Gewinnrealisierung bei zu erstellenden Eigentumswohnungen

Der Gewinn aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen ist dann realisiert, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im Wesentlichen fertig gestellte Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der bilanzierende Gewerbetreibende, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, in seinen Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sehen Rechtsprechung und herrschende Meinung im Fachschrifttum beim Verkauf von Vermögensgegenständen im Allgemeinen als objektiviert und willkürfrei erfüllt an, wenn der Vermögensgegenstand ausgeliefert, der Anspruch auf die Gegenleistung entstanden und die Gefahr des zufälligen Untergangs (sog. Preisgefahr) auf den Käufer übergegangen ist. Die Forderung aus dem Verkauf eines Grundstücks ist demnach realisiert mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten. Das ist der Zeitpunkt der Übergabe.

Bei Werkverträgen, wie etwa bei Verträgen über die Erstellung von Gebäuden, i.S. des § 631 BGB bedarf es außer der Übergabe der Abnahme des Werkes durch den Besteller (§ 640 BGB), um den Übergang der Preisgefahr und damit die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen. Hängt die Realisierung des für die Wohnungen zu entrichtenden Entgelts mithin von der Abnahme durch die Erwerber ab, ist die Besonderheit zu beachten, dass Wohnungseigentum aus dem Sondereigentum an einer Wohnung und dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht (§ 1 Abs. 2 WoEigG). Gemeinschaftseigentum sind außer dem Grundstück die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen (§ 1 Abs. 5, § 5 Abs. 3 WoEigG). Der Anteil des Gemeinschaftseigentums an einem Wohngebäude ist so erheblich, dass er nicht vernachlässigt werden kann. Er macht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den überwiegenden Teil der Bausubstanz aus. In der Literatur wird er mit 80% beziffert. Handels- und steuerrechtlich ist grundsätzlich an die zivilrechtliche Betrachtung anzuknüpfen. Die angeführte BGH-Rechtsprechung befasst sich mit der Abnahme von Gemeinschaftseigentum unter dem Gesichtspunkt, ab wann die Gewährleistungsfristen zu laufen beginnen. Dieser Zeitpunkt ist für die Gewinnrealisierung deswegen von Bedeutung, weil mit der Abnahme die Verpflichtung, das Werk zu erstellen, im Wesentlichen erfüllt ist und an ihre Stelle Gewährleistungspflichten treten. Dieser Vorgang kann auch bei vorsichtiger kaufmännischer Wertung so gesehen werden, dass er den Zahlungsanspruch derart sichert, dass er nicht mehr von der Einrede des nicht erfüllten Vertrags bedroht ist. Diese Betrachtung schließt allerdings nicht aus, zwecks Vereinfachung des Rechnungsverkehrs gewisse Varianten der zivilrechtlich frei gestaltbaren Abnahme (Teilabnahme) außer Acht zu lassen.

Deswegen stellt sich zunächst die Frage, ob für die Gewinne aus der Erstellung des verschiedenen Sondereigentums einerseits und für den Gewinn aus der Erstellung des Gemeinschaftseigentums andererseits unterschiedliche Realisierungszeitpunkte gelten. Auch wenn man mit dem VIII. Senat des BFH die Auffassung vertritt, eine solche besondere Gewinnrealisierung hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums dürfte der zivilrechtlichen Beurteilung am ehesten entsprechen, ist nicht zu verkennen, dass sich dann Schwierigkeiten hinsichtlich der Aufteilung ergäben. Die meisten Verträge weisen den Zahlungsanspruch des Werkunternehmers in einer Summe aus. Streitigkeiten über die Aufteilung der Vertragssumme wären vorhersehbar. Der Vereinfachungszweck des Buchungs- und Rechnungsverkehrs gebietet es, von einer Aufteilung abzusehen.

