Bildungsaufwendungen, also auch Studienkosten, sind grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen.
Wie sieht dies aber nun aus, wenn man gleichzeitig ein Stipendium erhält?
Mit dieser Frage hatte sich nun das Finanzgericht Köln zu beschäftigen.
In dem entschiedenen Fall erhielt der Kläger für seine Zweitausbildung monatlich 750 Euro Aufstiegsstipendium aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Den Jahresbetrag zog das Finanzamt von den erklärten Studienkosten ab, die der Kläger als „vorweggenommene“ Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht hatte.
Mit seiner hiergegen zum Finanzgericht Köln erhobenen Klage hatte der Kläger überwiegend Erfolg.
Das Finanzgericht Köln reduzierte die Anrechnung des Stipendiums um 70%.
Die Stipendiumsleistungen würden nämlich sowohl für die Kosten der allgemeinen Lebensführung als auch zur Bestreitung von Bildungsaufwendungen gezahlt. Nur soweit Bildungsaufwendungen ausgeglichen würden, lägen keine Werbungskosten vor. Das Finanzgericht Köln ermittelte die nicht anzurechnenden Beträge anhand der allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten.
Rechtlich sieht es nach Auffassung des Finanzgerichts Köln nämlich wie folgt aus:
Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner Bildungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit die Stipendiumsleistungen nicht zum Ausgleich dieser Kosten gezahlt wurden.
Die Bildungsaufwendungen des Klägers sind grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen. Diese sind beruflich veranlasst, da sie auf die Erzielung entsprechender Einnahmen gerichtet sind1. Auch steht § 9 Abs. 6 EStG dem Abzug nicht entgegen, da der Kläger bereits eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann abgeschlossenen hatte und damit das Studium der Betriebswirtschaftslehre für ihn eine Zweitausbildung ist.
Die Vorschrift schließt jedoch den Werbungskostenabzug nur für ein Erststudium aus, dass zugleich eine Erstausbildung vermittelt. Das Finanzgericht Köln sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab, da die Werbungskosteneigenschaft der Aufwendungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist und der Beklagte sich zur Berücksichtigung der Aufwendungen dem Grunde nach in der erklärten Höhe verpflichtet hat.
Die geltend gemachten Bildungsaufwendungen sind jedoch um 30% der Stipendiumszahlungen zu kürzen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt ein Werbungskostenabzug nur in Betracht, soweit dem Kläger Aufwendungen entstanden sind. Diese müssen zu einer wirtschaftlichen Belastung führen2. Soweit dem Kläger die anlässlich seines Studiums angefallenen Kosten durch das Stipendium erstattet worden sind, hat er im Ergebnis keine Aufwendungen getragen, da er durch die Ausgaben wirtschaftlich nicht belastet war3. Es ist insoweit keine Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers eingetreten.
Entgegen der Ansicht des Klägers führt nach Auffassung des Finanzgerichts Köln die Anrechnung der Stipendiumsleistungen auch nicht zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Unterhaltszahlungen der Eltern an ihr studierendes Kind, selbst wenn diese als sog. „Zwangsunterhalt“ gezahlt werden. Denn beide Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Die Unterhaltspflicht der Eltern, insbesondere für den vorliegend ähnlichen „Ausbildungsunterhalt“ ergibt sich aus den §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB. Sie stellt mithin eine gesetzliche Verpflichtung (gesetzliches Schuldverhältnis) der Eltern dar, die den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich der Kosten einer angemessenen Ausbildung umfasst. Bei Unterhaltszahlungen steht es dem Kind grundsätzlich frei, welche Ausbildung es anstrebt und damit, wofür es das Geld verwendet4.
Anders liegt der Fall jedoch bei diesem Stipendium, das aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages sowie der in Bezug genommenen Förderrichtlinie des BMBF gezahlt wird. Hier erfolgt die Zahlung für eine konkrete Bildungsmaßnahme, und die zivilrechtliche Vereinbarung enthält Pflichten, die der Stipendiat gegenüber der SBB gGmbH zu erfüllen hat. Die Stipendiumsleistungen weisen mithin eine wesentlich größere Nähe zur konkreten Bildungsmaßnahme auf als Unterhaltszahlungen der Eltern im Rahmen der Ausbildung des Kindes.
