Das Hessische Finanzgericht hat entschieden, dass ein Erbe, der aufgrund eines ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerbescheides für den verstorbenen Erblasser Kirchensteuer nachzahlen muss, diesen Betrag steuerlich zu seinen Gunsten als Sonderausgaben geltend machen.
Geklagt hatte eine Erbin, deren Vater im Jahre 2009 verstorben war. Im Jahre 2007 hatte der Vater sein Steuerbüro veräußert. Nach dem Tod des Vaters einigten sich die Miterben mit dem Erwerber des Steuerbüros darauf, dass der verbleibende Restkaufpreis statt in drei gleichen Jahresraten sofort in einer Summe gezahlt wird. In dem gegenüber der Erbengemeinschaft ergangenen Einkommensteuerbescheid für den verstorbenen Vater erfasste das Finanzamt für 2007 wegen der Veräußerung des Steuerbüros einen entsprechenden Veräußerungsgewinn, was zu einer Kirchensteuernachforderung führte.
Das Finanzamt hat eine Anerkennung als Sonderausgaben bei dem Erben abgelehnt; die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Nach der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG darf gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abgezogen werden, wenn sie weder Betriebsausgabe noch Werbungskosten ist oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt wird.
Da eine Berücksichtigung von Kirchensteuer als Betriebsausgabe oder Werbungskosten ausscheidet, kann die Klägerin. den Betrag alleine deshalb als Sonderausgabe abziehen, weil sie von ihr – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – im Streitjahr tatsächlich gezahlt worden ist.
Dies erscheint – unabhängig vom Wortlaut, welcher die äußerste Grenze der möglichen Auslegung bildet – auch deshalb gerechtfertigt, weil das Vermögen des Vaters im Zeitpunkt des Todes sofort Vermögen der Erben geworden ist, so dass die Kirchensteuer letztlich aus dem Vermögen der Erben gezahlt wurde1. Der Erbe ist damit durch die Kirchensteuer des Erblassers in gleicher Weise belastet wie durch die Kirchensteuer, zu der er selbst veranlagt wird, womit es an einem nicht abziehbaren Drittaufwand fehlt.
Der Bundesfinanzhof hat daher seit Beginn seiner Rechtsprechung2 unter Hinweis auf das Abflussprinzip in § 11 Abs. 2 EStG alleine auf die tatsächliche Zahlung – ggf. auch aufgrund abgekürzten Zahlungsweges durch Umbuchung oder Verrechnung, wie auch teilweise im Streitfall – abgestellt. Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.05.20013 hat diese Rechtsprechung nochmals ausdrücklich ihre Bestätigung gefunden.
Diese Ansicht wird in der Literatur, wenn auch meist ohne eingehende Begründung, überwiegend geteilt4.
Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat durch den Beschluss des Großen Senats vom 17.12.20075 nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts keine Änderung erfahren.
Vielmehr hat der Bundesfinanzhof hier zunächst in allgemeiner Form ausgeführt, dass die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfang steuerrechtliche Positionen vererblich sind, nicht allein durch eine isolierte Auslegung der allgemeinen und für alle Steuerarten geltenden Vorschrift des § 45 AO, sondern nur unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiell-rechtlichen Normen und Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes gefunden werden kann. Schon deshalb können hier die Ausführungen zum nicht möglichen Übergang des einkommensteuerlichen Verlustabzugs nicht eins zu eins auf den Kirchensteuerabzug übertragen werden. Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof im Besonderen weiter ausgeführt, dass sich die Vererblichkeit des Verlustabzugs nicht mit der ständigen Rechtsprechung begründen lasse, nach welcher vom Erben nachträglich gezahlte Kirchensteuer Sonderausgaben des Erben darstellen, wenn und soweit dem Erblasser für einen entsprechenden von ihm selbst gezahlten Betrag der Sonderausgabenabzug zugestanden hätte. Denn – im Gegensatz zum Verlustabzug – lasse sich die hier relevante Rechtsprechung durch die besondere Konstellation der „Tatbestandsspaltung“ und „Verklammerung von sowohl in der Person des Erblassers als auch in derjenigen des Erben jeweils teilweise verwirklichten Besteuerungsmerkmalen“ erklären, wobei die in § 24 Nr. 2 EStG letzter Halbsatz EStG für die Einkünfteerzielungsebene getroffene Wertung auf den Bereich der Sonderausgaben ausgedehnt wird. Damit kann nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts vom Beklagten auch nicht mit Erfolg inhaltlich auf die Ausführungen des Großen Senats zum objektiven und subjektiven Nettoprinzip und die ausschließliche Verminderung der erbschaftssteuerlichen Leistungsfähigkeit zurückgegriffen und damit eine Irrelevanz der Kirchensteuerzahlung begründet werden. Denn der Verlust geht im Regelfall deshalb nicht auf den Erben über, weil er – der Erbe – ihn nicht wirtschaftlich getragen hat, wobei eine den Ausnahmefall begründende wirtschaftliche Belastung in diesem Sinne noch nicht schon dann vorliegt, wenn dem Erbe aufgrund eines Verlustes des Erblassers lediglich ein geringeres Vermögen zufällt6.
