Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen Nichteinräumung eines Datenzugriffs nach § 146 Abs. 2b AO ermessensgerecht sein muß.
Nach § 146 Abs. 2b AO gilt folgendes:
Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.
Räumt der Steuerpflichtige der Finanzbehörde einen entsprechenden Zugriff hierauf nicht ein, kann ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden.
Hierüber stritten die Parteien in dem nun vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall.
Konkret ging es um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes, das vom Beklagten aufgrund der Nichteinräumung eines Datenzugriffs nach § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 4.000 € festgesetzt wurde.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar und betreut auch steuerrechtliche Mandate. Er übt seine Tätigkeit in Kanzleiräumen einer GbR aus. Er wird beim Finanzamt W-Stadt (Wohnsitzfinanzamt) für Einkommensteuerzwecke gemeinsam mit seiner Ehefrau sowie für Umsatzsteuerzwecke geführt.
Nach entsprechender Beauftragung durch das Wohnsitzfinanzamt ordnete der Beklagte die Durchführung einer Außenprüfung mit dem Prüfungsgegenstand Einkommensteuer bzw. Umsatzsteuer zunächst für die Jahre 2007 bis 2011 an. Diesen Prüfungsanordnungen waren allgemeine Hinweise zum Datenzugriffsrecht beigefügt.
Nachdem sich der Kläger erfolglos gegen die Prüfungsanordnung und andere damit verbundene Einzelmaßnahmen gewehrt hatte, versuchte der Prüfer mehrfach vergeblich, mit dem Kläger Termine abzustimmen, um die Prüfung fortzusetzen. Mehrere Anforderungen des Prüfers, Buchführungsunterlagen in digitaler Form vorzulegen, hob er nach Anfechtung durch den Kläger wieder auf. Insgesamt zog sich Gegen eine weitere Aufforderung zur Vorlage von Daten legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Ohne hierüber entschieden zu haben, setzte das Finanzamt zwei Wochen nach Fristablauf wegen der Nichteinräumung des Datenzugriffs ein Verzögerungsgeld in Höhe von 4.000 € gegen den Kläger fest. Hierbei stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass beim Kläger eine potentielle Wiederholungsgefahr in Bezug auf die von ihm betreuten steuerlichen Mandate vorliege, der Kläger sich hartnäckig geweigert habe, die digitalen Daten vorzulegen und er die Gründe für die Verzögerung nicht ausreichend entschuldigt habe.
Die hiergegen erhobene Klage hatte beim Finanzgericht Münster Erfolg.
Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € u. a. festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Pflichten zur Einräumung desDatenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt.
Dahinstehen kann, so das Finanzgericht Münster, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO– wie der Kläger in Abrede stellt – im Streitfall erfüllt sind.
Denn jedenfalls hat der Beklagte (das Finanzamt) sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weshalb es des vom Kläger im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen X R 8/18 anhängigen Revisionsverfahren1beantragten Ruhens des Verfahrens nicht bedurfte.
Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert eine zweifache Ermessensentscheidung des Finanzamts, erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens – falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird – eine Entscheidung über die Höhe des Verzögerungsgelds innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 €2.
Die von dem Finanzamt zu treffende Ermessensentscheidung bei der Anwendung des § 146 Abs. 2b AO ist durch die Finanzgerichte gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar.
Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das Finanzamt von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) bzw. ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat2.
Für die gerichtliche Kontrolle ist – anders als die Vertreter der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen in der mündlichen Verhandlung offenbar meinen – die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Denn Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, d. h. der Einspruchsentscheidung, gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO).
Da § 146 Abs. 2b AO mit Ausnahme der Ermessensgrenzen hinsichtlich der Höhe des Verzögerungsgelds keine konkreten Ermessensvorgaben enthält, hat das Finanzamt (hier der Beklagte) die doppelte Ermessensentscheidung gemäß § 5 AO entsprechend dem Zweck der Regelung und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben.
Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert, dass das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet ist, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss2.
Die Ermessenserwägungen sind sowohl bei der Ausübung des Entschließungsermessens als auch bei der Ausübung des Auswahlermessens anzustellen. Da das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen überhaupt ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab dieser Ermessensentscheidung des Finanzamts sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) – unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft – grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt. Eine Vorprägung des Entschließungsermessens ist aber auch dann zu verneinen, wenn ausreichende Gründe für eine entschuldbare Fristversäumnis weder vorgetragen noch festgestellt werden – so das Finanzgericht Münster weiter. Auch wenn die angeforderten Unterlagen schuldhaft nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden, folgt daraus nicht, dass ein Verzögerungsgeld nunmehr zwingend im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null festzusetzen ist. Auch bei schuldhafter Nichtvorlage der Unterlagen ist stets eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls erforderlich2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte bei der Ausübung seines Entschließungsermessens in einer nicht dem Zweck der Ermessensnorm entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
So ist eine sachfremde und mithin bereits für sich genommen die Fehlerhaftigkeit des Entschließungsermessens begründende Erwägung, dass der Beklagte auf die Tätigkeit des Klägers als Fachanwalt für Steuerrecht und dessen Mandatierung zur Vertretung bei Finanzbehörden und die daraus folgende besondere Bedeutung des Falles abgehoben hat.
Soweit der Beklagte deswegen „einer Ausweitung der seitens des (Klägers) in eigener Sache offenbarten Verweigerungshaltung dem Datenzugriff des (Beklagten) gegenüber auf dessen steuerliche Mandate“ durch die Festsetzung des Verzögerungsgeldes– gleich einer Generalprävention – vorbeugen möchte, hat der Beklagte den Zweck des Verzögerungsgeldes nicht hinreichend berücksichtigt.
Denn ausweislich der gesetzgeberischen Intention wird mit dem Verzögerungsgeld ein doppelter Zweck verfolgt.
So soll der Steuerpflichtige zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten angehalten werden3, des Weiteren soll aber auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten sanktioniert werden. Die Ermessenserwägungen zur Festsetzung des Verzögerungsgelds sind daher insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten2.
Folglich muss bei Ausübung des Entschließungsermessens das Ausmaß der Beeinträchtigung der konkreten Außenprüfung Maßstab sein2. Präventive Maßnahmen mit Beugecharakter bzw. Sanktionierungen für – ggf. nur antizipierte – Verletzungen von Mitwirkungspflichten außerhalb der konkreten Außenprüfung verbieten sich daher (ebenso auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.09.2011, Referat IV A 4, Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de, Stichwort „Verzögerungsgeld“, wonach ausweislich der Antwort zur Frage 15 das Verzögerungsgeld im Nachgang zu einer Pflichtverletzung festgesetzt werden soll).
Abgesehen davon hat der Beklagte auch nicht im Ansatz erkennen lassen, so das Finanzgericht Münster, auf welche Tatsachen- bzw. Prognosegrundlage er die offenkundig von ihm zugrunde gelegte Annahme stützt, der Kläger könne – in seiner vom Beklagten offenbar angenommenen Funktion als Vertreter und Multiplikator – seine „hartnäckige“ Verweigerungshaltung auf weitere Steuerpflichtige übertragen. Den bloßen Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zugleich Vertreter in steuerlichen Verfahren sein kann, hält der Senat für sich besehen nicht für ausreichend, um die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes zu begründen.
Unabhängig davon hat der Beklagte auch nicht – wie es jedoch erforderlich gewesen wäre2 – in seine Ermessenserwägungen einbezogen, dass der Kläger gegen die Verfügung vom 02.08.2016 Einspruch eingelegt und AdV beantragt hat und über beide Rechtsbehelfe weder zum Zeitpunkt des Fristablaufs am 29.08.2016 noch zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2017 entschieden worden war.
