als offensichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen oder Grundstücke dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO kann sie dazu namentlich die Benutzung von Anlagen untersagen.
Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht liegt vor, denn der Umfang, in dem die Antragsteller das Haus und den Garten nutzen, verstößt gegen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht.
Die Haltung von sechs Hunden durch die Antragsteller ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie über die auf dem Grundstück zulässigen Nutzungen hinausgeht.
Das Grundstück liegt in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet. Ein solches Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO lässt sich allerdings entnehmen, dass zum Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich auch eine Kleintierhaltung gehören kann.
Eine Kleintierhaltung ist jedoch nur von einer Wohnnutzung umfasst, so lange sie den Charakter des Wohnhauses nicht in genehmigungsbedürftiger Weise ändert, indem sie das Maß der zulässigen Tierhaltung in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung offensichtlich überschreitet1. Dies ist dann der Fall, wenn sie den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung nach Art und Anzahl der Tiere sprengt, weil sie geeignet ist, das Wohnen im Sinne des § 4 Abs. 1 BauNVO wesentlich zu stören und damit der Eigenart eines allgemeinen Wohngebietes widerspricht2. Dabei sieht die Rechtsprechung in der Regel nur das Halten von zwei Hunden im Rahmen des Wohnens als zulässig an3.
Danach ist die Haltung von insgesamt mindestens sechs Hunden auf dem Grundstück der Antragsteller nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover nicht mehr vom Wohnen umfasst. Sie fällt nach der Anzahl der Tiere aus dem Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung. Da insoweit allein darauf abzustellen ist, dass die Hundehaltung in diesem Umfang abstrakt geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören4, ergibt sich die planungsrechtliche Unzulässigkeit unabhängig von der Größe der Hunde und konkreter Nachbarbeschwerden.
Die Hundehaltung ist darüber hinaus aber – so das Verwaltungsgericht Hannover weiter – auch bauordnungsrechtlich unzulässig, da sie gegen § 3 Abs. 1 NBauO verstößt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 3 NBauO müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird. Unzumutbare Belästigungen dürfen nicht entstehen.
Unter Belästigungen sind unter anderem Störungen durch Geräusche und Gerüche zu verstehen, die das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit oder Lebensfreude eines Menschen beeinträchtigen, ohne schon gesundheitsgefährdend zu sein. Als unzumutbar sind dabei solche Belästigungen anzusehen, die nach der in der Bevölkerung vorherrschenden Auffassung nicht hinzunehmen sind. Wesentlich sind im Einzelfall die Stärke und Dauer der Störung, ferner das Maß des jeweils Ortsüblichen5. Einen Anhalt ergibt sich aus der Frage, was ein normal empfindender, verständiger Mensch hinnehmen würde.
Danach stellen die von den sechs Hunden der Antragsteller ausgehenden Geräusche – ihr Bellen und Jaulen – für die Nachbarn der Antragsteller unzumutbare Belästigungen dar, so das Verwaltungsgericht Hannover. Unabhängig davon, ob die Umgebung ländlich geprägt ist und ob auch auf anderen Grundstücken Tiere gehalten werden, handelt es sich bei der Nachbarschaft um ein Wohngebiet, in dem die Lebensäußerungen einer so großen Zahl von Hunden nicht hinzunehmen sind. Soweit die Antragsteller vortragen, ihre Hunde seien betagt, ruhig und würden niemals bellen, widerspricht dies jeder Lebenserfahrung und ist im Übrigen durch die von den Nachbarn erstellten Lärm- bzw. Bellprotokolle widerlegt. Jeder Hund bellt unabhängig von seinem Alter, wenn er dazu Anlass hat, beispielsweise aus Freude oder zur Warnung vor Fremden auf dem Grundstück. Hunde, die zu mehreren zusammenleben, bellen auch, um sich zu verständigen6. Die Lärmprotokolle genügen als Anhaltspunkt dafür, dass die Hunde bellen, auch wenn sie nicht im Einzelnen