Die doppelte Haushaltsführung ist in der Einkommensteuer auch immer ein schönes Thema, das zu Diskussionen führt.
Das Finanzgericht Münster hatte sich nun mit einem Fall zu beschäftigen, in dem die miteinander verheirateten Kläger seit 1998 in Westfalen berufstätig sind und dort (I-Stadt) mit ihrer kleinen Tochter in einer angemieteten 3-Zimmer-Dachgeschosswohnung lebten.
In ihrem mehr als 300 km entfernten Heimatdorf (L-Stadt) ist die Klägerin Miteigentümerin eines mit einem Bungalow bebauten Grundstücks. Der Bungalow wird von der Mutter sowie von der Familie der Kläger bewohnt. Die Haus- und Zahnärzte der Kläger und der Tochter befinden sich in der Umgebung des Heimatdorfes und der Kläger ist dort Mitglied im Angelverein. Ferner trugen die Kläger laufende Kosten und Instandhaltungsmaßnahmen am Bungalow.
Sind hier nun Ausgaben für eine doppelte Haushaltsführung im Rahmen der Einkommensteuer anzuerkennen?
Das beklagte Finanzamt verwehrte den Klägern den entsprechenden Werbungskostenabzug.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Münster Erfolg.
Dies aus folgenden Gründen:
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 S. 1 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift liegt eine doppelte Haushaltsführung nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. „Hausstand“ im Sinne dieser Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt1.
Die Kläger unterhielten in den Streitjahren 2013 und 2014 in L-Stadt einen eigenen Hausstand. Bis einschließlich 2013 gab es zur Frage, wann ein Arbeitnehmer einen „eigenen“ Hausstand unterhält, keine gesetzliche Regelung. Ein eigener Hausstand erforderte nach der Rechtsprechung, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird2. Er muss die Wohnung zumindest gleichberechtigt mitbenutzen können3 und den Hausstand unterhalten oder zumindest mit unterhalten. Eine zusammen mit anderen Personen bewohnte Wohnung ist kein eigener Hausstand, wenn der Arbeitnehmer die Hausstandsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Hausstand, zum Beispiel als Gast, eingegliedert ist4. Nach der ab 2014 gültigen Gesetzesfassung setzt das Vorliegen eines „eigenen“ Hausstands das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG n.F.).
Der Bungalow in L-Stadt stellte sowohl nach der für das Streitjahr 2013 als auch nach der für das Streitjahr 2014 gültigen Rechtslage einen eigenen Hausstand der Kläger dar. Die Kläger nutzten die Wohnung aus eigenem Recht, da die Klägerin Miteigentümerin des Grundstücks war. Den Klägern standen drei Räume zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Lediglich Küche, Bad und Esszimmer mussten sie sich mit der Mutter teilen. Sie haben sich – neben der Mutter der Klägerin – auch an den Kosten für den Haushalt beteiligt, indem sie nachweislich Abfall- und Wassergebühren übernommen haben. Darüber hinaus haben sie sich an den notwendigen Instandhaltungsarbeiten beteiligt, indem sie Kosten für Reparaturen und Pflasterarbeiten getragen haben. Schließlich haben sich die Kläger auch dadurch an den Haushaltsführungskosten beteiligt, dass sie nach ihrer unbestrittenen Einlassung Einkäufe durchgeführt und bezahlt haben. In der Gesamtschau entspricht diese Situation nicht mehr derjenigen eines Gastes, der zu Besuch kommt oder der – wie etwa junge Arbeitnehmer kurz nach Beendigung ihrer Ausbildung, die noch ihr Kinderzimmer bewohnen5 – in einen fremden Haushalt eingegliedert sind. Die Kläger waren in den Streitjahren beide über 40 Jahre alt, miteinander verheiratet, hatten ein gemeinsames Kind und verfügten über ausreichendes eigenes Einkommen, um sich an den Kosten des Haushalts zu beteiligen. Dies erfolgte nicht nur in Form einer Beteiligung an den laufenden Kosten, sondern auch durch Tragung außerordentlicher Aufwendungen (Pflasterung) und von Instandhaltungsmaßnahmen (Fensteraustausch).
