Wir hatten hier schon mehrfach über die unterschiedlichen Entschiedungen zu der Frage berichtet, ob Mieter einer Gewerbeimmobilie, die von den behördlichen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie betroffen waren, für die betreffende Zeit Mietminderung oder die Anpassung des Mietvertrages geltend machen können (so z.B. hier, hier und hier).
Nun hat sich auch das Oberlandesgericht Köln im Rahmen eines Berufungsverfahrens in einem Hinweisbeschluß zu der Thematik geäussert.
Kurzt zusammengefasst vertritt das Oberlandesgericht Köln die Auffassung, dass grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen könne. Jedoch müsse der Mieter hierfür die gravierenden Umsatzeinbußen auch belegen und hierbei z.B. auch erhaltene staatliche Hilfen benennen.
Aber im Einzelnen:
In dem konkreten Fall streiten die Parteien im Rahmen einer Räumungsklage des Vermieters im Wesentlichen um die Wirksamkeit einer Kündigung einer als Gastronomiebetrieb vermieteten Immobilie wegen Mietrückständen.
Der beklagte Miter hatte erklärt, die Rückstände der laufenden Mieten fielen in den Zeitraum der infektionsbedingten Beschränkungen nach der Coronaschutzverordnung Nordrhein-Westfalen und resultierten auch hieraus insoweit, als der Beklagte seinen Restaurantbetrieb seit April 2020 zunächst vollständig habe schließen müssen, sodann im Sommer/Herbst 2020 nur unter Berücksichtigung der behördlichen Infektionsschutzanordnungen mit ganz erheblich reduzierter Gästeanzahl habe öffnen dürfen, bis er seit dem 01.11.2020 erneut habe vollständig schließen müssen.
Die Mieten für September und Oktober 2020 habe der Beklagte erst am 23.11.2020 gezahlt, die Miete für November 2020 bis auf einen minimalen Fehlbetrag am 10.12.2020. Die Miete für Dezember 2020 und Januar 2021 habe er pünktlich gezahlt, die Miete für Februar 2021 am 19.03.2021 und die Miete für März 2021 am 31.03.2021.
Nach der inzwischen vorliegenden Rechtsprechung sei für die betreffenden Zeiträume eine Anpassung des Mietvertrages in Höhe von bis zu 50 % der vereinbarten Miete anzunehmen. Damit habe es an einem hinreichenden Zahlungsrückstand gefehlt.
Das Landgericht Köln hatte der Räumungsklage stattgegeben1.
Die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln:
Das Oberlandesgericht Köln hat dem dem beklagten Mieter auf seine Berufung hin nun einen Hinweisbeschluss dahingehend erteilt, dass es beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet einstimmig zurückzuweisen.
Insbesondere begründen die allgemeinen Auswirkungen der Corona-Pandemie in Gestalt von Umsatzeinbußen mangels Publikumsverkehrs sowie von behördlich verordneten Beschränkungen des Gastronomiegewerbes (hier: § 14 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO, in der ab dem 01.09.2020 in Kraft getretenen Fassung vom 31.08.2020, GV NRW S. 757a ff.) in der Regel keinen Mangel der zum Zwecke eines gastronomischen Betriebes vermieteten Mietsache im Sinne von § 536 BGB. Dies entspricht soweit ersichtlich auch der h.M. in der hierzu ergangenen Rechtsprechung und Lehre2.