wiedergeben, wie lange wie viele Hunde jeweils gebellt haben. Es ist auch davon auszugehen, dass die Nachbarn nicht nur dann durch das Bellen belästigt werden, wenn sich die Hunde im Garten aufhalten, sondern auch, wenn die Hunde im Haus der Antragsteller bellen. Dafür sprechen wiederum die Beschwerden der Nachbarn, die angegeben haben, dass sie regelmäßig auch in den Nachtstunden durch Bellen gestört werden, und der Vortrag der Antragsteller, dass ihre Hunde die Nächte nicht im Garten verbringen. Davon auszugehen ist aber auch deshalb, weil das Haus – insbesondere bei der Unterbringung von sechs Hunden – auch gelüftet werden muss und deshalb zeitweilig Türen und Fenster offenstehen dürften. Unzumutbar ist das Bellen für die Nachbarn im Besonderen, weil das von den Antragstellern bewohnte Haus mit nur geringem Abstand zu den Nachbarhäusern steht. Der Abstand zur Grundstücksgrenze in westlicher Richtung beträgt etwa 6 m und in östlicher Richtung etwa 3 m. Auch die Nachbarhäuser halten nur einen geringen Abstand zur den jeweiligen Grenzen ein. Bei dem Nachbarhaus In der H. 5 befindet sich unwidersprochen der Ruhebereich des Wohnhauses im rückwärtigen Bereich des Grundstücks und grenzt damit zugleich an den rückwärtigen Garten, den die Antragsteller zum Auslauf der Hunde nutzen. Da die Erwägungen für mehrere Nachbarn gleichermaßen gelten, ist es auch nicht erheblich, dass sich die Antragsteller mit einem der Nachbarn zivilrechtlich verglichen haben. Der Vergleich gilt lediglich zwischen den Nachbarn G., I. 37, und den Antragstellern, nicht aber für die Nachbarn in der Straße In der H..
Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, die dieser in seinem Widerspruchsbescheid im Einzelnen begründet hat, begegnet nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover keinen Bedenken. Die Anordnung, die auf dem Grundstück gehaltenen Hunde auf zwei zu reduzieren, ist ein geeignetes Mittel, um einen bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zulässigen Zustand herzustellen. Es ist auch keine Maßnahme ersichtlich, die einen geringeren Eingriff für die Antragsteller darstellen würde. Insbesondere genügt es nicht, Zeiten für eine Gartennutzung der Tiere festzulegen, da es auch dann zu unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn kommt, wenn sich die Hunde im Haus aufhalten. Die Anordnung ist auch angemessen, da der Schutz der Nachbarn in dem Wohngebiet das Interesse der Antragsteller, alle Hunde behalten zu dürfen, überwiegt. Auch die Erwägung des Antragsgegners, dass ein Berufungsfall geschaffen würde, ließe er die Hundehaltung im bisherigen Umfang weiterhin zu, ist ermessensfehlerfrei.
Schließlich ergibt auch – so das Verwaltungsggericht Hannover abschliessend – eine Abwägung der Vollzugsfolgen, dass der Antrag der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Nutzungsuntersagung abzulehnen ist. Angesichts dessen, dass sich erstmals bereits im Jahr 2016 mehrere Nachbarn über die Hundehaltung beschwert haben, ist es der Nachbarschaft nicht zuzumuten, die Belästigungen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter hinnehmen zu müssen.
Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 29.10.2019 – 12 B 3169/19 ECLI:DE:VGHANNO:2019:1029.12B3169.19.00
- Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.11.2008 – 1 ME 233/08 [↩]
- OVG Saarland, Beschluss vom 18.04.2019 – 2 A 2/18; OVG NW, Beschluss vom 08.01.2014 – 2 B 1196/13; VG Stuttgart, Urteil vom 10.05.2019 – 2 K 6321/18; VG Neustadt, Urteil vom 18.01.2016 – 3 K 890/15.NW [↩]
- OVG Saarland, Beschluss vom 18.04.2019 – 2 A 2/18; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.11.2008 – 1 ME 233/08; VG Neustadt, Urteil vom 18.01.2016 – 3 K 890/15.NW [↩]
- OVG Saarland, Beschluss vom 18.04.2019 – 2 A 2/18; OVG NW, Beschluss vom 08.01.2014 – 2 B 1196/13 [↩]
- Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.09.1992 – 6 L 129/90; VG Neustadt, Beschluss vom 19.12.2018 – 5 L 1573/18.NW [↩]
- VG Neustadt, Urteil vom 18.01.2016 – 3 K 890/15.NW; Nidersächsisches OVG, Urteil vom 30.09.1992 – 6 L 129/90 [↩]