Eine Entscheidung über den AdV-Antrag ist nach Aktenlage auch bis heute nicht erfolgt. Der Beklagte hat insoweit keine Entscheidungen getroffen, wozu er aber auch nach Auffassung der Finanzverwaltung unverzüglich gehalten gewesen wäre (vgl. Anwendungserlass zur AO, Nr. 3.1 zu § 361). Einen stillschweigend erlassenen Verwaltungsakt kennt die AO aber nicht. In dem bloßen Schweigen der Finanzbehörde aufeinen gestellten Antrag kann daher grundsätzlich kein stillschweigender (ablehnender) Verwaltungsakt gesehen werden4. Die Einspruchsentscheidung vom 06.09.2016 betraf den am 16.06.2016 eingegangenen Einspruch des Klägers gegen die „Anfrage 4– neu – der laufenden Betriebsprüfung“ vom 23.05.2016.
Ist aber noch nicht einmal über den AdV-Antrag zur Verfügung vom 02.08.2016 entschieden, hätte es in Bezug auf das Entschließungsermessen des Beklagten angesichts der vom Kläger behaupteten Rechtswidrigkeit der vom Beklagten ergriffenen Maßnahmen weiterer Ausführungen dazu bedurft, weshalb er meint, auf die Verfügung vom 02.08.2016 weitere belastende Maßnahmen stützen zu können. Der Kläger hat mit seinem AdV-Antrag klar zum Ausdruck gebracht, dass die Verfügung vom 02.08.2016 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf. Der Beklagte hätte sich – wenn er das anders sieht – jedenfalls inhaltlich mit dem AdV-Antrag auseinandersetzen müssen,bevor er auf der Grundlage der Anordnung vom 02.08.2016 ein Verzögerungsgeld zu Lasten des Klägers festsetzt und damit zum Ausdruck bringt, die Verfügung sei sehr wohl rechtmäßig und damit im weitesten Sinne vollziehbar.
Nichts anderes würde gelten, wenn – woran der Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle sich ausweislich seiner Äußerung in der mündlichen Verhandlung meint erinnern zu können – über den Einspruch am 10.07.2017 entschieden worden wäre. Denn auch dann wären – aus gleichen Gründen – in der bereits zuvor ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.01.2017 Ermessenserwägungen dazu erforderlich gewesen, weshalb vom Beklagten auf die Verfügung vom 02.08.2016 weitere belastende Maßnahmen gestützt werden sollten.
Insoweit wäre auch nicht relevant, wenn sich der Verwaltungsakt vom 02.08.2016 – wie der Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – mit Ablauf des 29.08.2016 i. S. des § 124 Abs. 2 AO erledigt hätte und daher nicht nur der Einspruch vom 25.08.2016, sondern gerade auch der in diesem Zusammenhang gestellte AdV-Antrag – mangels Rechtsschutzbedürfnisses oder aus sonstigen Gründen – unzulässig geworden wären. Denn gerade bei Erledigung eines Verwaltungsaktes wäre die Wahl eines Beugemittels wie das Verzögerungsgeld zur Durchsetzung des erledigten Verwaltungsaktes ermessenswidrig.
Ungeachtet des Vorstehenden sind auch die Erwägungen des Beklagten zu den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung(en) des Klägers ermessensfehlerhaft, denn der Beklagte unterscheidet hier nicht hinreichend zwischen der Nichteinräumung des Datenzugriffs einerseits und dem verzögerten Prüfungsbeginn (behauptete Verweigerungshaltung des Klägers) andererseits.
Anlass für die Festsetzung des streitbefangenen Verzögerungsgeldes war die Nichteinräumung des Datenzugriffs.
