Durch das Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I 2003 S. 2840) wurde in § 8 Abs. 6 Körperschaftsteuergesetz eine Regelung aufgenommen, wonach bestimmte Finanzierungskosten nicht den Gewinn mindern, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen sind.
I. Allgemeines
Erfasst werden nur solche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen, bei denen das Fremdkapital zum Zwecke des Erwerbs einer Beteiligung am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft (Kapitalbeteiligung) aufgenommen wurde (§ 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG). Es soll die Verbesserung des Eigenkapitals durch steuerbegünstigte Anteilsverkäufe verhindert werden. § 8a Abs. 6 KStG findet deshalb nur auf solche Anteilserwerbe Anwendung, bei denen entweder
- der Veräußerer (unmittelbar oder mittelbar) eine Kapitalgesellschaft ist oder
- der Anteilserwerb beim Erwerber zu einer Verbesserung seines Safe-havens nach § 8a Abs. 2 und 4 KStG führt; eine Verbesserung des Safe-havens beim Erwerber kann auch vorliegen,wenn durch den Beteiligungserwerb dessen Holdingeigenschaft (§ 8a Abs. 4 KStG) erstbegründet wird.
II. Erwerbsvoraussetzungen (§ 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG)
1. Erwerb einer Kapitalbeteiligung
Kapitalbeteiligung im Sinne des § 8a Abs. 6 KStG kann nur die Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft sein. Für die Anwendung des § 8a Abs. 6 KStG kommt es auf eine bestimmte Mindestbeteiligungsquote (§ 271 Abs. 1 HGB) nicht an. Anteilserwerb in diesem Sinne ist auch der Erwerb eigener Anteile des Veräußerers oder Erwerbers. Die Einbringung einer Kapitalbeteiligung (Anteilstausch) löst einen Anteilserwerb im Sinne des
§ 8a Abs. 6 KStG aus, wenn hierfür eine Gegenleistung erbracht wird, die nicht ausschließlich in Gesellschaftsanteilen der aufnehmenden Gesellschaft besteht. Die Zuführung des eingebrachten Vermögens zu den offenen Rücklagen im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB stellt keine Gegenleistung dar.
Keinen Anteilserwerb im Sinne des § 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG stellt die Erlangung einer Kapitalbeteiligung durch Kapitalerhöhung oder im Rahmen der Neugründung einer Kapitalgesellschaft dar. Auf die Übertragung einer Kapitalbeteiligung im Wege der verdeckten Einlage findet § 8a Abs. 6 KStG ebenfalls keine Anwendung.
2. Zweckbindung des Fremdkapitals
Der erwerbenden Kapitalgesellschaft muss zum Zwecke des Erwerbs einer Kapitalbeteiligung Fremdkapital überlassen werden. Dies setzt voraus, dass die Überlassung des Fremdkapitals durch den Erwerb einer Kapitalbeteiligung veranlasst ist (Veranlassungsprinzip).
a) Begründung des Veranlassungszusammenhangs
Eine Veranlassung in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn das überlassene Fremdkapital tatsächlich zum Erwerb einer Kapitalbeteiligung verwendet wird. Gleiches gilt, wenn zunächst die Kapitalbeteiligung erworben und anschließend das der Finanzierung des Anteilserwerbs dienende Fremdkapital aufgenommen wird. Eine gemischt veranlasste Fremdkapitalüberlassung erfüllt die Voraussetzungen des § 8a Abs. 6 KStG, wenn sie auch durch den Erwerb einer Kapitalbeteiligung veranlasst ist.
