Die Energiepreispauschale muss versteuert werden

Das Finanzgericht Münster hat aktuell entschieden, dass die im Jahr 2022 ausgezahlte Energiepreispauschale einkommensteuerpflichtig ist.

In dem entschiedenen Fall erzielte der Kläger im Streitjahr 2022 ganzjährig Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und erhielt von seinem Arbeitgeber die sogenannte Energiepreispauschale in Höhe von 300 € ausgezahlt.

Der Beklagte veranlagte den Kläger mit Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte dabei – entsprechend der vom Arbeitgeber übersandten Lohnsteuerbescheinigung (die den Großbuchstaben „E“ enthält) und der Einkommensteuererklärung, in denen die 300 € jeweils im Bruttoarbeitslohn enthalten waren – auch die Energiepreispauschale von 300 € als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Seinen gegen die Besteuerung der Energiepreispauschale gerichteten Einspruch hat der Beklagte zurückgewiesen.

Das Finanzgericht Münster hat die Entscheidung des Beklagten bestätigt.

Warum?

Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Energiepreispauschale i.S.d. § 112 EStG bei Anspruchsberechtigten, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt haben, stets als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für den Veranlagungszeitraum 2022 zu berücksichtigen.

Der Kläger, der im Streitjahr 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, hat die Energiepreispauschale i.H.v. 300 € im Jahr 2022 durch seinen Arbeitgeber ausgezahlt bekommen. Der Beklagte hat die Energiepreispauschale in zutreffender Höhe von 300 € in den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Soweit der Kläger anführt, dass die Energiepreispauschale nicht unter die Voraussetzungen des § 19 EStG für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder eine der anderen im EStG geregelten Einkunftsarten falle, greift der Einwand nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nicht. Zwar mag es zutreffend sein, dass die Energiepreispauschale an sich nicht ohne Weiteres die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 EStG erfüllt. Gerade aus diesem Grund ist aber die Steuerbarkeit der Energiepreispauschale unmittelbar in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG geregelt. Der Gesetzgeber hat die Energiepreispauschale – im Wege eines Rechtsfolgenverweises – den Einnahmen aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG konstitutiv zugeordnet, so dass es auf einen Veranlassungszusammenhang der Einnahme mit der von dem Arbeitnehmer erbrachten Leistung nicht ankommt1.

Ob die Energiepreispauschale auch unter § 22 Nr. 3 EStG zu fassen sein könnte, bedarf daher im Streitfall keiner Entscheidung.

Das Finanzgericht Münster ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Besteuerung der Energiepreispauschale überzeugt. Das Verfahren war daher nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die von dem Kläger ausgeführten Einwendungen gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des § 119 EStG, namentlich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, greifen – so das Finanzgericht Münster – nicht durch. Diese Regelung ist von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG umfasst.

Nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die „übrigen Steuern“, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Das Aufkommen aus der vorliegend betroffenen Einkommensteuer steht dem Bund und den Ländern gem. Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG gemeinsam zu.

Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster ist bei der Prüfung der Gesetzgebungskompetenz zwischen der Gewährung und Auszahlung der Energiepreispauschale als Subvention (§§ 112 bis 118 EStG) einerseits und der Besteuerung der erhaltenen Energiepreispauschale (§ 119 EStG) andererseits zu differenzieren2. Auch wenn es sich bei den Regelungen der §§ 112 bis 122 EStG um ein einheitliches Konzept handelt, kann die Frage der Gesetzgebungskompetenz differenziert betrachtet werden. Kann ein Gesetz in mehrere Teile zerlegt werden, können diese auch unterschiedlichen Kompetenzmaterien unterfallen. Die Gesetzgebungszuständigkeit für ein Regelungswerk kann sich in diesem Fall auch aus einer Kombination mehrerer Kompetenztitel ergeben3.

Da der Kläger die Energiepreispauschale unstreitig erhalten hat und dem Finanzgericht Münster eine verbösernde Entscheidung ohnehin versagt ist, ist vorliegend allein über die Frage der Steuerbarkeit dieser durch den Kläger erhaltenen Zahlung zu entscheiden. Es kommt mithin allein darauf an, ob die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG der Verfassung entspricht. Darüber, ob die – von der Belastungsentscheidung in § 119 EStG trennbaren – Vorschriften über die Gewährung der Energiepreispauschale in den § 112 bis 118 EStG verfassungsgemäß sind, brauchte das Finanzgericht Münster dagegen nicht zu entscheiden.

Der Deutsche Bundestag hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Steuerentlastungsgesetz 2022, in welchem die Regelungen für die Energiepreispauschale in §§ 112 bis 122 EStG enthalten waren, auf Art. 105 Abs. 2 GG gestützt, der Bundesrat hat dem gemäß Art. 105 Abs. 3 GG zugestimmt4. Zwar mag grundsätzlich für die Einführung einer echten Subvention Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG nicht greifen, insoweit mögen Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz für die in den §§ 112 bis 118 EStG geregelten Anspruchsvoraussetzungen bestehen. Die von der Gewährung der Subvention nach Auffassung des Finanzgerichts Münster trennbare Entscheidung des Bundesgesetzgebers, diese Subvention der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen, ist hingegen von Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG umfasst5.

Auch in materieller Hinsicht verstößt § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nicht gegen die Verfassung. Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen6.

Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so das Finanzgericht Münster weiter, hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum7.

Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: Durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern8.

Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung.

Von diesen Maßstäben ausgehend, ist ein Verstoß des § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Der Gesetzgeber hat willkürfrei innerhalb des ihm zustehenden Regelungsspielraums entschieden, dass die Energiepreispauschale bei Arbeitnehmern eine Einnahme i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellen und der Besteuerung unterliegen soll.