Dies folgt nicht nur aus dem Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes vom 13.09.2016 (Seite 1: „… meinen wiederholten Aufforderungen, zuletzt vom 02.08.2016, zur Einräumung des Datenzugriffs … sind Sie innerhalb der gesetzten Fristen (zuletzt bis zum 29.08.2016) bisher nicht nachgekommen. Daher setze ich … wegen Nichteinräumung des Datenzugriffs … ein Verzögerungsgeld … fest.“; Seite 2: „Die Befugnis … ergibt sich aus §§ 146 Abs. … 2a, § 147 Abs. 6 … AO….“; Seite 3: „Durch Ihre fehlende Bereitschaft, die angeforderten Daten, wie auch andere bereits angeforderte Unterlagen außerhalb der Räume der o. b. Kanzlei zur Verfügung zu stellen, ist die Prüfung nur nach Terminabsprache mit Ihnen möglich. Aber gerade diese Terminabsprache kommt aus Gründen, die Sie zu vertreten haben, nicht zustande, weil Sie vorgeschlagene Termine nicht akzeptieren und selbst keine Terminvorschläge unterbreiten…. Da die digitalen Grundaufzeichnungen das Kernelement einer Außenprüfung sind, verhindern Sie durch die Weigerung, diese zur Verfügung zu stellen, jedwede weitere Prüfungstätigkeit. Deshalb ist ein Verzögerungsgeld vorrangig vor anderen zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten festzusetzen. Bei der Bemessung des Verzögerungsgelds wurden die bereits eingetretene erhebliche Verzögerung, die elementare Bedeutung des Datenzugriffs für die gesamte Prüfung … berücksichtigt.“).
Gleiches ergibt sich aus der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2017 (Seite 6: „Insbesondere die Bedeutung der vorliegend angeforderten digitalen Grundaufzeichnungen als Kernelement einer zeitgemäßen Außenprüfung lässt es geboten erscheinen, den (Kläger) mittels eines wirksamen Beugemittels zur Wahrung der ihm gerade auch insoweit auferlegten Mitwirkungspflicht anzuhalten.“; Seite 7: „Die hartnäckige Weigerung des (Klägers), auch nur einen einzigen Terminvorschlag zur Einräumung des angeordneten Datenzugriffs zu unterbreiten… wiegt umso schwerer, als dieser seinerseits fordert, bei jeglichen Prüfungshandlungen persönlich zugegen zu sein.“; „Zur möglicherweise erforderlichen Aufbereitung dieser Daten … stand dem (Kläger) … jedenfalls ausreichend Zeit zur Verfügung. Der (Kläger) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er zur Verfügbarmachung erst mit dem 25.05.2016 (gemeint wohl: 23.05.2016) rechtswirksam aufgefordert worden sei. Denn die Absicht (,) den Datenzugriff geltend zu machen (,) ist dem (Kläger) bereits mit den ursprünglich ergangenen Prüfungsanordnungen angezeigt worden. Auch der … hinsichtlich der Prüfung der Einkommensteuer mehrfach verfügte Datenzugriff musste den (Kläger) spätestens nach Verkündung der Klageabweisung (der gegen die Prüfungsanordnungen erhobenen Klagen) … veranlassen, die entsprechende Aufbereitung seines steuerrelevanten Datenbestands zu beginnen.“; Seite 7 f.: „Angesichts der … Verweigerungshaltung des (Klägers), die sich sowohl in der mehr als einen Monat währenden Missachtung der ausdrücklichen Aufforderung, ersatzweise Terminvorschläge zur Einräumung des angeordneten Datenzugriffs zu unterbreiten, als auch in der wiederholt so kurzfristig wie unbegründeten Absage seitens des (Beklagten) festgelegter Zugriffstermine zeigt, … erscheint der Mindestbetrag des Verzögerungsgeldes von 2.500 € nicht ausreichend. Denn das Verzögerungsgeld soll dazu dienen, den (Kläger) zur Einräumung des angeordneten Datenzugriffs anzuhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade der Datenzugriff auf die steuerlich relevanten Aufzeichnungen grundsätzlich bereits zu Beginn der Prüfung bereitgestellt werden muss.“; Seite 8: „Im Sinne einer ökonomischen und rationellen Prüfungsdurchführung ist es nun …, unabdingbar, dass der angeordnete Datenzugriff unverzüglich eingeräumt wird. Daher gilt es, die mit der seitens des (Klägers) praktizierten Totalverweigerung de facto bestehende vollständige Blockade der Außenprüfung, als deren grundlegendes Element der Datenzugriff angeordnet ist, mit einer dem Ausmaß der zutage tretenden Verweigerungshaltung angemessenen Höhe des Zwangsgeldes zu begegnen.; „Soweit der (Kläger) anführt,…, ist dem entgegenzuhalten, dass das gegenständliche Verzögerungsgeld alleine darauf gestützt ist, dass der (Kläger) den angeordneten Datenzugriff am bestimmten Prüfungsort … nicht eingeräumt hat.“).
