Bei der Vermietung an Angehörige muss man immer aufpassen – auch aus steuerrechtlichen Gründen.
Häufig sind vermietende Famlienangehörige bereit, Wohnungen an Kinder oder andere Verwandte günstiger zu vermieten, als an Fremde.
Steuerlich kann das aber zu einem Problem werden:
Nach § 21 Absatz 2 EStG gilt:
„Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.„
Zum Erschrecken vieler Vermieter ergibt sich daraus die Konsequenz, dass bei Unterschreiten dieser Grenze die Werbungskosten nicht in Gänze abgeschrieben werden können.
Der Bundesfinanzof hatte nun über die Frage zu entscheiden, auf welcher Grundlage man diese 66 % zu berechnen hat.
Kann das Finanzamt andere Wohnungen des Vermieters zur Grundlage der Berechnungen nehmen oder muss es den Mietspiegel heranziehen?
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass zunächst einmal der örtliche Mietspiegel ausschlaggebend ist.
Worum ging es konkret?
Die Klägerin vermietete seit dem 01.06.2015 im ersten Obergeschoss des Objektes A-Straße in A-Stadt gelegene Eigentumswohnung (57 qm) mit Einbauküche unbefristet an ihre Tochter zum Mietzins in Höhe von monatlich 300 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 70 €. Ferner hat die Tochter gegenüber dem Energieversorger den monatlichen Abschlag für Wärme in Höhe von 49 € getragen.
Im zweiten Obergeschoss desselben Gebäudes vermietete die Klägerin eine ebenfalls mit einer Einbauküche ausgestattete Wohnung (57 qm) an einen Fremdmieter zum Mietzins in Höhe von monatlich 500 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 78 €.
Im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2015 vom 29.06.2017 berücksichtigte das beklagte Finanzamt die für die Wohnung im ersten Obergeschoss erklärten Werbungskosten in Höhe von insgesamt 3.553 € nur mit einem Anteil von 64,01 % – d.h. in Höhe von insgesamt 2.276 € – und setzte positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 314 € statt des erklärten Negativbetrags in Höhe von 963 € an.
Es führte mit Blick auf § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG zur Begründung an, die zwischen der Klägerin und ihrer Tochter vereinbarte Miete von 370 € betrage nur 64,01 % und damit weniger als 66 % der ortsüblichen Miete von 578 €/Monat. Als Maßstab für die Ortsüblichkeit zog das FA die Miete für die vergleichbar ausgestattete, im selben Haus liegende und durch die Klägerin an einen fremden Dritten vermietete Wohnung gleicher Größe heran.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht Thüringen führte in seinem Urteil im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe zu Recht die Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung nur mit einem Anteil von 64,01 % steuermindernd berücksichtigt1. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG handele es sich um eine Schätzung i.S. des § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung, bei der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Die ortsübliche Miete sei nicht vorrangig mit Hilfe eines örtlichen Mietspiegels zu ermitteln. Sie könne stattdessen unter Heranziehung der Miete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung gleicher Art, Größe und Ausstattung ermittelt werden1.
Die Entscheidung des Bundesfianzhofs:
Der Bundesfinanzhof sieht das in seiner aktuellen Entscheidung anders:
Das Finanzgericht Thüringen hat die ortsübliche Miete nicht vorrangig mit Hilfe des Mietspiegels ermittelt, sondern mit Hilfe einer Vergleichsmiete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung. Es ging davon aus, vorrangiger Maßstab für die Ortsüblichkeit könne eine vergleichbare, im selben Haus liegende, fremdvermietete Wohnung sein. Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Macht der Steuerpflichtige Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) aus der verbilligten – d.h. nicht marktgerechten – Vermietung von Wohnraum geltend, kann sich mit Blick auf § 21 Abs. 2 EStG eine anteilige Kürzung seiner Werbungskosten ergeben. Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG). Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Typisierung entspricht dem aus der Entstehungsgeschichte zu entnehmenden Gesetzeszweck. Die im Interesse der Steuervereinfachung eingefügte Regelung sollte eine Prüfung erübrigen, aus welchen Gründen die ortsübliche Marktmiete im Einzelfall unterschritten wird2. Entgelt ist die vereinbarte Miete3.
