Das Finanzgericht Köln hat entschieden, dass eine Klage nicht wirksam durch eine einfache email erhoben werden kann.
Nach § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Die Schriftform soll gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll gewährleistet werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist1. § 64 FGO normiert damit ein besonderes Formerfordernis, welches über die bloße Textform hinausgeht. Für eine wirksame Klage muss die Unterschrift bis zum Ablauf der Klagefrist vorliegen2.
Bei Klagen per (konventionellem) Telefax lässt es die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und anderer Bundesgerichte genügen, dass die (beim Versender verbleibende) Urschrift, d.h. die Faxvorlage, eine Unterschrift trägt und diese – insoweit „technisch vervielfältigt“ – an das Gericht übermittelt wird3. Diese Rechtsprechung ist für das sog. „Computerfax“ durch einen Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 05.04.20004 fortgeführt worden. Zur Gewährleistung der mit der Schriftlichkeit verfolgten Zwecke (Inhalt und Urheber sollen hinreichend zuverlässig entnommen werden; es muss feststehen, dass es sich nicht um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist) genügt bei einem „Computerfax“ auch eine eingescannte Unterschrift oder der Hinweis, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann. Das „Computerfax“ wird insoweit als schriftliches Dokument und nicht als elektronisches Dokument angesehen5.
Für Verfahren vor den Finanzgerichten in Nordrhein-Westfalen bestimmt § 52a FGO i.V.m. § 2 Abs. 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO VG/FG) vom 07.11.2012 (GV NRW 2012, 548) mit Wirkung ab dem 01.01.2013:
„Sofern für Einreichungen die Schriftform oder die elektronische Form vorgeschrieben ist, sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I S. 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das adressierte Gericht oder durch eine andere von der Landesjustizverwaltung mit der automatisierten Überprüfung beauftragte Stelle prüfbar sein.“
Aus diesem Grunde wurde bis einschließlich dem Jahr 2017 auf der Homepage des Finanzgerichts Köln für die Kontaktaufnahme per E-Mail der folgende Hinweis angezeigt:
„Klagen und Schriftsätze, die Prozesserklärungen enthalten, können Sie beim Finanzgericht Köln nicht mit einfacher E-Mail einreichen. Klagen und Prozesserklärungen per E-Mail müssen mit einer sogenannten „qualifizierten elektronischen Signatur“ versehen sein (vgl. § 52 a FGO Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 3 ERVVO VG/FG). Dasselbe gilt bei einer Übermittlung über das Elektronische Verwaltungspostfach (EGVP)“.
Bezogen auf eine inhaltlich gleichlautende Regelung im hamburgischen Recht, welche ebenso eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) vorsah (vgl. im Einzelnen § 2 Abs. 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28.01. 2008, HmbGVBl. 2008, 51) hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 26.07.20116 entschieden, dass bei Fehlen einer qeS eine formunwirksame Klage vorliegt und dies nicht gegen Bundesrecht verstößt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reicht es bei Fehlen einer qeS nicht aus, dass sich aus der E-Mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben. Die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes7 zum Computerfax ist auf solche Fälle nicht entsprechend anzuwenden. Denn diese Auffassung gründet sich darauf, dass beim Computerfax – wie schon bei der von der Rechtsprechung gebilligten und zum Gewohnheitsrecht erstarkten Übung der telefonischen Telegrammaufgabe – eine eigenhändige Unterzeichnung nicht möglich ist. Es handelt sich beim Computerfax danach ausdrücklich um ein schriftliches Dokument in Form einer Telekopie, nicht aber um ein elektronisches Dokument8. Demgegenüber ist für den Rechtsverkehr per E-Mail aber gerade eine die Schriftform ersetzende elektronische Signatur eingeführt worden. Für eine erweiternde Anwendung der o.g. Rechtsprechungsgrundsätze auf die Übermittlung bestimmender Schriftsätze per E-Mail besteht deshalb nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ausdrücklich keine Veranlassung.
Mit der Entscheidung vom 26.07.2011 grenzt sich der Bundesfinanzhof von der (großzügigeren) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und Bundesarbeitsgerichts ab9, die es genügen lässt, dass z.B. aus einer eingescannten unterschriebenen PDF-Datei der Inhalt, Urheber und Wille zum In-Verkehr-Bringen erkennbar ist, und die so deutlich weitergehend als der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis gelangt, dass ein „schriftliches Einreichen“ angenommen wird, sobald bei dem Gericht ein Ausdruck einer als E-Mail-Anhang übermittelten PDF-Datei vorliegt, die die vollständige Klageschrift enthält.