Zwar können grundsätzlich behördlich angeordnete Nutzungs- und Betriebsverbote einen Sachmangel darstellen, doch ist die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts regelmäßig, dass die Beschränkungen ihre Ursache in Lage und/oder Beschaffenheit des Mietobjekts haben. Die aufgrund der Corona-Pandemie administrativ verfügten Nutzungs- und Betriebsbeschränkungen beruhen indessen nicht auf dem baulichen Zustand oder der Lage der Mietsache. Vielmehr geht es unabhängig vom konkreten Betrieb darum, massenhafte und unkontrollierbare Kontakte zwischen (vor allem – einander fremden –) Menschen zu unterbinden, um das allgemeine Infektionsrisiko zu verringern, das Ansteigen der Infektionszahlen zu verlangsamen, um das Gesundheitssystem funktionstüchtig zu halten. Da dies nichts mit der Mietsache als solcher zu tun hat, begründet eine daran anknüpfende behördliche Beschränkung, die unabhängig von der konkreten Mietsache alle gastronomischen Betriebe betrifft, keinen Mietmangel3.
Ebenso wenig geht das Oberlandesgericht Köln davon aus, dass ein zu Minderung berechtigender sog. Umwelt- oder Umfeldmangel deshalb vorliegt, weil der Publikumsverkehr infolge der pandemiebedingten behördlich verordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens gezielt und gewollt vermindert wurde. Zwar können bestimmte äußere Einflüsse oder Umstände einen Fehler des Mietobjekts begründen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden ist allerdings stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache erforderlich, wohingegen Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sind4. Ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem von den Parteien vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand5. Die Einschränkung des Publikumsverkehrs aufgrund der Corona-Pandemie und der hoheitlichen Anordnungen im Wege der Coronaschutzverordnung stellt indes insoweit keine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit der gemieteten Räume zu dem vertraglich vereinbarten Zweck als Geschäftslokal zum Betrieb eines Gastronomiebetriebs dar. Eine solche Nutzung war – prinzipiell – auch weiterhin möglich, die Mieträume waren speziell in den nicht von einem Lockdown betroffenen Monaten und Zeiträumen unter Beachtung der Coronaschutzverordnung frei zugänglich und zumindest der sogenannte „Außer-Haus-Verkauf“ war zu keinem Zeitpunkt untersagt, selbst im Rahmen des „Lockdown“ (vgl. § 14 Abs. 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO, in der ab dem 02.11.2020 in Kraft getretenen Fassung vom 30.10.2020, GV NRW S. 1044b ff.). Die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts wird insofern von derartigen Maßnahmen nicht in Frage gestellt. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein6. Soweit die Gewährleistung einer höchstmöglichen oder mit Mindestgrenzen zugrunde gelegten Besucher-Kundenfrequenz nicht vertraglich konkret vereinbart ist, haben die Vertragsparteien diese grundsätzliche vertragliche Risikoverteilung hinsichtlich des reinen Verwendungsrisikos jedenfalls nicht ersichtlich zu Lasten des Vermieters geändert. Die vom Vermieter geschuldete Hauptleistung schließt es insoweit nicht ein, die pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkungen zu beseitigen bzw. für die Folgen der Nichtbeseitigung im Gewährleistungswege einzustehen.
Auch soweit der Beklagte einen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage haben mag, führt dies jedenfalls im Streitfall weder dazu, dass der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen vom 16.11.2020 und 18.03.2021 jeweils bestehende Zahlungsrückstand von seinem Umfang eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt hätte, noch dazu, dass der Zahlungsrückstand rechtzeitig im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 2 BGB zurückgeführt worden wäre.
Das Oberlandesgericht Köln hält es zwar grundsätzlich für möglich, dass aufgrund behördlich verhängter Beschränkungen insbesondere etwa im Gastronomiegewerbe eine Anpassung des geschuldeten Mietzinses nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geboten sein kann, namentlich soweit die Mietsache infolge behördlicher Schließungsanordnungen nicht ihrem mietvertraglichen Zweck entsprechend benutzt werden darf, § 313 BGB, gegebenenfalls – ausnahmsweise – auch über die Zeiten von Schließungsanordnungen hinaus, wobei beides aber im Streitfall nicht abschließend entschieden werden muss.
