Keine Steuerberatung aus dem Ausland ohne Berufshaftpflicht

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union registrierte Steuerberatungsgesellschaft Ltd. weder nach § 3a StBerG noch aufgrund der Dienstleistungsfreiheit zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 AO befugt ist, wenn sie nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung oder einen anderen individuellen oder kollektiven Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügt .

Nach § 2 Satz 1 StBerG darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt sind. Eine Befugnis ist danach auch für eine Steuerberatungsgesellschaft erforderlich, die – wie die Klägerin – ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) hat und von dort aus Hilfe in Steuersachen für Steuerpflichtige in der Bundesrepublik leistet, selbst wenn sich die für die Steuerberatungsgesellschaft handelnden Personen zur Erbringung der Dienstleistungen nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik begeben.

Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind u.a. nach § 3 Nr. 3 StBerG Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften befugt. Die Klägerin ist keine solche Gesellschaft. Sie ist insbesondere nicht gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt.

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG sind Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik befugt. Der Umfang der Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland richtet sich nach dem Umfang dieser Befugnis im Niederlassungsstaat (§ 3a Abs. 1 Satz 2 StBerG). Bei ihrer Tätigkeit im Inland unterliegen sie denselben Berufsregeln wie die in § 3 StBerG genannten Personen (§ 3a Abs. 1 Satz 3 StBerG). Zu diesen Berufsregeln gehört u.a. der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung1.

Die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3a Abs. 1 StBerG ist nur zulässig, wenn die Person vor der ersten Erbringung im Inland der zuständigen Stelle schriftlich Meldung erstattet (§ 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG). Diese Meldung muss u.a. eine Information über Einzelheiten zur Berufshaftpflichtversicherung oder eines anderen individuellen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht enthalten (§ 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 8 StBerG).

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 StBerG nicht. Denn sie hat keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Da sich damit aus § 3a StBerG keine Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen ergibt, kann dahinstehen, ob die geschäftsmäßige Hilfe im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung der Ltd. überhaupt vom Anwendungsbereich des § 3a StBerG erfasst ist.

Aus der unionsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit2 ergibt sich für die Klägerin kein Recht, der Ltd. geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten.

Es kann offen bleiben, ob die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit schon im Hinblick auf § 3a StBerG ausgeschlossen ist. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen umgesetzt3. Liegt eine abgeschlossene Rechtsharmonisierung auf Gemeinschaftsebene vor, ist ein Einzelakt anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht der des Primärrechts zu beurteilen4.

Selbst wenn eine abschließende Rechtsharmonisierung auf Gemeinschaftsebene für reglementierte Berufe nicht vorläge und sich die Klägerin deshalb auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könnte, wäre sie nicht zu einer grenzüberschreitenden geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.

Die Dienstleistungsfreiheit verlangt in erster Linie die Beseitigung jeglicher Diskriminierung des Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll5.

Eine derartige Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres Sitzes in den Niederlanden liegt nicht vor. Vielmehr ist die Klägerin allein deshalb im Inland nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil sie nicht die Voraussetzungen erfüllt, die das deutsche Recht auch für in der Bundesrepublik niedergelassene Steuerberatungsgesellschaften vorschreibt. Denn zu diesen Voraussetzungen zählt, wie bereits ausgeführt, u.a. der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Über eine derartige Versicherung verfügt die Klägerin nicht.

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung verlangt Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit bzw. seiner Ansässigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, die geeignet sind, die Tätigkeiten von Dienstleistenden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und dort rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringen, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen6.

Soweit § 51 Abs. 1 DVStB vorsieht, dass Steuerberatungsgesellschaften verpflichtet sind, sich gegen die aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden zu versichern, kann diese Regelung zwar geeignet sein, die geschäftsmäßige Hilfeleistung der Klägerin im Inland zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, jedoch mit diesem vereinbar, wenn sie vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist7. Diesen Voraussetzungen entspricht die Regelung des § 51 Abs. 1 DVStB. Sie ist insbesondere aus Gründen des Allgemeininteresses, nämlich dem Schutz von Verbrauchern als Empfänger der betreffenden Dienstleistung erforderlich8.

 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.07.2011 – II R 6/10

  1. vgl. § 50 Abs. 6 StBerG, § 51 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften -DVStB- []
  2. Art. 49, 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EG–; jetzt Art. 56, 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV - []
  3. vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12. 11.2007, Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes, BT.-Drucks 16/7077, S. 23 []
  4. vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.12.2004 – C-309/02, Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz, Slg. 2004, I-11763 Rdnr. 53 []
  5. vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 25.07.1991 – C-288/89, Stichting Collectieve, Slg. 1991, I-4007 Rdnr. 10 []
  6. vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.02.2003 C-131/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-1659 Rdnr. 26 []
  7. vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 30.03.2006 – C-451/03, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Slg. 2006, I-2941 Rdnr. 37; Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.06.2009 – C-564/07, Kommission/Österreich []
  8. vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil in Sachen Kommission/Österreich, in DStRE 2010, 61 Rdnr. 32, zur Berufshaftpflicht eines Patentanwalts []