Die Kläger hatten in den Streitjahren auch ihren Lebensmittelpunkt in L-Stadt. Lebensmittelpunkt ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen. Ob eine außerhalb des Beschäftigungsortes liegende Wohnung als Mittelpunkt der Lebensinteressen anzusehen ist, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalles. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben6. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Lebensmittelpunkt grundsätzlich an dem Ort, an dem auch der Ehepartner wohnt. Allein das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten am Beschäftigungsort führt für sich genommen jedoch noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts7. In der Regel verlagert sich aber der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Arbeitnehmers an den Beschäftigungsort, wenn er dort mit seinem Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Wohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird8. Wenn beide Ehegatten während der Woche gemeinsam in einer Wohnung zusammen leben und an den Wochenenden und im Urlaub eine andere Wohnung nutzen, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass der Lebensmittelpunkt in der Wohnung ist, von der aus beider regelmäßig ihre Arbeitsstätte aufsuchen9.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt die Tatsache, dass die Kläger als beiderseits berufstätige Eheleute seit 1998 und damit in den Streitjahren bereits seit 15 bzw. 16 Jahren in I-Stadt wohnten, ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass sie inzwischen ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlagert haben. Hinzu kommt, dass sie seit 2007 ein Kind haben, das dort in den Kindergarten bzw. zur Schule geht.
Das Finanzgericht Münster ist dennoch davon überzeugt, dass die Kläger ihren Lebensmittelpunkt in L-Stadt beibehalten haben. Hierfür spricht, dass sowohl die Kläger selbst als auch ihre Tochter dort ihre Freundeskreise unterhalten. Auch die weiteren Familienangehörigen – z.B. die Eltern der Kläger und die Schwester der Klägerin – leben in dem Ort bzw. in der näheren Umgebung. Die Kläger haben glaubhaft dargelegt, in I-Stadt keine (nennenswerten) sozialen Kontakte zu unterhalten, so dass sich das gesamte Privatleben in L-Stadt abspielt. Hierfür spricht, dass sie sich an nahezu allen Wochenenden und freien Tagen dort aufhalten, teilweise sogar getrennt voneinander. Die Angaben der Kläger werden durch objektive Anhaltspunkte gestützt. So haben sie teilweise nicht unerhebliche Investitionen in das Anwesen getätigt (Pflasterarbeiten, Bau eines Gewächshauses und Reparaturen). Darüber hinaus hat die Klägerin auch angrenzende Grundstücke hinzuerworben, um diese als Gartenland zu nutzen und zu bewirtschaften. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem die Kläger bereits seit mehreren Jahren in I-Stadt wohnten. Angesichts des Alters der Mutter ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin dies hauptsächlich deshalb tat, um der Mutter einen größeren Garten zu verschaffen, der mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist. Vielmehr wollte die Klägerin die vergrößerte Fläche nutzen, um in ihrer Freizeit ihrem Interesse – dem Obst- und Gemüseanbau – nachgehen zu können.
Dass sich die Hausärzte und Zahnärzte der gesamten Familie (einschließlich der Tochter) in der Umgebung von L-Stadt befinden, ist als gewichtiges Anzeichen für einen dortigen Lebensmittelpunkt zu werten. Da Arztbesuche typischerweise nicht am Wochenende stattfinden, müssen sich die Kläger auch häufiger an Wochentagen dort aufgehalten haben. Darüber hinaus war der Kläger nachweislich Mitglied im örtlichen Angelverein.
