Entfernungspauschale: kostengünstig muss nicht verkehrsgünstig sein

Der Bundesfinanzhof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem zwischen einem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt die Berechnung der kürzesten Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte streitig war.

Der Kläger war im Streitjahr als Arbeitnehmer tätig. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 machte er Aufwendungen in Höhe von 1.452 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Hierbei legte er der Berechnung der Entfernungspauschale 22 km als Entfernung zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte in X zugrunde. Für die Fahrten nutzte er ein Kraftfahrzeug.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erkannte das beklagte Finanzamt Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 726 EUR an (= 220 Tage x 11 km x 0,30 EUR). Hierbei legte es als kürzeste Straßenverbindung eine Strecke von 11 km zugrunde, die durch den mautpflichtigen A-Tunnel führt.

Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die längere Fahrtstrecke durch die Innenstadt von X sei wegen der hohen Mautgebühren für die Tunnelfahrten zu berücksichtigen. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern ab1. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die kürzeste Straßenverbindung durch den A-Tunnel sei der Berechnung der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ungeachtet der Mautgebühren zugrunde zu legen. Die vom Kläger benutzte längere Fahrtstrecke sei auch nicht als „offensichtlich verkehrsgünstiger“ i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG anzusehen. Eine Zeitersparnis, die die Strecke als verkehrsgünstiger erscheinen lasse, werde nicht erzielt. Vielmehr betrage die Fahrzeit durch den A-Tunnel ca. 14 Minuten, während die Fahrt durch die Innenstadt von X ca. 29 Minuten in Anspruch nehme. Das Tatbestandmerkmal „offensichtlich verkehrsgünstig“ sei nicht mit „kostengünstig“ gleichzusetzen. Im Übrigen sei fraglich, ob der Weg durch die Innenstadt angesichts des damit verbundenen Umwegs wirklich kostengünstiger sei.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht hat nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der Berechnung der Entfernungspauschale zu Recht die Straßenverbindung über den A-Tunnel zugrunde gelegt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG).

Verkehrsgünstiger i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 2. Halbsatz EStG als die kürzeste Straßenverbindung ist die von dem Arbeitnehmer tatsächlich benutzte Straßenverbindung dann, wenn mit ihrer Benutzung eine Zeitersparnis oder sonstige Vorteile aufgrund von Streckenführung, Schaltung von Ampeln o.Ä. verbunden sind2.

Für die Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit der anderen Straßenverbindung ist es unerheblich, wenn bei der Benutzung der kürzesten Strecke Straßenbenutzungsgebühren anfallen.

Maßgeblich ist lediglich die Vorteilhaftigkeit einer Strecke mit Blick auf den Ablauf des Straßenverkehrs, ohne dass hierbei finanzielle Aspekte zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass die Entfernungspauschale unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten gelten soll3, weshalb deren Höhe nicht mittelbar durch die Wahl gebührenfreier Straßenverbindungen beeinflusst werden kann4.

Nach diesen Grundsätzen ist für die im Streitfall anzusetzende Entfernungspauschale eine Entfernung von 11 km maßgeblich, so der Bundesfinanzhof. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (§ 118 Abs. 2 FGO) ist dies die kürzeste Straßenverbindung zwischen der Wohnung des Klägers und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte. Die von dem Kläger tatsächlich befahrene Strecke ist im Vergleich dazu nicht verkehrsgünstiger. Denn sie ist zeitaufwändiger; sonstige, im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 2. Halbsatz EStG relevanten Vorteile sind nicht ersichtlich.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2013 – VI R 49/13

  1. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.06.2013 – 3 K 56/12 []
  2. BFH, Urteil vom 16.11.2011 – VI R 19/11 []
  3. BFH, Urteil vom 18.04.2013 – VI R 29/12 []
  4. BFH, Urteil vom 24.09.2013 – VI R 20/13 []

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