Kein Hinweis auf email – Rechtsbehelfsbelehrung ist trotzdem richtig

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht etwa deshalb unrichtig, weil sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail enthält, hat das Finanzgericht Münster im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides des Finanzamtes entschieden.

Bei der Entscheidung ging es um eine in der Finanzverwaltung standardmäßig verwendete Rechtsbehelfsbelehrung. Diese weist Steuerpflichtige unter anderem darauf hin, dass der gegen den Bescheid mögliche Einspruch beim betreffenden Finanzamt „schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären ist“. Die Frage der (Un-)Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ist entscheidend dafür, ob der Einspruch eines Steuerpflichtigen innerhalb eines Monates oder aber eines Jahres eingelegt werden muss.

Im Streitfall hatte das Finanzamt die Antragstellerin durch Bescheid verpflichtet, einen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 7 EStG durchzuführen, d.h. aus dem an eine ausländische Gesellschaft zu zahlenden Kaufpreis einen Teilbetrag in Höhe von 750.000 EUR an den Fiskus zu leisten. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Antragstellerin ging erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist beim Finanzamt ein. Allerdings wandte die Antragstellerin ein, die in dem Bescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung sei unzutreffend, da sie keinen Hinweis darauf enthalte, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden könne. Ihr Einspruch sei daher zulässig, da bei einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung keine Monats-, sondern eine Jahresfrist für die Einspruchserhebung gelte (§ 356 Abs. 2 AO).

Hiermit hatte die Antragstellerin keinen Erfolg.

Der Antrag war nämlich – trotz durchaus bestehender ernstlicher Zweifel des Finanzgerichts an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides über die Anordnung des Steuerabzuges nach § 50 a Abs. 7 EStG – abzulehnen, da die Aussetzung der Vollziehung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes ausgeschlossen ist.

Das Finanzgericht Münster hatte im Rahmen des summarischen Aussetzungsverfahrens keine ernstlichen Zweifel daran, dass der streitige Bescheid bestandskräftig geworden ist, weil der Einspruch der Antragstellerin vom 13.04.2012 gegen den Bescheid vom 10.10.2011 verfristet ist. Im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung war die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 AO offensichtlich bereits abgelaufen.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig im Sinne des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO vorgeschriebenen Angaben nicht vollständig enthält oder diese unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich wiedergibt, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit der Fristwahrung gefährdet erscheint1. Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung noch andere als die notwendigen Angaben, so müssen auch diese Angaben richtig, vollständig und unmissverständlich sein2. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder die ergänzenden Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste. Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gehen dabei zu Lasten der Behörde3.

Die Entscheidung darüber, welchen Inhalt eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung haben muss, verlangt die Abwägung zum Teil widerstreitender Gesichtspunkte.

Grundlegend dabei sind der verfassungsrechtliche Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 19 Abs. 4 GG) und die hieraus abzuleitenden Gebote der prozessualen Fürsorgepflicht und der Rechtsmittelklarheit.

Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns gebietet es, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen. Die Rechtsbehelfe müssen in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein. Sind die Formerfordernisse so kompliziert und schwer zu erfassen, dass nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber Aufklärung verschaffen können, müsse die Rechtsordnung zumindest für eine das Defizit ausgleichende Rechtsbehelfsbelehrung sorgen4. Die Rechtsschutzgarantie gebietet eine Rechtsmittelbelehrung nur dann, wenn „diese erforderlich ist, um unzumutbare Schwierigkeiten des Rechtswegs auszugleichen, die die Ausgestaltung eines Rechtsmittels andernfalls mit sich brächte“. Auch in Verfahren, in denen kein Vertretungszwang gilt, kann vom Rechtsuchenden – im Rahmen des Zumutbaren – erwartet werden, er werde sich rechtzeitig über die Formerfordernisse des Rechtsmittels Aufklärung verschaffen. Will er sich im Einzelfall nicht sofort an einen Anwalt wenden, kann er sich bei der Behörde, die die anzufechtende Entscheidung erlassen hat, nach den Rechtsmittelmöglichkeiten und -erfordernissen erkundigen. Infolgedessen auftretenden Härten im Einzelfall kann durch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begegnet werden5.

Andererseits soll die Rechtsmittelbelehrung so einfach und klar wie möglich gehalten werden. Im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter ist eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden, die statt Klarheit zu schaffen wegen ihres Umfangs und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet. Deshalb ist es ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet6.

Unter Beachtung dieser Grundsätze erachtet das Finanzgericht Münster die von dem Antragsgegner verwendete Rechtsbehelfsbelehrung, die den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt, als ausreichend. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form war nicht erforderlich oder geboten, und zwar selbst dann nicht, wenn der Antragsgegner außerhalb des hier streitigen Bescheides – z.B. durch die Gestaltung seines allgemeinen Schriftverkehrs bzw. seiner Homepage – den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO eröffnet haben sollte.

Das Finanzgericht Münster hat sich damit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes7 angeschlossen und folgt nicht der abweichenden Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts8 und den zustimmenden Meinungen in der Literatur9.

Dabei kann es dahinstehen, so das Finanzgericht Münster, ob aus der – nach seiner Auffassung – unsystematischen Verwendung der Begriffe „schriftlich“ und „elektronisch“ zu folgern ist, dass das Gesetz beide Termini nebeneinander stellt, d.h. die elektronische Form nicht als Unterfall der Schriftform anzusehen ist und sich daher die Frage nach der Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung tatsächlich ergibt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre sie wegen des Gebotes der Klarheit und Verständlichkeit der Rechtsmittelbelehrung zu verneinen. Dies macht ein Blick auf eine entsprechend ergänzte Rechtsbehelfsbelehrung deutlich.