Demgegenüber ist der Erbe durch die von ihm für den Erblasser nachzuzahlende Kirchensteuer infolge der Zahlung aus seinem Vermögen wirtschaftlich belastet, so dass die Berücksichtigung der Zahlung nach dem das Einkommensteuerrecht prägenden Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit geboten ist.
Nichts anderes ergibt sich hier zu Gunsten des Finanzamts aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung7, nach der höchstpersönliche Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verbunden sind, nicht auf den Rechtsnachfolger übergehen. Denn die für den Kirchensteuer-Sonderausgabenabzug konstituierende tatsächliche Zahlung ist – etwa im Gegensatz zur Mitgliedschaft in der Kirche selbst – kein höchstpersönlicher Umstand.
Hätte der Gesetzgeber hier nur die mit der Kirchenmitgliedschaft eines Steuerpflichtigen selbst zwangsläufig verbundenen Aufwendungen begünstigen wollen, hätte er eine von der reinen Zahlung losgelöste, entsprechend eingrenzende Gesetzesformulierung verwenden müssen. Damit ergibt sich auch, dass die Wertung der Zuwendungsentscheidung beim Spendenabzug als höchstpersönlicher Umstand8 nicht auf den Kirchensteuerabzug übertragen werden kann. Denn im Gegensatz zur hier maßgeblichen tatsächlichen Zahlung knüpft § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG mit den „Zuwendungen“ über die bloße Zahlung hinausgehend an eine besondere Widmung der Leistung zu einem bestimmten Zweck an.
Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen einen Abzug der vom Erben für den Erblasser nachgezahlten Kirchensteuer nicht allgemein für zulässig erachten würde, ist die Klage nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts gleichwohl begründet.
Denn unabhängig von einer etwaigen Einordnung der hier streitigen Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB ist diese nicht bereits mit dem Erbfall entstanden. Vielmehr beruht sie im Streitfall auf der von den Erben mit der Erwerberin im Jahr 2009 getroffenen Änderungsvereinbarung und damit auf einer eigenen Entscheidung der Erben. Erst durch diese Abänderung der ursprünglichen Verkaufsvereinbarung vom 28.12.2007 ist bei ihnen die Möglichkeit zu einer abweichenden Ausübung des sog. Veräußerer-Wahlrechtes mit der sofortigen vollen Versteuerung des Veräußerungsgewinns im Jahr 2007 entstanden. Damit beruht die Entstehung der hier streitigen Kirchensteuernachzahlung in ihrer Gänze alleine auf einer eigenen Entscheidung der Erben. Insoweit hält das Hessische Finanzgericht die Ausführungen des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 14.10.20091 für auf den Streitfall übertragbar.
Bei dieser Sachlage spielt es keine Rolle, dass diese Vereinbarung aus dem Jahr 2009 verfahrensrechtlich nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf das Jahr 2007, in dem der Erblasser noch lebte, zurückwirkt. Denn durch das rückwirkende Ereignis wird der zunächst rechtmäßige Steuerbescheid nachträglich rechtswidrig, so dass mit dieser Änderungsnorm lediglich die steuerrechtlich erforderliche Anpassung an die materielle Rechtslage herbeigeführt wird.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen. Zum einen erscheint nach der Entscheidung des Großen Senats in Sachen GrS 2/04 eine Klarstellung der dortigen Ausführungen wünschenswert. Zum anderen erfordert nach der Ansicht des Hessischen Finanzgerichts die Aussage, dass steuerrechtliche Positionen mit einem höchstpersönlichen Charakter und ihrer unlösbaren Verknüpfung mit der Person des Erblassers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können vor dem Hintergrund der Entscheidung zum Spendenabzug in Sachen X R 44/05 eine Abgrenzung zur hier streitigen Kirchensteuernachzahlung.
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 26.09.2013 – 8 K 649/13
- BFH, Urteil vom 14.10.2009 – X R 29/08 [↩] [↩]
- BFH, Urteil vom 05.02.1960 – VI 204/59 U, BStBl. III 1960, 140; Urteil vom 01.03.1957 – VI 57/55 U, BStBl. III 1957, 135 [↩]
- BFH, Urteil vom 16.05.2001 – I R 76/99, BStBl. II 2002, 487 [↩]
- Blümich, EStG, 119. Erglfg. Juni 2013, § 10 Rn. 42; Littmann/Bitz/Pust, EStG, 100. Erglfg. August 2013, § 10 Rn. 13f. [↩]
- BFH, Beschluss vom 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 [↩]
- BFH, Beschluss vom 22.05.2013 – IX B 185/12 [↩]
- BFH, Beschluss vom 17.12.2007 – GrS 2/04, BSTBl. 2008, 608; BFH, Urteil vom 21.10.2008 – X R 44/05 [↩]
- BFH, Urteil vom 21.10.2008 – X R 44/05 [↩]