Die Frage, welche Aufwendungen ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Einkommensteuererklärung als Werbungskosten geltend machen kann, ist ein weites Feld.
Aktuell hat der Bundesfinnazhof entschieden, dass Aufwendungen für Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des anderen Ehepartners auch bei einer längerfristigen Auswärtstätigkeit des anderen Ehepartners grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar sind und hat damit ein anderslautendes Urteil des Finanzgerichts Münster1 aufgehoben.
In dem entschiedenen Fall erzielte der Kläger als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Ehefrau erzielte als Hausfrau keine Einkünfte.
In dem Streitjahr war der Kläger auf verschiedenen Baustellen im Ausland eingesetzt. In der Zeit vom 27.08.2007 bis zum 12.10.2007 war er auf einer Baustelle in den Niederlanden tätig.
Der Kläger führte am 15./16.09.2007 und am 29./30.09.2007 Fahrten von seiner Tätigkeitsstätte in den Niederlanden zu der gemeinsam mit seiner Ehefrau genutzten Wohnung und zurück durch. Die Ehefrau besuchte den Kläger am 9./10.09.2007, am 23./24.09.2007 und am 6./7.10.2007 in den Niederlanden. Die Aufwendungen für diese Fahrten der Ehefrau (520 km x 0,30 EUR x 3 Fahrten = 468 EUR) machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Fahrten nicht selbst durchführen können. Die Arbeitgeberin des Klägers bescheinigte, dass die Anwesenheit des Klägers auf der Baustelle im Jahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich gewesen sei.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen für die vorgenannten Fahrten der Ehefrau nicht; das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Die Revision des Finanzamtes war erfolgreich.Das Finanzgericht Münster gab der Klage statt, da die Fahrtkosten beruflich veranlasst gewesen seien.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 EStG Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind2. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden3.
Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen4.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
Nach diesen Maßstäben ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs das Finanzgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger durch die Besuchsreisen der Ehefrau vom gemeinsamen Familienwohnsitz zu seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden Werbungskosten entstanden sind.
Die betreffenden Reisen der Ehefrau sind keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Der Kläger unterhielt an seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden weder eine doppelte Haushaltsführung noch nahm er die fraglichen Fahrten selbst vor, wie es Familienheimfahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG erfordern.
Eine doppelte Haushaltsführung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG gegeben, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist nur der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte5. Der Kläger unterhielt in den Niederlanden indes keine dauerhaft angelegte Arbeitsstätte; vielmehr war er dort auswärts tätig.
Der Kläger war in der Zeit vom 27.08.2007 bis zum 12.10.2007 auf einer Baustelle in den Niederlanden beschäftigt. Hierbei handelte es sich um eine Auswärtstätigkeit. Denn Bauausführungen oder Montagen (§ 12 Satz 2 AO) sind keine regelmäßigen Arbeitsstätten6. Der Bezug einer Unterkunft an typischerweise ständig wechselnden beruflichen Tätigkeitsstätten begründet damit keine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.
Die Reisen der Eherau sind zudem keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Die Norm erfasst nicht die im Streitfall vorliegenden Besuchsreisen des Ehepartners vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort des Arbeitnehmers, sondern den umgekehrten Fall, dass der steuerpflichtige Arbeitnehmer (Kläger) die Fahrt vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort selbst vornimmt.
Die Aufwendungen für die Besuchsfahrten der Ehefrau zum Beschäftigungsort des Klägers in den Niederlanden sind auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abzugsfähig. Denn sie sind nicht beruflich veranlasst.
Beruflich veranlasst sind grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. Die Aufwendungen für derartige Fahrten sind nach ständiger Rechtsprechung beruflich veranlasst und als Werbungskosten abziehbar, weil der Steuerpflichtige sich aus beruflichem Anlass zu seiner Tätigkeitsstätte begeben hatte, um dort seine Berufstätigkeit auszuüben. Der Weg zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer typischerweise nicht am Ort seiner beruflichen (Auswärts-)Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zu seiner Tätigkeitsstätte begibt7.
Anders verhält es sich jedoch bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen für die Fahrten der Ehefrau des steuerpflichtigen Arbeitnehmers zu dessen (auswärtiger) Tätigkeitsstätte. Diese Fahrten dienen grundsätzlich nicht der Förderung des Berufs und sind daher keine Werbungskosten.
Die berufliche Veranlassung solcher Fahrten des Ehepartners ist in der Regel auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine für ihn beruflich veranlasste Fahrt zwischen seiner auswärtigen Tätigkeitsstätte und der Wohnung nicht selbst durchführen kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort z.B. aufgrund einer Weisung oder Empfehlung des Arbeitgebers oder aus anderen dienstlichen Gründen erforderlich ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des Ehepartners nicht zu begründen.
Der Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Art. 6 Abs. 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist8. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es jedoch nicht, Aufwendungen für die private Reise des einen Ehegatten an den Beschäftigungsort des anderen Ehegatten zum Werbungskostenabzug zuzulassen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2015 – VI R 22/14
- FG Münster, Urteil vom 28.08.2013 – 12 K 339/10 [↩]
- BFH, Urteil vom 23.03.2001 – VI R 175/99; BFH, Beschluss vom 02.02.2011 – VI R 15/10; BFH, Beschluss des Großen Senats vom 21.09.2009 – GrS 1/06 [↩]
- BFH, Urteil vom 17.12.2002 – VI R 137/01; BFH, Beschluss vom 30.06.2010 – VI R 45/09 [↩]
- BFH, Urteile vom 10.07.2008 – VI R 21/07; vom 20.03.2014 – VI R 74/13 [↩]
- BFH, Urteil vom 11.05.2005 – VI R 34/04 [↩]
- BFH, Urteil vom 11.07.2013 – VI R 62/12 [↩]
- BFH, Beschluss vom 10.01.2008 – VI R 17/07 [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 04.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 [↩]