Zunächst wäre bereits der Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail als solcher problematisch. Die Frage, ob ein Einspruch im Wege einer einfachen E-Mail eingelegt werden kann, ist nämlich weder – soweit ersichtlich – höchstrichterlich geklärt noch völlig unumstritten. Zwar bejaht die herrschende Auffassung und auch die Finanzverwaltung10 selbst diese Frage, jedoch gibt es durchaus auch Gegenstimmen.

Hinzu kommt, dass der Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail unvollständig ist, denn er gibt die gesetzlich vorgesehenen Arten der Einspruchseinlegung nicht umfassend wider. Folgt man der herrschenden Auffassung darin, dass § 357 AO durch § 87 a AO ergänzt wird, so ist die Einspruchseinlegung (auch) durch die Übermittlung elektronischer Dokumente möglich. Diese Beschreibung umfasst nicht allein die E-Mail. Als elektronisches Dokument ist anzusehen ein Dokument, das elektronisch hergestellt, elektronisch versandt und vom Empfänger elektronisch oder auf Datenträger (z.B. CD) aufgerufen wird.

Aber auch eine Belehrung darüber, dass der Einspruch schriftlich einzureichen, zur Niederschrift zu erklären oder in elektronischer Form zu erheben ist, wäre aus Sicht des Senates unvollständig, da sie den Bescheidadressaten über für die Wirksamkeit des Einspruchs wichtige technische Fragen, die sich bei der Nutzung elektronischer Dokumente stets ergeben, im Unklaren lässt. Daher müsste eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung auch Informationen dazu enthalten, ob nur unverschlüsselte E-Mails oder auch verschlüsselte Formate (und wenn ja welche) genutzt werden können und in welchem Format etwaige Datei-Anhänge übermittelt werden müssen.

Eine in diesem Sinne erweitere Rechtsbehelfsbelehrung diente jedoch nach Überzeugung des Finanzgerichts Münster nicht den Interessen der Verfahrensbeteiligten, und zwar auch nicht dem Interesse rechtsunkundiger Beteiligter. Sie wäre inhaltlich überfrachtet und würde statt Klarheit zu schaffen wegen ihres Umfangs und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiften. Zudem wäre ihr Inhalt – jedenfalls bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Frage, ob für die Einspruchseinlegung eine einfache E-Mail genügt – rechtlich zweifelhaft.

So wie es kaum möglich ist, in einer Rechtsbehelfsbelehrung auf sämtliche Modalitäten der Fristberechnung hinzuweisen11, so ist es auch kaum möglich, angemessen, klar, verständlich und rechtlich zweifelsfrei auf sämtliche Formen der Einspruchseinlegung hinzuweisen.

Dem Aussetzungsantrag der Antragstellerin war – trotz bestehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides – nach Auffassung des Finanzgerichts Münster auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte zu entsprechen.

Zwar kommt eine Aussetzung der Vollziehung auch in Betracht, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO). Allerdings lagen die Voraussetzungen im Streitfall nicht vor.

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Steuerpflichtigen führen würde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte der Vollstreckung eine Aussetzung der Vollziehung nur möglich, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides nicht ausgeschlossen werden können12.

Das Finanzgericht Münster konnte nicht feststellen, dass der Antragstellerin bei Vollziehung des Bescheides derartige wirtschaftliche Nachteile drohen bzw. ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet ist. Vielmehr trägt die Antragstellerin selbst vor, dass der streitige Betrag auf dem Treuhandkonto bereit liege und der Absicherung des Anspruchs des Antragsgegners diene. Etwaige Nachteile aus der Vollziehung drohen allenfalls dem Grundpfandgläubiger. Dem Schutz von dessen Interessen dient die Regelung zur Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte jedoch nicht.

Finanzgericht Münster, Beschluss vom 06.07.2012 – 11 V 1706/12 E

  1. vgl. BFH, Urteil vom 29.07.1998 – X R 3/96BStBl. II 1998, 742 []
  2. BFH, Urteil vom 21.06.2007 – III R 70/06 []
  3. vgl. BFH, Urteil vom 21.06.2007 – III R 70/06 []
  4. BFH, Urteil vom 23.06.2004 – X R 59/01BStBl. II 2004, 901 []
  5. vgl. BFH, Urteil vom 07.03.2003 – X R 18/05, BStBl. II 2006, 455 []
  6. vgl. BFH, Urteil vom 07.03.2003 – X R 18/05, BStBl. II 2006, 455; vgl. auch BFH, Beschluss vom 02.02.2010 – III B 20/09 []
  7. vgl. auch BFH, Beschluss vom 02.02.2010 – III B 20/09 []
  8. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.11.2011 – 10 K 275/11, EFG 2012, 292 []
  9. z.B. Böwing-Schmalenbrock, DStR 2012, 444; Große/Bludau DB 2012, 655 []
  10. AEAO zu § 87a Nr. 1 und zu § 357 Nr. 1 []
  11. vgl. BFH, Urteil vom 07.03.2006 – X R 18/05, BStBl. II 2006, 455 zum Hinweis auf § 108 Abs. 3 AO []
  12. BFH, Beschlüsse vom 02.11.2004 – XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490; vom 02.06.2005 – III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834; vom 02.04.2009 – II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146 []