Maßstab für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG ist die ortsübliche Marktmiete. Darunter ist die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) vom 25.11.20034 umlagefähigen Kosten zu verstehen5.
Die maßgebliche ortsübliche Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist vom Finanzgericht Thüringen als Tatsacheninstanz zu ermitteln. Sie ergibt sich grundsätzlich aus dem örtlichen Mietspiegel6, der gemäß des Gesetzeswortlauts im Sinne einer „Marktmiete“ ein breites Spektrum von Wohnungen aus der Gemeinde berücksichtigt. Hierzu gehören sowohl der einfache Mietspiegel nach § 558c BGB als auch der qualifizierte Mietspiegel nach § 558d BGB. Dabei ist denkgesetzlich jeder der Mietwerte –nicht nur der Mittelwert– als ortsüblich anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweist. Erst die Über- oder Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der als „üblich“ dasjenige zu bezeichnen pflegt, das sich „im Rahmen des Üblichen“, also innerhalb einer gewissen Spanne bewegt7.
Die Ableitung der ortsüblichen Marktmiete aus dem örtlichen Mietspiegel entspricht zudem dessen Zweck. Er gehört zu den Informationsquellen, die eine leichte und schnelle Ermittlung der ortsüblichen Miete auf der Grundlage eines breiten Spektrums ermöglichen. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn bei einer Miete innerhalb der vom Mietspiegel vorgesehenen Spanne gleichwohl im Einzelfall ermittelt werden müsste, ob nicht ein anderer Wert innerhalb der Spanne der angemessenere wäre. Ein Mietspiegel trägt mit dem Ansatz einer Mietpreisspanne der Tatsache Rechnung, dass für in jeder Hinsicht vergleichbare Wohnungen örtlich eine gewisse Bandbreite von zu zahlenden Mieten typisch ist. Deshalb lässt die sachgerechte Erfassung einer solchen Schwankungsbreite im Mietspiegel die Feststellung zu, dass jeder Mietzins innerhalb der berücksichtigten Spanne die ortsübliche Marktmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG darstellt. Insoweit gilt für die ortsübliche Marktmiete (gleichermaßen wie für die zivilrechtlich bedeutsame „ortsübliche Vergleichsmiete“ i.S. des § 558 BGB), dass sie keine punktgenaue Einzelmiete ist, sondern selbst bei unterschiedlichen Miethöhen innerhalb einer gewissen örtlich bedingten Bandbreite liegen kann.
Der örtliche Mietspiegel kann allerdings ausnahmsweise nicht zugrunde gelegt werden, wenn er nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst wird oder an substanziellen Defiziten in der Datenerhebung leidet oder aus sonstigen substantiierten Gründen einen mangelhaften Erkenntniswert hat und daher im Einzelfall kein realitäts- und sachgerechtes Bild über die ortsübliche Marktmiete vergleichbarer Wohnungen wiedergibt. Entsprechendes gilt bei Sonderobjekten, die nicht dem im Mietspiegel definierten Anwendungsbereich unterfallen. Gibt ein Mietspiegel nur Richtwerte für das Mietniveau von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern an, weist das zu beurteilende vermietete Einfamilienhaus aber im Hinblick auf Größe und Ausstattung im Vergleich zu einer Mietwohnung keine Besonderheiten auf, so kann der Vergleichswert des Mietspiegels gleichwohl einen Anhaltspunkt für den Mietwert eines vergleichbaren Einfamilienhauses geben, der durch einen Zuschlag für die gesteigerte Wohnqualität beim Bewohnen eines Einfamilienhauses anzupassen ist8.
Kann ein örtlicher Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die Tatsacheninstanz z.B. auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder die Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB zurückgreifen. Bei letzterer Alternative müssen zumindest drei Wohnungen nach Adresse, Lage und Stockwerk benannt werden9. Jeder der genannten Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig, so der Bundesfinanzhof.
Die ortsübliche Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung sowie gegebenenfalls der marktübliche Gebrauchswert der überlassenen Möblierung sind vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen. Es hat für den jeweiligen Einzelfall die ermittelte ortsübliche Marktmiete substantiiert zu begründen. Die Feststellung ist als Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das Finanzgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
Das Finanzgericht Thüringen ist – so der Bundesfinanzhof weiter – von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, das Urteil kann daher keinen Bestand haben.