Insbesondere im Falle von zeitlich nicht völlig zu vernachlässigenden Schließungsanordnungen, tendenziell aber auch im Falle von pandemiebedingten, deutlich spürbaren hoheitlich verordneten Gebrauchsbeschränkungen, wird regelmäßig zumindest davon auszugehen sein, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags im Sinne von § 313 BGB geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben.
Ob dies jeweils aus Artikel 240 § 7 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.20207 folgt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn diese Vorschrift erst ab dem 31.12.2020 gilt (und damit erstmals während des bereits in Nordrhein-Westfalen im Wesentlichen seit dem 02.11.2020 bestehenden Lockdowns im Gastronomiegewerbe eingeführt wurde), bringt sie einen bereits zuvor, nämlich schon während des ersten Lockdowns im März/April 2020, gültigen Rechtsgedanken zum Ausdruck. So lässt sich auch den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass es sich um eine Klarstellung der Rechtslage handeln soll8. Nach dieser Vorschrift wird vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, sofern vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Dasselbe Ergebnis ergäbe sich nach Einschätzung des Senates allerdings auch bei unmittelbarer Anwendung von § 313 BGB. Denn die Möglichkeit eines gesamtwirtschaftlich gesehen „geregelten Geschäftsbetriebs“ dürfte unabhängig von dem Gesetz vom 22.12.2020 als sog. „Große Geschäftsgrundlage“ im Sinne einer gemeinsamen Vorstellung der Parteien im Sinne von § 313 BGB anzuerkennen sein, dass es während der Vertragslaufzeit nicht zu einer Pandemie kommen wird, die sich ganz erheblich und weltweit auf den Handel und die sonstige Geschäftstätigkeit auswirkt und dass ein geregelter Geschäftsbetrieb überhaupt möglich ist/bleibt9.
Auch wird man bei den konkreten Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht von einem Umstand auszugehen haben, der nach der vertraglichen Risikoverteilung grundsätzlich eindeutig nur vom Vermieter oder nur vom Mieter allein zu tragen und daher von vornherein unbeachtlich ist. Denn wenn auch das grundsätzliche Verwendungsrisiko im Sinne der allgemeinen wirtschaftlichen Verwendbarkeit und Rentabilität vom Mieter zu tragen ist (s.o.), so gilt diese Überlegung doch nicht grenzenlos. Ohnehin geht das Oberlandesgericht Köln davon aus, dass die Grundannahme des Ausbleibens einer Pandemie zur sogenannten „Großen Geschäftsgrundlage“ zählen würde, doch kann das mit der Störung der „Großen Geschäftsgrundlage“ verbundene Risiko regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden10. Der aufgrund der Pandemie staatlich angeordnete Lockdown stellt einen derart tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit dar, dass – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen sind. Umgekehrt haben auch beide Seiten des Mietvertrages grundsätzlich von dem bisherigen Ausbleiben einer Pandemie profitiert. So konnten nämlich auch Vermieter von Geschäftsräumen die vertraglich vereinbarten Mieten in der Vergangenheit nur deswegen am Markt durchsetzen, weil Mieter grundsätzlich die Möglichkeit hatten, in den Räumen Umsätze zu erzielen, die die daraus erwirtschafteten Mieten ermöglichen. Ungeachtet aller in allgemeiner Form getroffenen Vorhersagen von Institutionen des RKI, der WHO oder anderen Stellen aus vorpandemischen Zeiten zur etwaigen Wahrscheinlichkeit des künftigen Auftretens einer Pandemie sind dem Senat aus seiner bisherigen Tätigkeit oder sonstigen Quellen keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien von Gewerberaummietverträgen in der Vergangenheit das Risiko einer Pandemie auch nur mittelbar oder am Rande in ihre Verhandlungen oder Kalkulationen über die Höhe des Mietzinses je einbezogen hätten. Wenn und soweit alsdann die Gewinnerzielung unabhängig von der Person des Mieters und des von ihm betriebenen Unternehmens aufgrund der nachträglichen Realisierung eines praktisch kaum kalkulierbaren Risikos nicht mehr möglich ist, weil (hoheitlich) branchenübergreifend Schließungen angeordnet werden und die Bevölkerung zum Daheimbleiben aufgefordert wird, so muss sich dies nach in Rechtsprechung und Lehre vertretener Auffassung11, der auch das Oberlandesgericht Köln zuneigt, auch auf die Miethöhe und damit mittelbar auch auf die Risikozuweisung für Pandemiefolgen auswirken.