Das Finanzgericht Köln folgt der (restriktiveren) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, da das gesetzliche Erfordernis der Verwendung einer qeS für elektronische Dokumente es gerade nicht erlaubt, entgegen dem Wortlaut Erleichterungen zuzulassen. E-Mails und EGVP-Nachrichten unterscheiden sich in ihrer Übermittlungs- und Speicherform deutlich von „Computerfax“-Nachrichten, da bei elektronischer Datenübertragung ein höherer Integritäts- und Authentizitätsschutz notwendig ist, der einer erweiternden Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Computerfax auf die Übermittlung bestimmender Schriftsätze per E-Mail entgegensteht10. Gestützt wird dieses Ergebnis zudem durch die Erwägung, dass die Zulässigkeit einer Klageerhebung sinnvollerweise nicht der Beliebigkeit im Geschäftsgang unterworfen sein kann, ob und wann der E-Mail-Anhang vom Gericht ausgedruckt wird oder nicht.
Dementsprechend erfolgte im Streitfall eine ordnungsgemäße Klageerhebung erst durch den am 02.11.2017 eingegangenen, vom Kläger unterschriebenen Schriftsatz vom 24.10.2017 nebst handschriftlich unterschriebener Klageschrift-E-Mail vom 16.10.2017, und damit nach Ablauf der am Montag, dem 16.10.2017 endenden Klagefrist. Die am Montag, 16.10.2017 eingegangenen E-Mail-Nachrichten des Klägers wahrten die Klagefrist ebenso wenig wie der Ausdruck der mit Unterschrift eingescannten PDF-Datei am 18.10.2017.
Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind im Streitfall ebenfalls nicht gegeben. Zwar hat der Kläger die unwirksame Verfahrenshandlung mit dem am 02.11.2017 beim Gericht eingegangenen Schreiben vom 24.10.2017 und damit innerhalb von zwei Wochen nach Ergehen des gerichtlichen Hinweisschreibens vom 23.10.2017 nachgeholt, er hat aber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO in keiner Weise Entschuldigungsgründe für sein Fristversäumnis vorgetragen.
Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag – nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).
Zwar kann ein Prozessbeteiligter erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden. Allerdings muss dem Gericht ein rechtzeitiger Hinweis zumindest möglich sein11. Ist dies wie im Streitfall wegen Klageeinreichung am letzten Tag der Frist nicht der Fall, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur unter der weiteren Voraussetzung des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO in Betracht, nach dem die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen sind. Dabei sind alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach bereits innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) schlüssig darzulegen12. Dem hat der Kläger im Streitfall mangels Angabe von Entschuldigungsgründen nicht entsprochen.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 25.01.2018 – 10 K 2732/17
ECLI:DE:FGK:2018:0125.10K2732.17.00
Revision ist anhängig: Bundesfinanzhof – VI B 14/18
- vgl. Herbert, in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 64 Rn. 7; BFH, Urteil vom 26.06.2014 – X B 215/13 [↩]
- BFH, Beschluss vom 10.07.2002 – VII B 6/02 [↩]
- BFH, Beschluss vom 12.04.1996 – V S 6/96 [↩]
- GmS-OGB, Beschluss vom 05.04.2000 – 1/98, NJW 2000, 2340 [↩]
- BGH, Beschluss vom 14.10.2014 – XI ZB 13/13 [↩]
- BFH, Beschluss vom 26.07.2011 – VII R 30/10 [↩]
- GmS-OGB, Beschluss vom 05.05.2000 – 1/98 [↩]
- BGH, Beschluss vom 11.10.2014 – XI ZB 13/13 [↩]
- BGH, Beschluss vom 18.03.2015 – XII ZB 424/14; BAG, Beschluss vom 11.07.2013 – 2 AZB 6/13 [↩]
- Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.10.2015 – 5 D 55/14 [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 22.10.2004 – 1 BvR 894/04; dort war der maßgebende Schriftsatz – anders als im vorliegenden Fall – acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden [↩]
- BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17 [↩]