Der Bundesfinanzhof hat mit einem jetzt veröffentlichten Urteil seine Rechtsprechung zur sog. Theorie der finalen Entnahme aufgegeben. Sie betrifft die Pflicht eines Unternehmens, die in einem Wirtschaftsgut angesammelten stillen Reserven sofort aufzudecken, wenn dieses Wirtschaftsgut aus dem Inland in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird. Eine derartige Pflicht hat der BFH nun verneint. Die Klägerin, eine deutsche Kommanditgesellschaft, konnte ihre Beteiligung an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft deshalb “steuerneutral” als Sacheinlage in eine österreichische Kommanditgesellschaft einbringen.
In der Zeit vor Einfügung des § 6 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Jahr 1999 bestand nach übereinstimmender Sicht von Rechtsprechung und Finanzverwaltung die Möglichkeit einer steuerneutralen Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen als Sacheinlage in eine Personengesellschaft, soweit die Besteuerung der stillen Reserven im Inland sichergestellt war. Das Erfordernis der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven hatte die ältere BFH-Rechtsprechung zur Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte allerdings als eine die Besteuerung auslösende Entnahme behandelt, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) von der Besteuerung im Inland freigestellt waren. Diese Rechtsprechung, die im neueren steuerrechtlichen Schrifttum nahezu einhellig als überholt angesehen wird, hat der BFH jetzt aufgeben. Eine Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne durch ein DBA beeinträchtigt nach heutiger Erkenntnis nicht die spätere Möglichkeit einer Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven des überführten Wirtschaftsguts, wenn sich diese –z.B. durch eine Veräußerung– tatsächlich realisieren. Für eine sofortige Besteuerung fehlte es deshalb sowohl an einer Rechtsgrundlage als auch an einem Bedürfnis.
Mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wurde zwischenzeitlich allerdings ein sog. Entstrickungsparagraf in das Gesetz eingefügt, der darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für die „Theorie der finalen Entnahme“ zu schaffen. Die neue Regelungslage wirkt vom Veranlagungszeitraum 2006 an.
- Die Einbringung eines Wirtschaftsguts als Sacheinlage in eine KG ist ertragsteuerrechtlich auch insoweit als Veräußerungsgeschäft anzusehen, als ein Teil des Einbringungswerts in eine Kapitalrücklage eingestellt worden ist (entgegen BMF-Schreiben vom 26. November 2004, BStBl I 2004, 1190).
- Die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist kein Teilbetrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UmwStG 1995. Die Fiktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht entsprechend anwendbar (entgegen BMF-Schreiben vom 16. Juni 1978, BStBl I 1978, 235, Tz. 81; vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 24.03).
- Die Überführung eines Einzelwirtschaftsguts aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische (hier: österreichische) Betriebsstätte führte im Zeitraum vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 auch dann nicht zur sofortigen Gewinnrealisation, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (Änderung der Rechtsprechung: Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme). Das gilt auch für die Einbringung einer Sacheinlage durch eine Personengesellschaft in eine Tochter-Personengesellschaft.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Juli 2008 – I R 77/06