Als einheitlicher Gewinnrealisierungszeitpunkt für beide Eigentumsarten werden verschiedene Varianten vorgeschlagen. Zum einen könnte man wegen der „Verzahnung“ von Sonder- und Gemeinschaftseigentum in der Abnahme einer Wohnung eine Gewinnrealisierung auch hinsichtlich des auf die Wohnung entfallenden Gemeinschaftseigentums sehen. Für eine solche Lösung lässt sich anführen, dass für den Erwerber die vertragsgerechte Herstellung des Sondereigentums ohne Interesse ist, wenn das Gemeinschaftseigentum, also beispielsweise die tragenden Wände, mit erheblichen Mängeln behaftet ist, woraus man schließen könnte, er billige mit der Abnahme der Wohnung auch das auf die Wohnung entfallende Gemeinschaftseigentum. Eine ähnliche Lösung hat der BFH in einem Urteil aus dem Jahr 1980 befürwortet, indem er, ohne indessen auf die damals zivilrechtlich möglicherweise noch nicht so gefestigte Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht einzugehen, als Realisationszeitpunkt den der „Übergabe“ der jeweiligen Wohnung angesehen hat. Gegen diese Lösung spricht indessen, dass die Abnahme der Wohnung regelmäßig nicht mit einer Begehung der gesamten Anlage verbunden ist, so dass der Veräußerer nicht annehmen kann, der Erwerber werde das gesamte Bauwerk als vertragsgerecht anerkennen .

Deswegen muss zur Bestimmung des einheitlichen Realisationszeitpunktes prinzipiell auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums abgestellt werden. Das gebietet im Hinblick auf die Bedeutung des Gemeinschaftseigentums das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht. Maßgeblicher Zeitpunkt muss jedoch nicht notwendigerweise der der formellen Abnahmehandlung sein. Das folgt daraus, dass in vielen Fällen eine formelle Abnahme des Gemeinschaftseigentums vertraglich nicht vorgesehen ist und auch tatsächlich nicht durchgeführt wird. Als stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums wird in solchen Fällen die widerspruchslose Ingebrauchnahme der jeweiligen Wohnungen durch die einzelnen Erwerber angesehen. Allerdings ist das Gemeinschaftseigentum nach der Rechtsprechung des BGH noch nicht im Zeitpunkt des Bezugs der jeweiligen Wohnung abgenommen. Das ergibt sich aus den selben Erwägungen, die dagegen sprechen, dass die Abnahme des Sondereigentums –also die Bestätigung der Bezugsfertigkeit der einzelnen Wohnung– als stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums angesehen werden kann. Erforderlich ist vielmehr, dass das Gemeinschaftseigentum zumindest im Wesentlichen funktionstüchtig hergestellt ist und dass die Nutzung während einer Frist bestanden hat, die zur Prüfung der Vertragsgerechtigkeit der Leistung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Wohnungseigentumsgemeinschaft angemessen ist. Zudem tritt die Abnahmewirkung dann nicht ein, wenn der Erwerber beim Einzug Mängel gerügt hat, die ihn zur Abnahmeverweigerung berechtigen. Aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass eine Ingebrauchnahme des Werkes über mehrere Monate hinweg ohne Mängelrüge eine konkludente Abnahme darstellt. Der Erklärungswert einer so verstandenen Ingebrauchnahme beschränkt sich nicht auf die Abnahme allein des Sondereigentums. Vielmehr eröffnet die mehrmonatige Prüfungszeit dem Erwerber die Möglichkeit, auch Mängel des Gemeinschaftseigentums wie tragende Wände, Decken etc., die zu einer Abnahmeverweigerung berechtigen würden, aufzudecken. Die mehrmonatige Ingebrauchnahme heilt auch etwaige Formmängel der vorangegangenen formellen Abnahme des Sondereigentums, wie etwa die, dass eine Abnahme durch den Bauträger oder eine ihm nahe stehende Person keine Bindungswirkung für den Erwerber entfalten kann.

