Betriebsaufspaltung und Aktivierung von Anwartschaften auf Hinterbliebenenversorgung

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass im Fall einer Betriebsaufspaltung Anwartschaften auf Hinterbliebenenversorgung, die auf einer dem Geschäftsführer der Betriebs-Kapitalgesellschaft erteilten Pensionszusage beruhen, im Besitzunternehmen auch dann nicht bereits während der Anwartschaftszeit aktiviert werden können, wenn in der Betriebs-Kapitalgesellschaft die Zuführungsbeträge zur Pensionsrückstellung, soweit sie auf die Hinterbliebenenversorgung entfallen, als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sind.

Nach dem (imparitätischen) Realisationsprinzip, das einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung i.S. des § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt, darf ein Gewinn grundsätzlich erst ausgewiesen werden, wenn er durch Umsatz (Veräußerung oder sonstigen Leistungsaustausch) verwirklicht ist1; Vermögensmehrungen dürfen nur erfasst werden, wenn sie disponibel sind2. Gewinnrealisierung tritt dann ein, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen in der Weise erbracht hat, dass ihm die Forderung auf die Gegenleistung (z.B. die Zahlung) –von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen– so gut wie sicher ist3.

Aufschiebend bedingte Ansprüche sind nicht zu aktivieren4.

Anwartschaften auf Hinterbliebenenversorgung sind aufschiebend bedingt; ein Anspruch der durch eine Zusage auf Hinterbliebenenversorgung begünstigten Person kann nur entstehen, wenn der Hauptversorgungsberechtigte verstirbt und zu diesem Zeitpunkt die als potenzielle Hinterbliebene begünstigte Person noch lebt. Im Fall einer aufschiebend bedingten Anwartschaft auf die künftige Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung fehlt es jedenfalls an der Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.

Der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall steht nicht entgegen, dass auf der Passivseite – auch dort besteht grundsätzlich ein Verbot des Ausweises aufschiebend bedingter Verbindlichkeiten – das Risiko aus der künftigen Inanspruchnahme aus Hinterbliebenenrenten bei der Bewertung von Rentenverbindlichkeiten5 sowie Pensionsrückstellungen zu berücksichtigen ist.

Denn die Passivseite der Bilanz ist aufgrund des Imparitätsprinzips in wesentlich stärkerem Maße als die Aktivseite der Einbeziehung von Risiko- und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zugänglich. Die Pflicht des potenziell zur Zahlung künftiger Hinterbliebenenrenten Verpflichteten, sein Risiko bilanziell in Form einer Rückstellung abzubilden, lässt daher nicht den Schluss zu, dass auch der Rechtsvorgänger eines potenziellen Hinterbliebenen bereits entsprechende Anwartschaften aktivieren muss.

Der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu unterbleibenden Aktivierung steht ferner nicht entgegen, dass Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen auch insoweit aktiviert werden, als sie bei wirtschaftlicher Betrachtung anteilig auf eine aufschiebend bedingte Hinterbliebenenversorgung entfallen. Denn Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen werden mit dem vom Versicherer ausgewiesenen „Deckungskapital“ bewertet. Dabei handelt es sich um den Sparanteil der Beiträge zuzüglich der rechnungsmäßigen Zinsen6. Der – vom Versicherungsnehmer tatsächlich erbrachte – Sparanteil kann aber nicht als „aufschiebend bedingt“ angesehen werden.

Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass im Fall der Erteilung von Versorgungszusagen durch eine Mitunternehmerschaft zugunsten eines ihrer Mitunternehmer in der Sonderbilanz dieses Mitunternehmers ein entsprechender Aktivposten anzusetzen ist. Denn dieses Ergebnis folgt –ohne Rückgriff auf allgemeine Bilanzierungs- oder Gewinnrealisierungsgrundsätze –allein aus dem durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG angeordneten Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung im Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Sonderbilanz7.

Offenbleiben kann, ob das Unterbleiben der Aktivierung auch auf eine im Wege wertender Betrachtung vorzunehmende Gleichstellung von Arbeitnehmern und Betriebsinhabern im Bereich der Altersversorgung gestützt werden könnte8.

Die Entscheidung des Finanzgerichts stellt sich – so der Bundesfinanzhof weiter – auch nicht i.S. des § 126 Abs. 4 FGO aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.

Insbesondere kommt eine Aktivierung der – von den Beteiligten übereinstimmend als angemessen und fremdüblich angesehenen – Anwartschaft auf Altersversorgung nicht in Betracht.

Angemessene Vergütungen, die ein Steuerpflichtiger als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH bezieht, gehören auch dann zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die GmbH-Anteile –wie in Fällen der Betriebsaufspaltung– notwendiges Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen sind9. Die Aktivierung einer Pensionsanwartschaft, soweit diese auf einer fremdüblichen und steuerrechtlich anzuerkennenden Pensionszusage beruht, muss daher schon deshalb unterbleiben, weil eine solche Anwartschaft nicht Teil des Betriebsvermögens des Anwartschaftsberechtigten ist10.

 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2011 – X R 42/08

  1. Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.03.2000 – VIII R 77/96, BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 5 Rz 77 f.; vgl. ferner § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs []
  2. vgl. Weber-Grellet, Deutsches Steuerrecht 1996, 896, m.w.N.; zur Realisation von Provisionszahlungen Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010 – X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033 []
  3. Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.1989 – I R 147/84, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213; Bundesfinanzhof, Urteilvom 10.09.1998 – IV R 80/96, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21; Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.08.2006 – I R 11/06, BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762 []
  4. Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.1995 – I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594, unter II.2.b, betr. Haftungsanspruch einer Bank gegen den Wechseleinreicher nach Art. 15 des Wechselgesetzes; Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2007 – X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, unter II.3.b aa, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, sowie Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.09.2010 – IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27, unter 2.b, beide vorgenannten Entscheidungen betr. Erwerb eines Wirtschaftsguts gegen aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen []
  5. vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.05.2001 – VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, unter 3.b []
  6. Bundesfinanzhof, Urteil in BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762, unter III.4. []
  7. vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.12.1997 – VIII R 15/96, BFHE 184, 571, BStBl II 2008, 174, unter II.3.b []
  8. vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.1988 – I R 44/83, BFHE 155, 368, BStBl II 1989, 323, unter 4.2. im Falle einer Gewerbetreibenden, die, anders als E im Streitfall, von der aus sozialen Gründen geschaffenen Schutzvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erfasst war []
  9. Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.07.1970 – IV R 16/69, BFHE 99, 533, BStBl II 1970, 722 []
  10. zutreffend Wüllenkemper, EFG 2008, 1886, 1887 []

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