Die Freie Hansestadt Bremen hat vor dem Sozialgericht Bremen verloren und wurde verpflichtet, eine Feststellung des Grades der Behinderung bei einer unter Epilepsie leidenden iranischen Klägerin vorzunehmen, die sich seit 1995 im ausländerrechtlichen Status der Duldung in Deutschland aufhält.
Voraussetzung für eine solche Feststellung ist insbesondere, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt (oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz) rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland hat. Ein Ausländer hält sich in der Regel dann nicht gewöhnlich in Deutschland auf, wenn sein Aufenthalt hier nur geduldet ist. Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn ein Ausländer nicht mit einer Abschiebung in sein Heimatland zu rechnen braucht, weil der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat.
Im entschiedenen Falle hatte das Versorgungsamt Bremen eigene Feststellungen hierüber abgelehnt mit Hinweis darauf, dass sich die Versorgungsverwaltung insoweit grundsätzlich an der Entscheidung der Ausländerbehörde zu orientieren habe, deren Überprüfung ihr kaum möglich sei.
Das Sozialgericht Bremen hat demgegenüber deutlich gemacht, dass das Versorgungsamt eine eigene Prüfung durchzuführen hat, ob ein geduldeter Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die vom Versorgungsamt Bremen aufgestellte Vertrauensäußerung, im Falle des Vorliegens lediglich einer Duldung sei stets davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde Bremen bereits sorgfältig die Möglichkeiten der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geprüft und abschlägig entschieden habe, entbehre jeder tatsächlichen Grundlage. Speziell bei der Ausländerbehörde Bremen träten gerichtsbekannte desolate Zustände in der Personal- und Entscheidungslage mit zum Teil jahrelangen Bearbeitungsrückständen auf. Die iranische Klägerin hat bereits im September 2007 bei der Ausländerbehörde Bremen einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, über den bisher nicht entschieden worden ist. Behinderte Ausländer könnten aber nicht während der Zeiträume des von ihnen nicht zu vertretenden Organisationsverschuldens der Ausländerbehörde Bremen von den Vorteilen des Schwerbehindertenrechts ausgeschlossen und das Versorgungsamt einer eigenständigen Prüfung enthoben werden.
Im entschiedenen Falle hat das Sozialgericht Bremen bestätigt, dass die iranische Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und daher eine Feststellung ihres Grades der Behinderung vorzunehmen ist: Diese lebt seit mindestens 14 Jahren in der Bundesrepublik, ihre Abschiebung kann schon aufgrund fehlender Pass- bzw. Passersatzpapiere nicht durchgeführt werden, und angesichts ihrer Erkrankungen ist in absehbarer Zeit mit einer Abschiebung nicht zu rechnen. Schließlich hat sie auch ihre Passlosigkeit als Abschiebungshindernis nicht selbst zu vertreten.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ist anhängig unter dem Aktenzeichen L 12 SB 56/09.
Sozialgericht Bremen, Gerichtsbescheid vom 13. August 2009 – S 19 SB 3/09