War aber die N i c h t e i n r ä u m u n g des D a t e n z u g r i f f s Anlass für die Festsetzung des Verzögerungsgeldes, ist die Erwägung des Beklagten ermessensfehlerhaft, die wiederholten V e r z ö g e r u n g e n des P r ü f u n g s b e g i n n s seien zum Anlass für die Festsetzung des Verzögerungsgeldes zu nehmen.
Denn damit verkennt der Beklagte das Ausmaß der Pflichtverletzung(en) des Klägers, die Anlass für die Festsetzung des Verzögerungsgeldes waren. Diese wiesen nämlich kein solches Ausmaß auf, dass die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes – wie der Beklagte meint – dem Grunde nach geboten erscheint.
Soweit nämlich der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung darauf abstellt, dass der Kläger einen für den 20.06.2016 anberaumten Termin zwei Tage zuvor abgesagt und den wiederholten Aufforderungen zur Mitteilung des Termins zur Prüfungsfortsetzung vor dem 01.08.2016 nicht nachgekommen sei, verkennt der Beklagte, dass er dem Kläger gar nicht verbindlich aufgegeben hatte, bis zum 01.08.2016 einen Datenzugriff zu ermöglichen (vgl. Seite 1 der „Anfrage 4 – neu – der laufenden Betriebsprüfung“ vom 23.05.2016: „Bitte halten Sie die im Folgenden genannten Unterlagen für einen anvisierten Termin zur Fortsetzung der Prüfung ab dem 20.06.2016 … in den Kanzleiräumen (der GbR) bereit. Sollte Ihnen eine Fortsetzung der Prüfung zu diesem Termin nicht möglich sein, bitte ich um einen Terminvorschlag Ihrerseits bis zum 10.06.2016. Der von Ihnen vorgeschlagene Termin zur Prüfungsfortsetzung sollte nicht nach dem 01.08.2016 liegen.“; Seite 2: „Zur Prüfung werden die Daten in digitaler Form auf einem maschinell verwertbaren Datenträger… benötigt. Die Herausgabe erfolgt nur zur Speicherung und Auswertung auf einem Rechner des Prüfers während der Prüfung in Ihren Geschäftsräumen.“).
Eine verbindliche Aufforderung zur Einräumung des Datenzugriffs bestimmte der Außenprüfer erst mit der Verfügung vom 02.08.2016, wobei der Außenprüfer dem Kläger insoweit eine Frist bis zum 29.08.2016 einräumte („Da der Termin zur Prüfungsfortsetzung … nicht einvernehmlich festgelegt werden konnte, bestimme ich nunmehr, dass die … Außenprüfung am … 29.08.2016 … fortgesetzt wird. Sorgen Sie bitte dafür, dass dem Prüfer alle bisher … angeforderten … Daten an diesem Tag am Prüfungsort (in den Räumlichkeiten der GbR) zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Sollte es aus Ihrer Sicht erneut nicht möglich sein, die Prüfungshandlungen an diesem Tag an dem … Prüfungsort (in den Räumlichkeiten der GbR) vorzunehmen, fordere ich Sie hiermit auf, die … Daten bis zu diesem Termin an (den Beklagten) zu senden, damit die Außenprüfung an Amtsstelle fortgesetzt werden kann.“).
