Eine Handelsgesellschaft aus einem EFTA-Staat ist auch dann in Deutschland als rechtsfähig anzusehen, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit nahezu ausschließlich in Deutschland entfaltet, trotzdem aber nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen ist. Dies entschied nunmehr der Bundesgerichtshof im Fall einer nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein gegründete und seit 1992 im Handelsregister des Öffentlichkeitsregisteramtes in Vaduz eingetragene Aktiengesellschaft, deren Geschäftstätigkeit über weite Zeiträume in der Bundesrepublik Deutschland stattfand, die aber im deutschen Handelsregister nicht eingetragen war. Damit hat der Bundesgerichtshof die HAndelsgesellschaften aus EFTA-Staaten den in anderen EU-Staaten gegründeten Gesellschaften gleich gestellt.
Das Landgericht hat die Klage der Gesellschaft zunächst noch als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme ihren Verwaltungssitz in Deutschland gehabt habe und – mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister – hier nicht rechtsfähig sei. Das Oberlandesgericht hat unter Rückgriff auf die im EWR-Abkommen statuierte Niederlassungsfreiheit sowie die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (sog. Überseering-Entscheidung) der Klägerin die Rechtsfähigkeit zugebilligt und der Klage – unter Zulassung der Revision – stattgegeben.
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs teilt die Auffassung des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit der Klage. Auch er hält die Klägerin für rechts- und parteifähig und stützt sich dabei u. a. auf sein am 14. März 2005 (II ZR 5/03, ZIP 2005, 805) ergangenes Urteil. Dort hatte er ausgesprochen, dass die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft wirksam gegründeten Gesellschaften im Inland rechts- und parteifähig sind. Dieselben Prinzipien gelten auch für eine in einem EFTA-Staat gegründete Kapitalgesellschaft. Art. 31 des von Deutschland ratifizierten EWR-Abkommens regele die Niederlassungsfreiheit in vergleichbarer Weise wie dies in Art. 43 des EG-Vertrages geschehen sei, so dass eine einschränkende Auslegung im Verhältnis zu einem EFTA-Staat ausscheide. Denselben Standpunkt nehme auch der EFTA-Gerichtshof ein, der seinerseits den Gleichklang seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit mit derjenigen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften betont habe.
Bundesgerichtshof, Urteil v. 19. September 2005 – II ZR 372/03