Das Finanzgericht Thüringen hat die ortsübliche Marktmiete nicht mit Hilfe des vorhandenen Mietspiegels ermittelt. Es hat den qualifizierten Mietspiegel der Stadt A rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen und stattdessen die ortsübliche Marktmiete nur unter Heranziehung der Miete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung gleicher Art, Größe und Ausstattung ermittelt. Das Finanzgericht Thüringen hat die ortsübliche Marktmiete daher nicht unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde ermittelt.
Soweit der Bundesfinanzhof im Beschluss vom 19.09.200810 für die Sachverhaltsaufklärung eine vergleichbare, im gleichen Haus liegende, fremdvermietete Wohnung als Maßstab für die Ortsüblichkeit als ausreichend angesehen hat, hält er daran nicht fest. Abgesehen davon hatte diese Entscheidung nicht die Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete anhand eines Mietspiegels zum Gegenstand und beinhaltet deshalb keine Aussagen zum Verhältnis von Mietspiegel zu vergleichbaren, im gleichen Haus liegenden, fremdvermieteten Wohnungen.
Rechtsfehlerhaft nimmt das Finanzgericht Thüringen zudem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.10.201811 Bezug, obwohl es in jener Konstellation nicht – wie im Streitfall – um die entgeltliche Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken, sondern um die Verpachtung von Gewerbeflächen ging, auf die § 21 Abs. 2 EStG nicht anzuwenden ist).
Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des Finanzgerichts Thüringen dementsprechend aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Dem Finanzgericht Thürigen hat es mit auf den Weg gegeben, dass es die ortsübliche Marktmiete auf der Grundlage des vorhandenen Mietspiegels unter Anwendung der in der Entscheidung des Bundesfinanzofs aufgezeigten Maßstäbe festzustellen hat. Dazu hat es die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der BetrKV umlagefähigen Kosten festzustellen. Die von der Mieterin getragenen Kosten für die Wärme sind nach § 2 Nr. 4 BetrKV umlagefähig und daher zu berücksichtigen (sog. abgekürzter Zahlungsweg). Auf dieser Grundlage hat das Finanzgericht Thüringen die Entgeltlichkeitsquote und damit die Höhe des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr neu zu ermitteln.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.02.2021 – IX R 7/20
ECLI:DE:BFH:2021:U.220221.IXR7.20.0
- Finanzgericht Thüringen, Urteil vom 22.10.2019 – 3 K 316/19 [↩] [↩]
- BT-Drs. 10/3633, S. 16, 20 [↩]
- BFH, Urteil vom 28.01.1997 – IX R 88/94, BFHE 182, 546, BStBl II 1997, 605 [↩]
- BGBl I 2003, 2346, geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 03.05.2012 [BGBl I 2012, 958] [↩]
- BFH, Urteile vom 10.05.2016 – IX R 44/15, BFHE 254, 31, BStBl II 2016, 835; vom 06.02.2018 – IX R 14/17, BFHE 261, 20, BStBl II 2018, 522 [↩]
- BFH, Urteile vom 17.08.2005 – IX R 10/05, BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71; vom 17.02.1999 – II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452; BFH, Beschlüsse vom 11.09.2007 – IX B 4/07, BFH/NV 2007, 2291; vom 27.12.2010 – IX B 107/10; FG Berlin-Brandenburg-Urteil vom 08.11.2017 – 7 K 7252/15 [↩]
- BFH, Urteil vom 05.12.2019 – II R 41/16, BFHE 267, 275, BStBl II 2020, 741 [↩]
- BGH, Urteil vom 17.09.2008 – VIII ZR 58/08; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.02.2016 – 5 K 4220/12, EFG 2016, 1858; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.11.2017 – 7 K 7252/15 [↩]
- BGH. Rechtsentscheid vom 20.09.1982 – VIII ARZ 1/82, BGHZ 84, 392; Heilmann in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 558a BGB Rz 29 [↩]
- BFH, Beschluss vom 19.09.2008 – IX B 102/08, BFH/NV 2009, 246 [↩]
- BFH, Urteil vom 1010.2018 – IX R 30/17, BFHE 263, 6, BStBl II 2019, 200 [↩]