Allerdings kommt auch dann, wenn eine nachträgliche Änderung von gemeinsam zugrunde gelegten Umständen vorliegt, eine Anpassung des Vertrages nur in Betracht, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar erscheint, so das Oberlandesgericht Köln.
Die Prüfung dieser Voraussetzung erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Vorteile, die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind12.
Für Zeiten in denen eine staatliche Schließungsanordnung verhängt ist, wird zwar tendenziell die Unzumutbarkeit eines gänzlich unveränderten Festhaltens am Vertrag für Inhaber von Gastronomiebetrieben auch dann zu bejahen sein, wenn und soweit ihnen der Außer-Haus-Verkauf weiterhin gestattet ist, sofern dies nicht ohnehin nach dem Vertragszweck die eigentlich vorgesehene Nutzung der Mietsache sein sollte (etwa bei einem Pizza-Express). Jenseits der Zeiten, in denen Schließungsanordnungen verhängt sind, wird eine Anpassung des Vertrages hingegen für Zeiträume lediglich anderweitiger behördlich verordneter Beschränkungen mit Blick auf die Corona-Pandemie allenfalls ausnahmsweise und nur unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles anzunehmen sein, wenn dies unter umfassender Abwägung aller Interessen allein vertretbar erscheint.
Hierbei können zugunsten des Mieters naturgemäß erhebliche Umsatzeinbußen, wenn und soweit diese auf behördlich angeordneten Maßnahmen beruhen und nicht lediglich mittelbare Auswirkungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage sind, durchaus als wesentlicher Nachteil im Rahmen der Zumutbarkeitsbewertung berücksichtigt werden. Umgekehrt müssten aber auch erhaltene oder aber zwar beanspruchbare, aber zurechenbar dennoch nicht beantragte staatliche Hilfszahlungen in die Bewertung einfließen. Denn der Gesetzgeber hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen der pandemiebedingten Betriebsschließungen für die betroffenen Unternehmen abzufedern. Insbesondere ist allgemein zugänglichen Quellen, insbesondere den Veröffentlichungen der Bundesregierung sowie des BMWi zu entnehmen, dass etwa im Rahmen der sogenannten November- und Dezemberhilfen des Bundes Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, die von den temporären Schließungen ab 02. November 2020 erfasst waren, Zuschüsse pro Woche der Schließung bis zu 75% des jeweiligen Umsatzes im November bzw. Dezember 2020 bewilligt werden sollten. Hinzu kommen die später beschlossenen Maßnahmen (Überbrückungshilfe II und III), wobei die Anträge zumindest vor der zweiten Kündigung vom 18.03.2021 gegebenenfalls hätten gestellt werden können. Auch auf Landesebene wurden seit Beginn der Pandemie staatliche Hilfen zugesagt, wie etwa entsprechend dem Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW (-VA2-81.11.14-) vom 24. August 2020, der sich auf die Überbrückungshilfe für die erste Phase der Pandemie bezieht. Hinsichtlich all dieser etwaigen staatlichen Hilfen ist allerdings weder etwas dazu vorgetragen noch anderweit ersichtlich, welche dieser Hilfen der Beklagte beantragt und gegebenenfalls auch erhalten hat (bzw. ob eine Antragstellung unterblieben ist und wenn ja, weshalb).