Eine Anrechnung kann jedoch nur insoweit erfolgen, als die Stipendiumsleistungen zum Ausgleich der Bildungsaufwendungen seitens der SBB gGmbH an den Kläger gezahlt wurden. Denn nur hinsichtlich diesen Betrages liegt keine wirtschaftliche Belastung des Klägers vor5. Nach der Vereinbarung über das Aufstiegsstipendium vom 4.8.2014 sowie der entsprechenden Förderrichtlinie des BMBF Tz. 5.1.1 erhält die Stipendiatin oder der Stipendiat im Vollzeitstudium eine Pauschale in Höhe von 670 Euro und ein Büchergeld in Höhe von 80 Euro im Monat. Ziel der Förderung ist es, beruflich Begabten zusätzliche Perspektiven durch ein Studium zu eröffnen, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung zu erhöhen und mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel zusätzliche Potentiale für die Gesellschaft zu erschließen. Es soll mithin für beruflich Tätige ein Anreiz geschaffen werden, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Finanziell bedeutet die Aufnahme eines Studiums für den Stipendiaten den Verlust der geregelten Einnahmequelle im bisherigen Beschäftigungsverhältnis sowie die höhere finanzielle Belastung durch die Bildungsaufwendungen. Diese finanziellen Einbußen bzw. Mehrbelastungen will das Begabtenstipendium ausgleichen. Damit entfallen die Stipendiumsleistungen nach dem Förderungszweck sowohl auf den Einnahmeausfall als auch auf die zusätzlichen Bildungsaufwendungen. Grundlage für eine Aufteilung sind insoweit die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten, der sich in einer vergleichbaren Lebenssituation wie der Kläger befindet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten auf Grundlage der vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Studie zur „Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden“ des FIBS – Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie – darauf verständigt, dass 30% der Ausgaben eines Studierenden bei Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung auf ausbildungsspezifische Kosten entfallen.
Das Finanzgericht Köln geht davon aus, dass die Stipendiumsleistungen durch die SBB gGmbH, auch soweit sie i.H. von 80 € als „Büchergeld“ bezeichnet sind, zur Tragung des gesamten Lebensbedarfs des Stipendiaten gewährt werden. Denn auch dieser Betrag wird als Pauschale gewährt, ohne dass entsprechende Aufwendungen vorliegen müssen. Eine Differenzierung nach den einzelnen Beträgen hat mithin nicht zu erfolgen. Damit sind die Bildungsaufwendungen um die für 9 Monate gewährten Stipendiumsleistungen (670 € + 80 €) = 6.750 € x 30% i.H. von 2.025 € zu kürzen.
Das Finanzgericht konnte es offen lassen, ob die Kürzung der Werbungskosten auch auf § 3c Abs. 1 EStG gestützt werden kann6. Denn auch hier käme nur eine Kürzung der Aufwendungen um 30% der Stipendiumsleistungen in Betracht. Nur insoweit stünden nämlich die Werbungskosten in einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit evtl. steuerfreien Einnahmen.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 15.11.2018 – 1 K 1246/16
ECLI:DE:FGK:2018:1115.1K1246.16.00
- BFH, Urteil vom 04.11.2002 – VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl. II 2003, 403 [↩]
- BFH, Urteil vom 19.04.2012 – VI R 25/10, BFHE 237, 444, BStBl. II 2013, 699; Thürmer, in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 103 [↩]
- FG Köln, Urteile vom 20.02.2003 – 10 K 3534/99, EFG 2003, 989; vom 20.05.2016 – 12 K 562/13, EFG 2016, 1605; Thürmer, in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 171 [↩]
- Brudermüller, in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1610, Rdnr. 20 [↩]
- vgl. für die Anrechnung von BAföG FG Münster, Urteil vom 24.01.2018 -7 K 1007/17 E,F; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.02.2005 – 9 K 211/04, EFG 2005, 860 [↩]
- so bspw. BFH, Urteil vom 09.11.1976 – VI R 139/74, BFHE 120, 491, BStBl. II 1977, 207 [↩]