Bei den Betriebsausgaben vergessene Umsatzsteuerzahlungen – von Amts wegen zu berücksichtigen?

Fehler passieren – auch bei Steuererklärungen. Hat ein Steuerpflichtiger in seiner vorgelegten Gewinnermittlung die bei der Umsatzsteuererklärung für denselben Veranlagungszeitraum erklärten und im Umsatzsteuerbescheid erklärungsgemäß berücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgabe erfasst und übersieht dies das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung, liegt insoweit eine von Amts wegen zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO vor, so der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung.

In dem entschiedenen Fall hatten Eheleute geklagt, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2002 bis 2005 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Ingenieur und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.

In den von ihm selbst erstellten Gewinnermittlungen setzte er jeweils auf der Einnahmenseite die vereinnahmten Bruttoeinnahmen, auf der Ausgabenseite die nach Kostenarten aufgeschlüsselten Ausgaben einschließlich der darin enthaltenen Vorsteuer an. In der Aufstellung waren die an das beklagte Finanzamt geleisteten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgaben enthalten.

Das Finanzamt veranlagte die Kläger für die Streitjahre auf der Grundlage der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit zur Einkommensteuer, ohne den Fehler des Klägers hinsichtlich der geleisteten Umsatzsteuerzahlungen zu bemerken.

Nachdem die Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden waren, beantragte der Kläger ihre Änderung unter Hinweis auf die unberücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen. Dies lehnte das Finanzamt wegen Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide ab.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht als unbegründet ab. Das Finanzgericht stützte sich darauf, dass § 129 AO zwar auch dann anwendbar sei, wenn die Finanzbehörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme. Eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter (ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht) jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung – wie im Streitfall – sei hingegen kein Fehler, der auf ein bloßes mechanisches Versehen zurückzuführen sei, so das Finanzgericht. Denn der zuständige Sachbearbeiter habe die Unrichtigkeit nicht ohne weitere Prüfung erkennen können. Weder den Einkommensteuererklärungen noch den Umsatzsteuererklärungen der jeweiligen Streitjahre sei nämlich zu entnehmen, ob und wie viel Umsatzsteuer der Kläger in den Streitjahren jeweils an das Finanzamt tatsächlich abgeführt habe. Entsprechende Erkenntnisse hätte der Sachbearbeiter nur durch weitere Ermittlungen, etwa im Rahmen einer computergestützten Erhebungsauskunft oder durch Nachfrage bei der Erhebungsstelle gewinnen können.

Die hiergegen gerichtete Revision zum Bundesfinanzhof hatte nun Erfolg.

Die Auffassung des Finanzgerichts, das Finanzgericht habe zu Recht eine Berichtigung der streitigen Einkommensteuerbescheide nach § 129 AO abgelehnt, verletzt nämlich, so der Bundesfinanzhof, Bundesrecht.

Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden.

Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist1.

Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht2. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt3.

Nach diesen Maßstäben sind die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre offenbar unrichtig i.S. des § 129 AO. Der Kläger hat für die Streitjahre Einnahmenüberschussrechnungen vorgelegt und darin geleistete Umsatzsteuerzahlungen (Vorauszahlungen) nicht berücksichtigt, obschon er Umsatzsteuerzahlungen in den zeitgleich eingereichten Umsatzsteuererklärungen ausgewiesen hat und die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß vom Finanzamt festgesetzt wurde.

Aufgrund der Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen bei der Umsatzsteuerfestsetzung durch das Finanzamt in allen Streitjahren erscheint es entgegen der Ansicht des Finanzgerichts ausgeschlossen, dass die unterbliebene Übernahme der Ausgabenposition „Umsatzsteuerzahlungen“ in den Einkommensteuerveranlagungen „auch auf nicht hinreichender Sachaufklärung“ beruhen konnte. Letzteres wäre eine rein hypothetische Annahme, die der Feststellung einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO nicht entgegengehalten werden kann4.

Vielmehr ergab sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten5 und damit auch aus der Sicht des Finanzamtes, dass die – gesamten – umsatzsteuerlich berücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen nur aufgrund eines mechanischen Versehens vom Kläger nicht in seinen Einkommensteuererklärungen berücksichtigt worden waren.

Dafür, dass der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes hätte annehmen können, die geleisteten Umsatzsteuerzahlungen seien mit Blick auf § 11 EStG wegen vollständiger Zuordnung zu einem anderen Veranlagungszeitraum – insgesamt – nicht angesetzt worden, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesfinanzhof die Vorentscheidung aufgehoben.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.08.2013 – VIII R 9/11

  1. BFH, Urteile vom 25.02.1992 – VII R 8/91, BStBl. II 1992, 713; vom 04.06.2008 – X R 47/07; vom 06.11.2012 – VIII R 15/10, BStBl. II 2013, 307 []
  2. BFH, Urteil vom 23.10.2001 – IX R 75/98, BFH/NV 2002, 467 []
  3. BFH, Urteile vom 17.06.2004 – IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505; vom 03.06.1987 – X R 61/81, BFH/NV 1988, 342 []
  4. BFH, Urteil vom 14.06.2007 – IX R 2/07 []
  5. BFH, Urteil in BStBl. II 2013, 307 []

Sie sind derzeit offline!