Ein Zusammenhang zwischen der Überlassung des Fremdkapitals und dem Erwerb der Kapitalbeteiligung ist in der Regel anzunehmen, wenn zwischen der Fremdkapitalüberlassung und dem Beteiligungserwerb ein Zeitraum von weniger als einem Jahr liegt. Ein schädlicher Veranlassungszusammenhang liegt auch vor, wenn die Überlassung des Fremdkapitals nach dem erkennbaren Willen der Beteiligten mit dem Ziel des mittelbaren Erwerbs einer Kapitalbeteiligung erfolgte (Gesamtplan). Die Form der Überlassung de Fremdkapitals an die erwerbende Kapitalgesellschaft (Eigen- oder Fremdkapital) ist unerheblich.
b) Beendigung des Veranlassungszusammenhangs
Ein bestehender Veranlassungszusammenhang wird nicht bereits dadurch beendet, dass die Kapitalbeteiligung veräußert wird oder die erworbenen Anteile wegfallen (z.B. weil die Kapitalgesellschaft aufgelöst bzw. umgewandelt wird). Die Rückzahlung (Tilgung) des überlassenen Fremdkapitals beendet dagegen regelmäßig den Veranlassungszusammenhang. Wird das ursprüngliche Fremdkapital durch die Aufnahme anderen Fremdkapitals ersetzt (Umfinanzierung), beendet dies den Veranlassungszusammenhang nur, soweit die mit dem ursprünglichen Fremdkapital erworbenen Anteile nicht mehr zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehören. War die spätere Umfinanzierung dagegen von Beginn an vorgesehen, besteht der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang fort. Gleiches gilt, wenn das durch die Umfinanzierung abgelöste Fremdkapital nach dem Gesamtbild der Umstände nur den Zweck einer Zwischenfinanzierung haben konnte.
III. Beteiligungsvoraussetzungen (§ 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG)
1. Veräußerer der Kapitalbeteiligung
Der Veräußerer der Kapitalbeteiligung muss gemäß § 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG
- ein wesentlich beteiligter Anteilseigner der erwerbenden Kapitalgesellschaft oder
- eine dem wesentlich beteiligten Anteilseigner nahe stehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG
sein. Ein rückgriffsberechtigter Dritter (§ 8a Abs. 1 Satz 2 KStG) als Veräußerer einer Kapitalbeteiligung erfüllt diese Voraussetzung nicht. Die Qualifikation des Veräußerers der Kapitalbeteiligung als Anteilseigner der erwerbenden Kapitalgesellschaft oder eine dem Anteilseigner nahe stehende Person muss im Zeitpunkt des schädlichen Anteilserwerbs vorliegen. Wird der Veräußerer der Kapitalbeteiligung zu einem späteren Zeitpunkt Anteilseigner der fremdfinanzierten Kapitalgesellschaft oder eine dem Anteilseigner nahe stehende Person ist dies schädlich, wenn die Veräußerung der Kapitalbeteiligung und die spätere Erlangung einer schädlichen Stellung als Anteilseigner oder nahe stehende Person einem Gesamtplan entsprechen. Ein Fortbestehen der Qualifikation des Veräußerers als Anteilseigner der erwerbenden Kapitalgesellschaft oder eine dem Anteilseigner nahe stehende Person nach dem schädlichen Erwerbsvorgang ist für Zwecke des § 8a Abs. 6 KStG nicht erforderlich. Der Veräußerer der Kapitalbeteiligung und der Geber des Fremdkapitals können verschiedene Personen sein.
2. Fremdkapitalgeber
Das Fremdkapital muss
- · von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner,
- · von einer dem wesentlich beteiligten Anteilseigner nahe stehenden Person oder
- · von einem rückgriffsberechtigten Dritten (§ 8a Abs. 1 Satz 2 KStG)
überlassen werden. Für die Anwendung des § 8a Abs. 6 KStG genügt es, wenn die Stellung des Fremdkapitalgebers als Anteilseigner der fremdfinanzierten Kapitalgesellschaft oder eine diesem nahe stehende Person zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr der fremdfinanzierten Kapitalgesellschaft vorliegt. In Wirtschaftsjahren der fremdfinanzierten Kapitalgesellschaft, in denen der Fremdkapitalgeber diese Voraussetzung zu keinem Zeitpunkt erfüllt, findet § 8a Abs. 6 KStG keine Anwendung.
