Entlassungsentschädigungen

Erneut hatte sich der Bundesfinanzhof mit der rückwirkend schärferen Einkommensbesteuerung von Entlassungsentschädigungen zu befassen. Dabei hat der BFH das Bundesverfassungsgericht angerufen, da er die rückwirkend verschärfte Besteuerung von Entlassungsentschädigungen für verfassungswidrig erachtet.

In einem Fall war im Oktober 1996 die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 gegen Zahlung einer im Januar 1999 fälligen Entschädigung vereinbart worden. Im zweiten vom BFH entschiedenen Fall erfolgte die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im November 1998 mit Wirkung zum 30. Juni 1999; die Entschädigung wurde abredegemäß im März 1999 ausgezahlt. Für beide Fälle schreibt das im März 1999 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 geänderte Einkommensteuergesetz eine ungünstigere Besteuerung vor, als sie im Zeitpunkt der jeweiligen Aufhebungsvereinbarung gegolten hatte (sog. Fünftelregelung anstelle des bisherigen halben Steuersatzes).

Der XI. Senat des BFH hat die rückwirkende Schlechterstellung mit Beschlüssen vom 2. August 2006 für verfassungswidrig gehalten und die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Entgegen der ständigen Rechtsprechung des BVerfG und dem folgend des BFH hält der XI. Senat des BFH in seinen Vorlagen an der bisherigen sog. Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung nicht mehr fest. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Rechtssicherheit erfordere, dass der Steuerpflichtige darauf vertrauen könne, dass sich die Besteuerung nach dem Gesetz richte, das beim Zufluss der Entschädigung und damit zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes gelte. Nur in besonders begründeten Fällen (Missbrauchsbekämpfung, zwingendes öffentliches Interesse u.ä.), die hier nicht vorlägen, dürfe der Gesetzgeber die im Zeitpunkt der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands geltende Rechtslage im Wege einer echten Rückwirkung zu ungunsten des Bürgers ändern. Sollte das BVerfG dieser Ansicht folgen, hätte dies über die beiden Streitverfahren hinaus weit reichende Folgerungen für die Beurteilung rückwirkender Steuergesetze.

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die zu § 34 Abs. 1 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) ergangene Anwendungsregelung des § 52 Abs. 47 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 mit Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als Entschädigungen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG, die vor dem Beschluss des StEntlG 1999/2000/2002 durch den Bundestag am 4. März 1999 vereinbart und ausgezahlt worden sind, mit einer höheren Steuer belegt werden, als es das im Zeitpunkt der Auszahlung geltende Gesetz vorgesehen hat.

Allen Betroffenen kann daher nur empfohlen werden, ihre Einkommensteuerbescheide – wenn noch möglich – nicht bestandskräftig werden zu lassen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. August 2006 – XI R 30/03 – und
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. August 2006 – XI R 34/02

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