Der Bundesfinanzhof hat die deutschen Regelungen zur Zusammenveranlagung von Ehegatten, bei denen einer in einem anderen EU-Land wohnt, zur Überprüfung durch den Europäischen Geichtshof gestellt.
Anlass hierfür ist ein Rechtsstreit über die Einkommensteuer für das Jahr 1997. Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1997 können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag gemäß § 26 EStG 1997 zusammenveranlagt werden, wenn nur einer von ihnen die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG 1997 oder der „fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht“ nach § 1 Abs. 3 EStG 1997 erfüllt. Voraussetzung ist zum einen, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staates ist und der andere Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EU/EWR-Ausland hat. Zum anderen sind die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 zu beachten. Hierbei ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Betrag von 12 000 DM zu verdoppeln (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 1997).
Eine Zusammenveranlagung ist danach nur dann möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90 v.H. der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Betrag von 24 000 DM nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss zudem gemäß § 1a Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG 1997 durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Ausländerbehörde nachgewiesen werden. Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst sind in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. Diese sind sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen. Bei der Ermittlung der Welteinkünfte sind sämtliche Einkünfte, unabhängig davon, ob sie im In- oder im Ausland erzielt wurden, nach deutschem Recht zu ermitteln. § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 enthalten keine spezielle Regelung, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, so dass der Begriff der Einkünfte dem deutschen Einkommensteuerrecht zu entnehmen ist. Dies gilt auch dann, wenn sie in der Bescheinigung des Ansässigkeitsstaates entweder nicht oder als steuerfreie Einkünfte ausgewiesen sind. Da gesetzlich nichts Gegenteiliges bestimmt ist, kommt dieser Bescheinigung keine Bindungswirkung zu.
Demgemäß hat der BFH nunmehr dem EuGH zur Vorabentscheidung die Rechtsfrage vorgelegt, ob ein Verstoß gegen Art. 43 EG vorliegt, wenn einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, mit der Begründung versagt wird, dieser habe sowohl mehr als 10 v.H. der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, wenn diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind.
BFH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – I R 114/04