Schließlich wäre, so das Oberlandesgericht Köln weiter, auch zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Mieter durch weitere zumutbare Maßnahmen, insbesondere etwa Kurzarbeit für seine Mitarbeiter oder gar Freistellung, seine Betriebskosten hätte senken können. Auch die Möglichkeiten der Erlangung von Kurzarbeitergeld wurden von der Bundesregierung bekanntlich deutlich erweitert. Auch diesbezüglich fehlt jegliches Vorbringen des Beklagten im konkreten Fall.
Einstweilen kann daher nach Aktenlage nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln für den Gastronomiebetrieb des Beklagten keine in seinem Sinne günstige Aussage getätigt werden, wobei nicht entscheiden werden muss, so das Oberlandesgericht Köln weiter, ob die Grenze der Unzumutbarkeit erst überschritten wird, wenn die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters droht13. Wenn und soweit allerdings ein Mieter geltend machen möchte, dass er infolge pandemiebedingter Auswirkungen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB hat, so kann das Gericht die Interessenabwägung in seinem Sinne nur dann vornehmen, wenn er schlüssig und substantiiert dazu vorträgt, dass und gegebenenfalls inwieweit seine Umsätze durch die Pandemie während der Zeiten behördlich verordneter Beschränkungen zurückgegangen sind. Bei der Abwägung im Rahmen der Zumutbarkeit kommt es auf eine umfassende Bewertung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Mieters an. Für die Umstände, auf die die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werden soll, ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich darauf beruft 14, insoweit im Streitfall dem die Anpassung gegebenenfalls anstrebenden Mieter.
Bislang sind hierzu keine brauchbaren Anhaltspunkte vorgetragen oder prüfbare Unterlagen vorgelegt. Vielmehr hat der Beklagte lediglich pauschal auf die Folgen der Corona-Pandemie Bezug genommen und sich auf gerichtsbekannte Einschränkungen des allgemeinen Wirtschaftslebens und die Schließung des Betriebes des Beklagten berufen, ohne konkret zu den eigenen Umsatzzahlen, zu staatlichen Hilfen und sonstigen Maßnahmen vorzutragen.
Als Folge hiervon ist nach Aktenlage von einem nicht anzupassenden Mietzins für die Monate September und Oktober 2020 auszugehen und von einem – höchstens – um 50% zu ermäßigenden Mietzins für den Monat November 2021. Weil und soweit die Zahlung für November 2020 allerdings erst im Dezember 2020 erfolgt sein soll, wäre entsprechend dem oben Gesagten selbst bei dem Beklagten günstiger Annahme einer Reduzierung des Mietzinses nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht davon auszugehen, dass bereits mit der für den 23.11.2020 behaupteten Zahlung der Miete für September und Oktober 2020 eine für § 543 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche „vorherige“ Befriedigung der Vermieterin durch vollständige Zahlung gegeben wäre. Denn der Mietrückstand für die Novembermiete wäre jedenfalls nicht vor Zugang der Kündigungserklärung getilgt worden.
Soweit sich der Beklagte zumindest mittelbar darauf berufen möchte, dass er aus dem Zeitraum des sog. ersten Lockdown (vom 22.03. – 10.05.2020) Überzahlungen geleistet habe, so ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch dies einer Kündigung am 16.11.2020 nicht entgegenstand: die vom Beklagten vorgetragene Zahlung des vollständigen Mietzinses in der vorgenannten Zeit mag zwar aufgrund des Umstandes, dass jedenfalls im April 2020 eine vollständige Schließung des Gaststättenbetriebs zu verzeichnen war, nach Maßgabe der obigen Ausführungen zu einer Überzahlung der Miete im Monat April um 50% geführt haben (soweit der Zeitraum im März bzw. Mai 2020 betroffen ist, käme nach Aktenlage allenfalls eine herabsetzende Anpassung des Mietzinses um jeweils ca. 13 % in Betracht, sofern man eine Schließung für 10 Tage im März bzw. Mai als hinreichend beeinträchtigend ansieht, dass die unangepasste Mietzinshöhe unzumutbar im oben genannten Sinnne wäre). Ein entsprechender Gegenanspruch des Beklagten nach § 812 Abs. 1 BGB hätte indes gemäß § 543 Abs. 2 S. 3 BGB unverzüglich aufgerechnet werden müssen, wofür indes nichts vorgetragen ist (dessen ungeachtet ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch eine unverzüglich nach dem 16.11.2020 erfolgende Aufrechnung mit einem etwaigen Gegenanspruch auf Rückzahlung eines Teils der April-Miete für 2020 den zum 16.11.2020 bestehenden Zahlungsrückstand lediglich zu einem kleineren Teil getilgt hätte, so dass selbst eine rechtzeitige Aufrechnung die Kündigung nicht unwirksam gemacht haben würde und selbst unter Hinzudenken von weiteren Anpassungsbeträgen für März und Mai 2020 (s.o.) wäre von dem Rückstand immer noch weniger betroffen als eine Monatsmiete ausgemacht haben würde).