Angesichts dessen stellt das Schreiben des Klägers vom 25.08.2016 – was die Einräumung des Datenzugriffs betrifft (und nur die ist maßgeblich) – keine „erneute kurzfristige Absage“ dar (so aber Seite 6 – unten – der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2017), sondern war in Bezug auf den mit Verfügung vom 02.08.2016 bestimmten Datenzugriff die e r s t e Ablehnung des Klägers. Dementsprechend war dessen Weigerung, einen Terminvorschlag zur Einräumung des angeordneten Datenzugriffs zu unterbreiten, entgegen der Auffassung des Beklagten insoweit gerade nicht als „hartnäckig“ zu qualifizieren.
Wegen der vorgenannten Verkennung des Ausmaßes der Pflichtverletzung des Klägers hat der Beklagte bei der Ausübung seines Entschließungsermessens überdies die Dauer der Überschreitung der auf den 29.08.2016 gesetzten Frist sowie die daraus folgenden Beeinträchtigungen für die Außenprüfung nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Fristüberschreitung betrug im Zeitpunkt der Festsetzung des Verzögerungsgeldes am 13.09.2016, in dem sich die Ausübung des Entschließungsermessens des Beklagten erstmalig manifestierte, gerade einmal rund zwei Wochen. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass die Auswirkungen auf die Außenprüfung gravierend waren und eine Festsetzung des Verzögerungsgeldes – wie es der Beklagte meint – geboten war.
Irrelevant ist insoweit, dass die Dauer der Fristüberschreitung im Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung weiter vorangeschritten und mithin die Beeinträchtigung für die Außenprüfung ein größeres Ausmaß erreicht hatte. Denn auch in der Einspruchsentscheidung hebt der Beklagte – im Vergleich mit dem Festsetzungsbescheid unverändert – darauf ab, dass der Kläger die Daten nicht bis zum 29.08.2016 zur Verfügung stellte sowie dass bei der Ausübung seines Entschließungsermessens auf das Verhalten des Klägers nach dem 23.05.2016 hinzuweisen sei.
Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen verkennt der Beklagte zudem hinsichtlich der Gründe der vom Beklagten geltend gemachten Pflichtverletzung(en) des Klägers, dass eine Vorprägung des Entschließungsermessens selbst dann zu verneinen ist, wenn ausreichende Gründe für eine entschuldbare Fristversäumnis weder vorgetragen noch festgestellt werden. Denn selbst wenn die angeforderten Unterlagen schuldhaft nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden, folgt daraus nicht, dass ein Verzögerungsgeld nunmehr zwingend im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null festzusetzen ist2. Dem wird aber die Erwägung des Beklagten nicht gerecht, nicht zuletzt angesichts der steten Unterlassung des Klägers auch nur der Andeutung eines Grundes für die wiederholte Bevorzugung angeblich anderweitiger Terminvereinbarungen erscheine es dringend geboten, der offenkundig gewordenen Verweigerungshaltung des Klägers ein wirksames Beugemittel entgegenzusetzen. Denn dadurch hebt der Beklagte entgegen der vorgenannten Rechtsgrundsätze im Kern gerade darauf ab, dass Gründe für eine Fristversäumnis weder vorgetragen noch entschuldbar seien.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 08.02.2019 – 4 K 590/17 AO
ECLI:DE:FGMS:2019:0208.4K590.17AO.00
- BFH – X R 8/18 [↩]
- BFH, Urteil vom 24.04.2014 – IV R 25/11, BFHE 245, 499, BStBl. II 2014, 819 [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩]
- BT-Drs. 16/10189, 81, sog. Beugecharakter [↩]
- BFH, Beschluss vom 16.06.2005 – VII B 273/04, BFH/NV 2005, 1747 [↩]