Regelt eine örtliche Hundesteuersatzung die Höhe der Hundesteuer in der Weise, dass für weitere gehaltene Hunde jeweils gestaffelt höhere Steuerbeträge angesetzt werden, so wird die Frage interessant, wer bei mehreren in einem Haus lebenden Personen Hundehalter ist.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat nun entschieden, dass der Begriff des „Haushaltsmitglieds“ in einer kommunalen Hundesteuersatzung weiter gefasst sein darf als bei der Bestimmung einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II.
In dem entschiedenen Fall wandte sich die Klägerin gegen die Höhe der ihr gegenüber festgesetzten Hundesteuer für das Jahr 2012.
Sie bewohnt mit Frau B und vier Hunden – für die keine Haftpflichtversicherung besteht – ein Einfamilienhaus mit Freigelände. Das Haus hat ein gemeinsam genutztes Bad und eine Küche im unteren Geschoss, wo sich auch der Eingangsbereich und ein weiteres Zimmer befinden. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für alle vier Hunde oder nur für zwei Hunde steuerpflichtig ist.
Am 08.05.2009 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass in dem von Frau B und ihr bewohnten Anwesen vier Hunde gehalten würden. Mit Bescheid vom 12.02.2012 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Hundesteuer 2012 für alle vier Hunde fest mit folgender Staffelung: 42,00 € für den ersten Hund, 78,00 € für den zweiten Hund und jeweils 102,00 € für den dritten und vierten Hund. Die Klägerin erhob Widerspruch, zu dessen Begründung sie Ablichtungen von Tierausweisen vorlegte, in denen sie und Frau B jeweils für zwei der Hunde als Besitzerinnen ausgewiesen sind. Hierzu trug sie vor, zwei der vier Hunde gehörten nicht ihr, sondern Frau B. Mit dieser lebe sie in einer bloßen Wohngemeinschaft. Auch das Job-Center gehe nicht vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft aus.
Der Kreisrechtsausschuss wies den Widerspruch zurück. Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben und geltend gemacht, Frau B und sie wirtschafteten in zwei getrennten Haushalten. Frau B verfüge über ein abschließbares Schlafzimmer im Obergeschoss, ansonsten habe jeder die Bereiche des anderen zu respektieren. Sie selbst schlafe im unteren Geschoß in dem von der ARGE als Vorrats- und Abstellraum bezeichneten Zimmer auf einer Schlafcouch. Bad und Küche würden jeweils im Wechsel alle zwei Tage mit eigenen Reinigungsmitteln geputzt. Die Hunde würden grundsätzlich getrennt gefüttert und das Hundefutter getrennt erworben. Am Ende der Treppe, die in das obere Geschoß führe, sei eine Holztafel in Höhe von 1,20 m befestigt, die die Hunde abhalte.
Mit Urteil vom 25.09.2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, es liege ein Haushalt im Sinne des Hundesteuerrechts vor. Daher sei die Klägerin fiktive Halterin auch des dritten und des vierten Hundes.
Zur Begründung ihrer durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, für die Annahme eines Haushalts müsse eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft vorliegen. Letztere zeichne sich dadurch aus, dass nicht nur die Position des Obdachs und dessen Kosten geteilt würden, sondern auch das Hundefutter gemeinsam beschafft und die Hunde gemeinsam gefüttert würden. Allein die baulichen Verhältnisse könnten nicht entscheidend sein.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage § 5 Abs. 3 KAG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 . 1 und § 2 Abs. 3 der Hundesteuersatzung (im Folgenden: HStS) der Beklagten vom 07.11.2002. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 HStS ist Steuerschuldner der Halter des Hundes. Nach der Regelung in § 2 Abs. 3 S. 1 HStS gelten alle in einen Haushalt aufgenommenen Hunde als gemeinsam gehalten. Hieran schließt § 2 Abs. 3 S. 2 der Satzung die Rechtsfolge an, dass mehrere Personen, sofern sie gemeinsam, d.h. im Sinn von Satz 1 einen Hund oder mehrere Hunde halten, Gesamtschuldner sind. Im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 der Satzung erfüllt damit eine fiktive Haltereigenschaft den Tatbestand der Steuerschuld, ohne dass es einer Klärung bedarf, wer tatsächlicher Halter der fraglichen Hunde ist.
Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist die Klägerin zu Recht als „fiktive“ Hundehalterin auch für den dritten und vierten in der Wohngemeinschaft lebenden Hund herangezogen worden. Denn die Klägerin lebt mit Frau B und vier Hunden in einem Haushalt im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 HStS.
Ein einheitlicher Haushalt als Voraussetzung der „fiktiven“ Hundehaltereigenschaft von Haushaltsmitgliedern gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 HStS ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die herangezogenen Mitglieder des Haushaltes dem Hund Obdach gewähren, wenn also die Haltung des betreffenden Hundes aufgrund der baulich-räumlichen Verhältnisse jeweils nur im wechselseitigen Einvernehmen oder wenigstens mit Duldung der herangezogenen Haushaltsmitglieder erfolgen kann.
Dieser weite Haushaltsbegriff ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz von Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 3 HStS geboten. Die Vorschrift dient im Wesentlichen der Verwaltungspraktikabilität. Der Satzungsgeber geht dabei in zulässiger Weise von der gesicherten Erkenntnis aus, dass eine innerhalb einer bestimmten Personenmehrheit festgestellte Hundehaltung in diesem Gefüge von steuerrechtlicher Erheblichkeit sein wird, ohne dass eine Festlegung erfolgen muss, bei welchem Gemeinschaftsmitglied die Merkmale der Steuerschuld verwirklicht sind. Eine solche Normierungspraxis, bei der der tatsächliche Hundehalter in der Schwebe bleibt, ist dem Satzungsgeber nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung im Rahmen der ihm im steuerlichen Massengeschäft zuzubilligenden Generalisierungs- und Typisierungsfreiheit grundsätzlich erlaubt, wenn – wie hier – die steuerlichen Vorteile der Typisierung in einem angemessenen Verhältnis zu den mit ihr notwendig verbundenen Nachteilen stehen1.
Vor diesem Hintergrund soll die Fiktionsregelung in § 2 Abs. 3 HStS die Verwaltung von dem Erfordernis entlasten, in jedem Einzelfall durch eingehende Ermittlungen aufzuklären, wer tatsächlicher Hundehalter ist, wer also dem Tier tatsächlich „Obdach und Unterhalt“ gewährt1. Indem § 2 Abs. 3 HStS auf den gemeinsamen Haushalt abstellt, knüpft die Vorschrift allein an das Element des Obdachs an und befreit die Verwaltung damit von der Feststellung, welches Haushaltsmitglied dem Tier in welchem Umfang Unterhalt gewährt, wer also im Einzelnen für die Kosten der Hundehaltung aufkommt, wer den Hund angeschafft hat und wer dessen Eigentümer ist. Die Gewährung von Obdach rechtfertigt insoweit grundsätzlich die Annahme einer fiktiven Hundehaltereigenschaft und damit eine Heranziehung zur Hundesteuer, wenn der Satzungsgeber – wie hier in § 2 Abs. 3 S. 2 HStS – die Steuerschuld der fiktiven Haltergemeinschaft als Gesamtschuld ausgestaltet hat, so dass die steuerlichen Rechtsfolgen der Tierhaltung jedenfalls gemeinschaftsintern demjenigen zugeordnet werden können, der sie tatsächlich veranlasst hat1.
Kommt es folglich für die Annahme einer fiktiven Haltereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 HStS allein darauf an, dass die steuerpflichtige Person dem Hund Obdach gewährt, muss diese Frage anhand objektiver Anhaltspunkte beantwortet werden können. Hiernach gewährt eine Person einem Hund namentlich dann „Obdach“, wenn die baulich-räumlichen Verhältnisse so beschaffen sind, dass der Hund typischerweise nur mit ihrem Wissen und Wollen2 in den Haushalt aufgenommen werden kann, wenn also die baulich-räumlichen Verhältnisse so beschaffen sind, dass die Aufnahme des Hundes in den Haushalt die Duldung oder das Einvernehmen des herangezogenen Haushaltsmitglieds voraussetzt3.