Der Vergleich der Wohnsituationen in beiden Orten spricht nicht gegen einen Lebensmittelpunkt in L-Stadt. Die Dreizimmerwohnung in I-Stadt ist zwar mit 80 m² als familiengerecht anzusehen. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass sie für die Tochter ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt haben. Der Familie stehen in L-Stadt ebenfalls drei Zimmer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Lediglich Küche, Bad und Esszimmer müssen sie sich mit der Mutter der Klägerin teilen. Vor dem Hintergrund, dass den Klägern und ihrer Tochter mit dem eigenen Wohnzimmer in L-Stadt eine Rückzugsmöglichkeit verbleibt und die Tochter dort über ein eigenes Kinderzimmer verfügt, lässt die Wohnsituation nicht als schlechter als diejenige in I-Stadt erscheinen. Im Ergebnis dürfte die zur Verfügung stehende Wohnfläche in beiden Wohnungen in etwa gleich hoch sein. Da die Wohnung in I-Stadt allerdings nur über einen Balkon und nicht über eine Gartennutzungsmöglichkeit verfügt, weist das Grundstück in L-Stadt mit seinem großen Garten eine höhere Wohnqualität auf.
Schließlich stellt nach Ansicht des Finanzgerichts Münster gerade auch der lange Zeitraum, in dem die Kläger bereits in dieser Situation leben, ein Indiz dafür dar, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in L-Stadt keinesfalls aufgeben wollten. Nach ihren glaubhaften Angaben sind sie weiterhin ernsthaft daran interessiert, ganz dorthin zurückzukehren, wenn sie in der Nähe entsprechende Arbeitsplätze fänden.
Die Kläger können die geltend gemachten Aufwendungen auch der Höhe nach als Werbungskosten abziehen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 3 und 4 EStG a.F. (entspricht Sätzen 5 und 6 EStG n.F.) können Fahrtkosten nur im Umfang von einer Familienheimfahrt wöchentlich mit 0,30 € pro Entfernungskilometer abgezogen werden. Da diese Vorschrift als Pauschalregelung für jeden Arbeitnehmer gesondert anzuwenden ist, kann jeder der beiden Kläger einen Betrag in Höhe von 316 km * 0,30 € * 45 Fahrten = 4.266 € abziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Fahrten gemeinsam oder zusammen durchgeführt wurden, denn die Entfernungspauschale kann aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden10.
Darüber hinaus können die Kläger zulässigerweise die Unterkunftskosten in Höhe von 12 * 478 € = 5.736 € abziehen. Hierzu zählt die Miete einschließlich der Nebenkosten11. Die Mietaufwendungen sind den Klägern jeweils zur Hälfte zuzurechnen.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 26.09.2018 – 7 K 3215/16 E
ECLI:DE:FGMS:2018:0926.7K3215.16E.00
- BFH, Urteil vom 14.06.2007 – VI R 60/05, BStBl. II 2007, 890 [↩]
- BFH, Urteil vom 30.07.2009 – VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986 [↩]
- BFH, Urteil vom 28.10.2009 – VIII R 13/09, BFH/NV 2010, 411 [↩]
- BFH, Urteil vom 28.03.2012 – VI R 87/10, BStBl. II 2012, 800 [↩]
- BFH, Urteil vom 16.01.2013 – VI R 46/12, BStBl. II 2013, 627 [↩]
- BFH, Urteil vom 30.10.2008 – VI R 10/07, BStBl. II 2009, 153 [↩]
- BFH, Beschlüsse vom 09.07.2008 – VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000; vom 09.02.2015 – VI B 80/14, BFH/NV 2015, 675 [↩]
- BFH, Urteil vom 08.10.2014 – VI R 16/14, BStBl. II 2015, 511; BFH, Beschlüsse vom 09.02.2015 – VI B 80/14, BFH/NV 2015, 675 [↩]
- BFH, Beschluss vom 04.05.2011 – VI B 152/10, BFH/NV 2011, 1347 [↩]
- BFH, Urteil vom 18.04.2013 – VI R 29/12, BStBl. II 2013, 735 [↩]
- Krüger, in: Schmidt, EStG, 37. Aufl. 2018, § 9, Rn. 247 [↩]