Erzielt ein Inländer aus einer ausländischen Betriebsstätte Verluste, dann kann er diese negativen Einkünfte im Inland mit steuerpflichtigen positiven Einkünften nicht oder nur unter eingeschränkten Voraussetzungen ausgleichen: Entweder sind die betreffenden negativen Einkünfte ebenso wie positive ausländische Einkünfte aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei oder aber sie sind den Abzugsbeschränkungen des § 2a des Einkommensteuergesetzes unterworfen.
Es wird seit langem diskutiert, ob diese Ungleichbehandlung negativer inländischer und ausländischer Einkünfte in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten steht. Überwiegend wird dies im Schrifttum verneint. Der Bundesfinanzhof hat sich jetzt den Bedenken angeschlossen und deshalb den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung angerufen.
Konkret geht es dabei zum einen um die negativen Einkünfte aus einer in Luxemburg unterhaltenen Betriebsstätte (I R 84/04), zum anderen um die negativen Einkünfte aus einer Betriebsstätte in den Vereinigten Staaten von Amerika (I R 116/04). In beiden Fällen waren die Einkünfte aufgrund der einschlägigen DBA im Inland nicht in die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einzubeziehen. Nach Ansicht des BFH könnte dies gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungs- sowie die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit erstrecke sich dabei nicht nur auf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, sondern grundsätzlich auch auf sog. Drittstaaten wie hier in dem einen der beiden Streitfälle die Vereinigten Staaten. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung zu inländischen negativen Einkünften sei nicht ohne weiteres ersichtlich. Der BFH verweist allerdings auf die drohenden Steuerausfälle sowie die Ertragshoheiten der Mitgliedstaaten.
Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit Art. 56 und Art. 58 EG vereinbar, wenn ein deutsches Unternehmen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat (hier: die Vereinigten Staaten von Amerika bzw. Luxemburg) bei der Gewinnermittlung nicht abziehen kann, weil nach dem maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen entsprechende Betriebsstätteneinkünfte nicht der deutschen Besteuerung unterliegen?
2. Ist eine abkommensrechtliche Regelung mit dem vorgenannten Inhalt im Hinblick auf die Vorbehaltsklausel in Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG dann mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn die maßgeblichen Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens schon am 31. Dezember 1993 bestanden haben, der sich aus ihnen ergebende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten aber bis zum Jahr 1998 durch das innerstaatliche deutsche Recht aufgehoben wurde?
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. Juni 2006 – I R 84/04 und
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. August 2006 – I R 116/04