Es kann nicht darauf ankommen ob die Wohnungen durch eigenen Einzug der Erwerber, durch Vermietung seitens der Erwerber oder unter Einschaltung eines Vermietungsunternehmens in Gebrauch genommen worden sind. Soweit das Vermietungsunternehmen nicht vom Erwerber, sondern vom Bauträger mit der Vermietung beauftragt worden ist, ist es freilich erforderlich, dass der Erwerber die Beauftragung vor dem Bilanzstichtag genehmigt. Die Genehmigung kann auch darin bestehen, dass der Erwerber das Vermietungsunternehmen weiterhin mit der Vermietung der vor dem Bilanzstichtag erworbenen Wohnung beauftragt. Welcher (mehrmonatige) Zeitraum als Prüfungszeit angemessen ist, hängt zivilrechtlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Bestimmung des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung muss indessen auch dem Vereinfachungsgesichtspunkt Rechnung tragen, der aus dem GoB der Wesentlichkeit abzuleiten ist. Das erfordert die Bestimmung eines festen Zeitraums, nach dessen Ablauf die Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung des Bauträgers zu aktivieren ist. Der Bundesfinanzhof ist insoweit der Auffassung, dass das vom Erwerber geschuldete Entgelt für eine Eigentumswohnung dann als Vermögensgegenstand des Veräußerers (Bauträgers) zu erfassen ist, wenn am Bilanzstichtag mindestens drei Monate nach dem vorbehaltslosen Nutzungsbeginn der Wohnung verstrichen sind. Er stützt sich dabei einerseits auf die bereits erwähnte zivilrechtliche Rechtsprechung, die eine mehrmonatige Prüfungsfrist fordert. Auf der anderen Seite ergibt sich aus § 12 Abs. 5 der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), der für die (hier nicht einschlägige) fiktive Abnahme eine Prüfungsfrist von lediglich 12 Tagen vorsieht, dass der Zeitraum nicht zu weit gespannt werden darf. Zur Gewinnrealisierung kommt es auch dann, wenn unwesentliche Arbeiten am Gemeinschaftseigentum wie Außenputz und Außenanlagen noch nicht fertiggestellt sind. Eine andere Handhabung würde dem Erfordernis der Objektivierbarkeit entgegenlaufen, weil es dann der Bauträger in der Hand hätte, durch Verzögerung dieser unmaßgeblichen Restarbeiten den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zu manipulieren. Aus dem selben Grund tritt die Gewinnrealisierung unter den vorstehend genannten Voraussetzungen nach Ablauf der dreimonatigen Prüfungszeit auch dann ein, wenn später eine förmliche Abnahme durchgeführt wird, selbst wenn diese –anders als offenbar im Streitfall– in den jeweiligen Verträgen der Erwerber mit dem Bauträger vereinbart ist.

Die Entgelte für die in Gebrauch genommenen und mindestens drei Monate lang rügelos benutzten Wohnungen sind auch dann realisiert, wenn nicht alle anderen Wohnungen diese Voraussetzung erfüllen. Eine Gewinnrealisierung tritt also nicht erst bei Abnahme der letzten Wohnung ein. Gegen die Richtigkeit einer solchen Lösung spricht bereits, dass die Abnahme der letzten Wohnung, soweit damit gemäß der üblichen Terminologie die Abnahme des Sondereigentums durch den letzten Erwerber gemeint sein sollte, nichts über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums aussagt. Relevant wäre also allenfalls der Zeitpunkt, zu dem das Gemeinschaftseigentum durch den letzten Erwerber ausdrücklich oder konkludent abgenommen wird. Für eine solche Lösung könnte sprechen, dass die Folgen der Abnahme des Gemeinschaftseigentums, insbesondere der Beginn der Verjährung von Mängelrügen, nur für denjenigen Erwerber eintreten, der auch tatsächlich die Abnahme ausdrücklich oder konkludent erklärt hat. Ein „Nachzügler“, der die Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch nicht erklärt hat, kann daher seine Gewährleistungsansprüche auch dann geltend machen, wenn die diesbezüglichen Ansprüche der anderen Erwerber bereits verjährt sind. Macht er einen solchen Anspruch geltend, profitieren hiervon naturgemäß auch die anderen Erwerber. Gegen die Relevanz des Zeitpunktes der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den letzten Erwerber spricht indessen, dass das Vorhandensein verborgener Mängel unwahrscheinlich ist, wenn einer Vielzahl von Erwerbern während eines dreimonatigen Prüfungszeitraums solche Mängel nicht aufgefallen sind. Ausschlaggebend ist schließlich der bereits angeführte Gesichtspunkt, dass bei der Bestimmung des richtigen Zeitpunktes für die Gewinnrealisierung das Bedürfnis nach Objektivierung beachtet werden muss. Es kann dem Veräußerer nicht überlassen sein, den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung dadurch hinauszuzögern, dass er eine von zahlreichen Wohnungen zunächst nicht veräußert.

Allerdings liegt es angesichts der vorstehenden Erwägungen auf der Hand, dass die Gewinnrealisierung nicht bereits dann eingreifen kann, wenn nur einige wenige Wohnungen verkauft sind. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Gewinne aus der Erstellung und Veräußerung der Eigentumswohnungen erst dann realisiert sind, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. September 2005 – IV R 40/04

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