Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in der britischen Rechtssache „Cadbury Schweppes“ entschieden, dass es der Niederlassungsfreiheit zuwider läuft, wenn in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen, beherrschten Gesellschaft erzielten Gewinne einbezogen werden, weil diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung erstreckt sich auf rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme sei folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die beherrschte Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.
Hierzu hat das Bundesfinanzministerium in einem Rundschreiben (Schreiben vom 8. Januar 2007 – IV B 4 -S 1351 -1/07) jetzt für die Zeit bis zu einer gesetzlichen Umsetzung des EuGH-Urteils Anwendungshinweise für die Finanzverwaltung veröffentlicht. Danach sind die Bestimmungen der §§ 7 bis 14 AStG bis auf die nachfolgenden Einschränkungen weiter anzuwenden.
Ausnahme: Sind Einkünfte einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)1, ausgenommen Staaten, die keine steuerliche Amtshilfe leisten2, unter den Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 14 AStG bei einem inländischen Gesellschafter steuerpflichtig, dürfen Hinzurechnungsbeträge dennoch nicht nach § 18 AStG festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Gesellschaft eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Staat ausübt. Der Steuerpflichtige hat hierbei insbesondere nachzuweisen, dass
- die Gesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, am dortigen Marktgeschehen im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt,
- die Gesellschaft dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt,
- das Personal der Gesellschaft über die Qualifikation verfügt, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen,
- die Einkünfte der Gesellschaft ursächlich aufgrund der eigenen Aktivitäten der Gesellschaft erzielt werden,
- den Leistungen der Gesellschaft, sofern sie ihre Geschäfte überwiegend mit nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG betreibt, für die Leistungsempfänger wertschöpfende Bedeutung zukommt und die Ausstattung mit Kapital zu der erbrachten Wertschöpfung in einem angemessenem Verhältnis steht.
Im Übrigen kommt es -auch in Bezug auf den Umfang der zu fordernden Nachweise -auf die Umstände des Einzelfalls an.
Diese Ausnahmen gelten nicht
- für Einkünfte, die nur aufgrund des § 7 Abs. 6 AStG hinzurechnungspflichtig sind;
- für Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Staat außerhalb der EU oder des EWR, die gemäß § 14 AStG einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Staat der EU oder des EWR zuzurechnen sind; sowie
- für Einkünfte, die Betriebsstätten in Staaten oder Gebieten außerhalb der EU oder des EWR zuzurechnen sind.
Soweit hiernach Hinzurechnungsbeträge nicht festgestellt werden dürfen, kommt, darauf weist das Bundesfinanzministerium ausdrücklich hin, der Beachtung der Vorschriften über die Gewinnabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen bzw. verbundenen Unternehmen (§ 1 AStG; Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen entsprechend Artikel 9 OECD-Musterabkommen) besondere Bedeutung zu.
Diese Regelungen sind nach dem Willen des BMF auf alle Fälle anzuwenden, in denen die Einkommen-oder Körperschaftsteuer bisher noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.