Soweit der Beklagte andeutungsweise die Auffassung vertritt, der Mietzins sei aufgrund der mit den behördlichen Maßnahmen einhergehenden Beschränkungen möglicherweise erst später fällig geworden als jeweils zu Beginn der Monate September bis November 2020, kann dahinstehen ob damit die Einrede eines Anspruches auf Stundung gemäß § 313 BGB erhoben werden soll. Unabhängig davon, ob der Mieter in Pandemiekonstellationen einen Anspruch auf Stundung eines Teils des Mietzinses hat und ob dies gegebenenfalls dazu führen würde, dass auch der nach § 313 BGB gegebenenfalls herabzusetzende Teil der Miete noch zu stunden wäre, handelt es sich jedenfalls um eine dilatorische Einrede, die dem kündigungsrelevanten Verzug im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB nur dann entgegenstünde, wenn sie rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung erhoben wird. Dafür liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor.
Oberlandesgericht Köln, Hinweisbeschluss vom 31.05.2021 – 22 U 205/20
ECLI:DE:OLGK:2021:0531.22U205.20.00
- LG Köln, Urteil vom 19.11.2020 – 2 O 284/19 [↩]
- OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20; i.E. auch OLG Dresden Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20; KG Berlin, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20; Häublein/ Müller, „Wer trägt das Pandemierisiko in der Geschäftsraummiete?“ NZM 2020, 481 [↩]
- ebenso wohl Blank/Börstinghaus in: Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, § 535 Rn. 749; Streyl, in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 3 Rn. 72; Rieger: Verpflichtung zur Zahlung vereinbarter Geschäftsraummieten in Zeiten der Covid-19 Pandemie und eines „Lockdowns“ – Auswirkungen auf zukünftige Insolvenzverfahren, NJOZ 2021, 193; Sittner: Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169 [↩]
- BGH, Urteile vom 10.10.2012 – XII ZR 117/10, NJW 2013, 44; vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97 -, NZM 2000, 492 [↩]
- BGH, Urteil vom 10.10.2012 – XII ZR 117/10, NJW 2013, 44 [↩]
- BGH, Urteile vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09, NZM 2011, 727; vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NZM 2000, 492; Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169 [↩]
- BGBl. I 2020, Seite 3328 [↩]
- BT-Drs. 19/25322 S. 14 [↩]
- so etwa Häublein/ Müller, NZM; 2020, 481 ff. [487 ff.]; Streyl, NZM 2020, 817 [821 ff.] [↩]
- KG Berlin, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20 [↩]
- OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20; OLG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2021 – 2 U 143/20; OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20; KG Berlin, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20; Häublein/Müller, NZM; 2020, 481; Streyl, NZM 2020, 817 [↩]
- BGH, Urteil vom 11.10.1994 – XI ZR 189/93; OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20 [↩]
- dagegen auch OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20; KG Berlin, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20 [↩]
- BGH, Urteil vom 08.11.2002 – V ZR 398/01 [↩]