Es liegt zunächst nach Auffassung des Finanzgerichts Münster bereits keine Ungleichbehandlung durch die Besteuerung der Energiepreispauschale vor. Die Besteuerung wird bei den anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen unterschiedslos vorgenommen (abgesehen von sog. Mini-Jobbern mit pauschal besteuertem Arbeitslohn nach § 40a EStG, § 119 Abs. 1 Satz 2 EStG). Eine Ungleichbehandlung könnte allenfalls darin gesehen werden, dass die derzeitige Konzeption des Einkommensteuergesetzes auf dem sogenannten Markteinkommensprinzip beruht und die Energiepreispauschale dem entgegen der Besteuerung unterworfen wird, obwohl sie nach in der Literatur vertretenen Auffassungen möglicherweise nicht zum Markteinkommen zählt.

Dabei ist aber zu beachten, dass das Markteinkommensprinzip keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt, sondern ein dem aktuellen EStG von der Literatur und Rechtsprechung zugrunde gelegtes, einfachgesetzliches Prinzip darstellt9. Es besteht mithin kein verfassungsrechtliches Gebot, die Einkommensbesteuerung nur auf das Markteinkommen zu begrenzen10. Zwar kann eine vereinzelte Abweichung davon dem Folgerichtigkeitsgebot zuwiderlaufen, in Bezug auf die Energiepreispauschale hat der Gesetzgeber sich aber bei der Entscheidung, diese zu besteuern, auf einen legitimen, nachvollziehbaren, sachlichen Grund gestützt. Die Besteuerung soll nicht nur der Erhöhung staatlicher Einnahmen dienen, sondern auch eine sozial gerechte Verteilung der Energiepreispauschale durch die progressionsabhängige Besteuerung ermöglichen11. Ein eventueller Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot wäre daher jedenfalls gerechtfertigt.

Auch der Vortrag des Klägers, dass die Regelungen zur Energiepreispauschale systemwidrig seien bzw. sich nicht in das bestehende System, insbesondere die bestehenden sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG, einfügen würden, lässt nach Auffassung des Finanzgerichts Münster keinen Verfassungsverstoß erkennen. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erstreckt sich auch darauf, den Tatbestand der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte frei zu gestalten und den Umfang der Einkunftsarten selbst festzulegen12. Es stand ihm daher frei, die Zuordnung der Energiepreispauschale zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorzunehmen und dies – ohne dass es auf das Vorliegen der üblichen Voraussetzungen des § 19 EStG ankäme – in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Rechtsfolgenverweis konstitutiv festzuschreiben. Selbst wenn man hierfür eine Rechtfertigungsbedürftigkeit annehmen wollte, läge dieser Entscheidung wiederum der legitime Zweck der sozial gerechten Verteilung der Energiepreispauschale zugrunde.

Das Finanzgericht Münster ist schließlich auch nicht davon überzeugt, dass § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit der in die Pflicht genommenen Arbeitgeber verstößt. Die Inpflichtnahme der Arbeitgeber bei der Besteuerung der Energiepreispauschale beruht nicht auf § 119 EStG, sondern vielmehr auf der hier nicht zu prüfenden Regelung des § 117 EStG. Es liegt insoweit daher bereits kein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung vor.

Das Finanzgericht Münster hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.04.2024 – 14 K 1425/23 E

ECLI:DE:FGMS:2024:0417.14K1425.23E.00

  1. Horstmann in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Dezember 2023, § 119 EStG Rn. 1; Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 119 EStG Rn. 2; Nürnberg in: BeckOK EStG, 17. Ed. 1.10.2023, § 119 Rn. 3, 15 []
  2. Horstmann in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Dezember 2023, § 119 EStG Rn. 7a; unklar, aber möglicherweise ebenfalls in diese Richtung: Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, Vorbemerkung zu §§ 112 bis 122 EStG, Rn. 2 []
  3. BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9/14, BVerfGE 162, 277 []
  4. BR-Drs. 205/22 []
  5. wohl ebenso Horstmann in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Dezember 2023, § 119 EStG Rn. 7a; ähnlich zur Steuerpflicht der „Gas-/Wärmepreisbremse“ in § 123 EStG: Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 123 EStG Rn. 2 a.E. []
  6. BVerfG, Beschlüsse vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1-55; vom 08.05.2013 – 1 BvL 1/08, BVerfGE 134, 1-25; vom 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, BVerfGE 152, 274-331 []
  7. BVerfG, Beschlüsse vom 04.02.2009 – 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1-39, BStBl II 2009, 1035; vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179-194; vom 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, BVerfGE 152, 274-331 []
  8. horizontale Steuergerechtigkeit; vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, BVerfGE 152, 274-331; BFH, Urteile vom 18.12.2019 – I R 29/17, BStBl II 2020, 690; vom 27.05.2020 – XI R 9/19, BStBl II 2020, 802; vom 01.07.2020 – XI R 20/18, BStBl II 2021, 296 []
  9. siehe auch Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Auflage 2020, 1. Teil, Kapitel 3, A.II.2.b, Rn. 3.15 []
  10. so auch Horstmann, DStR 2023, 481, 485; Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 123 EStG Rn. 2 []
  11. für eine hinreichende Rechtfertigung ebenfalls Horstmann in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Dezember 2023, § 119 EStG Rn. 6 f.; wohl auch Bergan, DStR 2022, 1017, 1020 []
  12. so auch Horstmann in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Dezember 2023, § 119 EStG Rn. 6 f; zur insoweit vergleichbaren Problematik der Gas-/Wärmepreisbremse in § 123 EStG: Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 123 EStG Rn. 2; Horstmann, DStR 2023, 481, 485; a. A.: Kanzler, FR 2022, 641, 643 ff. []

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