Nach diesen Maßstäben wohnt die Klägerin mit vier Hunden in einem Haushalt im Sinne des § 2 Abs. 3 HStS und darf deshalb als Steuerschuldnerin herangezogen werden. Denn sie gewährt allen vier Hunden Obdach.
Die baulichen und räumlichen Verhältnisse in dem hier in Rede stehenden Einfamilienhaus sind nämlich so beschaffen, dass die Haltung von Hunden nur mit dem wechselseitigen Einvernehmen der Klägerin und ihrer Mitbewohnerin möglich ist. Insbesondere kann Frau B – deren tatsächliche Hundehaltereigenschaft hier gleichfalls offen bleibt – keine Hunde halten, ohne dass die Klägerin damit einverstanden wäre. Denn zumindest ein Teil der Räume wird gemeinsam, d.h. von allen zwei Personen und allen vier Hunden, genutzt. Das gilt insbesondere für die Küche und das Badezimmer, aber auch für den Außenbereich. Hinzu kommt, dass die Wohnbereiche nicht vollständig abgeschlossen und voneinander getrennt sind, weil man in den Wohnbereich von Frau B – der im Übrigen nicht mit einer Tür, sondern lediglich mit einem Brett vom unteren Bereich abgegrenzt ist – ausschließlich über eine Treppe Zutritt erlangen kann, die von der gemeinsam genutzten Küche im Untergeschoß in das Obergeschoß führt.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass ihr gemeinsamer Haushalt mit Frau B nicht als Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II angesehen werde, ist dies für die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des Hundesteuerrechts unerheblich. Denn das Sozialrecht stellt zusätzliche Voraussetzungen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft auf, die über das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts gerade hinausgehen, indem es auf eine Verwandtschafts- oder sonstige Nähebeziehung zwischen den Haushaltsmitgliedern sowie auf eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und den wechselseitigen Willen abstellt, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. § 7 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 3 a SGB II4). Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das sozialrechtliche Erfordernis einer über die bloße Haushaltsgemeinschaft hinausgehenden Wirtschaftsgemeinschaft. Leben die Klägerin und Frau B folglich nach Auffassung der ARGE bzw. des Jobcenters nicht in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II, so bedeutet dies folglich nicht, dass es bereits an einer Haushaltsgemeinschaft fehlt, sondern lediglich, dass die ARGE bzw. das Jobcenter keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne von § 7 SGB II angenommen hat. Eine solche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist für die Heranziehung zur Hundesteuer aus den oben genannten Gründen gerade nicht erforderlich.
Hiervon ausgehend kann offen bleiben, ob außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles eine Abweichung von der Fiktionsregelung in § 2 Abs. 3 HStS gebieten könnten, denn für solche Umstände ist hier jedenfalls nichts dargetan oder ersichtlich. Dies gilt unter dem Blickwinkel der Verwaltungspraktikabilität insbesondere angesichts dessen, dass die Klägerin zunächst von sich aus telefonisch ohne jede Einschränkung auf das Vorhandensein von vier Hunden in dem gemeinsam mit Frau B bewohnten Einfamilienhaus hingewiesen hatte, ohne dabei bereits die im Nachhinein erhobenen Einwände gegen die gemeinsame Heranziehung zur Hundesteuer geltend zu machen.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.05.2014 – 6 A 11242/13.OVG
- OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2009 – 6 A 10865/08 [↩] [↩] [↩]
- BayVGH, Beschluss vom 20.05.2008 – 4 ZB 07.2376 [↩]
- BVerwG, Beschluss vom 28.11.1997 – 8 B 224/97 [↩]
- BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R [↩]