Eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung kann auch vorliegen, wenn ein Steuerberater ein Beratungsbüro (bestehend aus dem zu diesem Büro gehörenden Mandantenstamm, der sachlichen und personellen Ausstattung) veräußert und seine Tätigkeit in einem anderen Büro fortsetzt, so der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung.
Geklagt hatte ein Steuerberater, der zeitweilig an drei verschiedenen Orten Beratungsbüros betrieb. Zwei Büros lagen nur 22 km voneinander entfernt. Diese beiden Büros hatte der Steuerberater von verschiedenen Steuerberatern erworben und nach seinem Vortrag im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Das dritte und weiter entfernt liegende Büro hatte er selbst gegründet. Von den beiden näher beieinander liegenden Büros hatte der Steuerberater eines veräußert und daraus einen Gewinn erzielt, für dessen Besteuerung er die Tarifermäßigung beanspruchte. Finanzamt und Finanzgericht hatten die Voraussetzungen hierfür unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes verneint.
Der Bundesfinanzhof hatte in der Vergangenheit geurteilt, bei einem Freiberufler komme eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung nur in zwei Fallgruppen in Betracht. Entweder müsse eine von zwei verschiedenartigen Tätigkeiten vollständig aufgegeben werden oder es müsse – bei gleichartigen Tätigkeiten – die Tätigkeit in einem von mehreren räumlich abgegrenzten Wirkungskreisen zumindest vorübergehend vollständig eingestellt werden. Im Streitfall überschnitten sich die räumlichen Wirkungskreise der beiden nah beieinander liegenden Steuerberatungsbüros. Hiervon ausgehend, hat der Bundesfinanzhof nun die erforderliche Selbständigkeit des veräußerten Vermögensteils (Teilbetriebs) über die bisherige Rechtsprechung hinaus auch dann für möglich gehalten, wenn der veräußerte Teilbetrieb in seinem ursprünglich beim Erwerb vorhandenen Zuschnitt bis zu seiner Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden ist.
Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehört nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt u.a. § 16 Abs. 2 bis 4 EStG entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG); der Veräußerungsgewinn wird, soweit er hiernach nicht steuerfrei bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG besteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
Der Ausdruck „selbständiger Teil des Vermögens“ in § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG ist im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist er unter entsprechender Heranziehung der Voraussetzungen des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu bestimmen1. Ein Teilbetrieb ist danach ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der – für sich betrachtet – alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist2. Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung beim Veräußerer zu entscheiden3.
Dabei kann im Hinblick auf die Eigenart der selbständigen Arbeit, insbesondere die Bedeutung der persönlichen Betätigung, nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung die erforderliche Selbständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder
- auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden- oder Patientenkreisen erstreckt (1. Fallgruppe) oder
- bei gleichartiger Tätigkeit in örtlich wie organisatorisch voneinander getrennten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).
Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige freiberufliche Tätigkeit, so kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erreicht hat, dass er einem Teilbetrieb im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden kann4. Danach führt insbesondere die Aufteilung eines einheitlichen Mandantenstamms nicht zur Annahme einer Teilpraxis.
Diese Rechtsprechung schließt es nicht aus, bei der gebotenen Gesamtwürdigung auch den Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger im Streitfall zwei für sich genommen völlig selbständige und lebensfähige Steuerbüros von zwei verschiedenen Steuerberatern erworben und (nach seinem Vortrag) als solche fortgeführt hat. Die vom Bundesfinanzhof in der Vergangenheit gebildeten alternativen Fallgruppen beschreiben nur indiziell (nicht tatbestandlich) die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit, und zwar für die besonders häufig auftretenden Sachverhalte. Dies schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände bei weniger typischen Sachverhalten nicht aus5. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof den Fall, dass eine dem Teilbetrieb ähnliche Verselbständigung zu verneinen ist, stets positiv umschrieben (einheitliche, gleichartige freiberufliche Tätigkeit). Und selbst für diesen Fall hat der Bundesfinanzhof die Annahme der erforderlichen Selbständigkeit nur „regelmäßig“ ausgeschlossen.
Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann auch dann vorliegen, wenn ein Steuerberater eine Beratungspraxis veräußert, die er (neben anderen Praxen) als selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat. Es kommt dann nicht entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt worden ist, vorausgesetzt die beim Erwerb zu bejahende Selbständigkeit der Büros ist beibehalten und nicht durch organisatorische (eingliedernde) Maßnahmen aufgegeben worden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls eine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.06.12 – VIII R 22/09
- BFH, Beschluss des Großen Senats vom 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 [↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil vom 13.02.1996 – VIII R 39/92, BStBl. II 1996, 409 [↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil vom 05.06.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838 [↩]
- BFH, Urteile vom 10.10.1963 – IV 198/62 S, BStBl. III 1964, 120; vom 29.10.1992 – IV R 16/91, BStBl. II 1993, 182; vom 05.06.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838 [↩]
- vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 „Oderkonto“ [↩]