3. Fremdkapital
20 § 8a Abs. 6 KStG erfasst – anders als § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG – auch kurzfristig überlassenes
Fremdkapital. Die Kapitalgesellschaft hat im Gegensatz zu § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG hinsichtlich des zum Zwecke des Anteilserwerbs überlassenen Fremdkapitals kein zulässiges Fremdkapital. Das zulässige Fremdkapital im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 und Abs. 5 KStG wird nicht durch Fremdkapital verbraucht, auf das § 8a Abs. 6 KStG Anwendung findet. Die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises wie in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG (Drittvergleich) besteht nicht.
IV. Rechtsfolgen
Ein bereits abgeschlossener Anteilsübergang ist nicht Voraussetzung, damit die Rechtsfolgen des § 8a Abs. 6 KStG eintreten. Der Abschluss eines entsprechenden erpflichtungsgeschäfts
reicht aus, wenn das überlassene Fremdkapital später erkennbar der Abwicklung dieses Geschäfts dient und der Anteilserwerb tatsächlich erfolgt.
ei einem gemischt veranlassten Fremdkapital führen die Zinszahlungen in dem Umfang zu verdeckten Gewinnausschüttungen, in dem das Fremdkapital durch den Erwerb der Kapitalbeteiligung veranlasst ist. Eine Freigrenze im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG besteht nicht.
V. Erwerb der Kapitalbeteiligung durch eine Personengesellschaft
Gemäß § 8a Abs. 6 Satz 2 KStG wird der Erwerb von Kapitalbeteiligungen durch eine Personengesellschaft erfasst, an der eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 8a Abs. 6 Satz 1 KStG alleine oder zusammen mit ihr nahe stehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel beteiligt ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG (Erwerbsvorgang) sind auf der Grundlage der Verhältnisse der Personengesellschaft und die Voraussetzungen des § 8a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG (Beteiligtenverhältnisse) auf der Grundlage der Verhältnisse der an der Personengesellschaft
beteiligten Kapitalgesellschaft zu prüfen. Die von § 8a Abs. 6 KStG erfassten Vergütungen führen zu verdeckten Gewinnausschüttungen, soweit sie den Gewinnanteil der Kapitalgesellschaft bei der Personengesellschaft mindern.
Sofern das Fremdkapital der Kapitalgesellschaft überlassen wird und der Erwerb der Kapitalbeteiligung durch eine der Kapitalgesellschaft nach geschaltete Personengesellschaft erfolgt, die die Voraussetzungen des § 8a Abs. 6 Satz 2 KStG erfüllt, ist ein mittelbarer Anteilserwerb im Sinne der Tz. 11 dieses BMF-Schreibens zu prüfen. Ein schädlicher Anteilserwerb liegt vor, wenn die Überlassung des Fremdkapitals nach dem erkennbaren Willen der Beteiligten dem Erwerb einer Kapitalbeteiligung dienen soll (Gesamtplan).
Der fremdfinanzierte Erwerb des Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft erfüllt die Voraussetzungen eines mittelbaren Anteilserwerbs, soweit das Vermögen der Personengesellschaft aus Kapitalbeteiligungen besteht.
§ 8a Abs. 6 Satz 2 KStG setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft zu einem Zeitpunkt ihres Wirtschaftsjahres alleine oder zusammen mit ihr nahe stehenden Personen im Sinne des § 1
Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel an der fremdfinanzierten Personengesellschaft beteiligt ist. Der Fremdkapitalgeber muss die hier dargestellten Voraussetzungen bezogen auf die Kapitalgesellschaft erfüllen.
VI. Anwendung
Die Bestimmungen des § 8a Abs. 6 KStG sind erstmals auf die Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 beginnen (§ 34 Abs. 6a Satz 1 KStG). Erfasst werden nur solche fremdfinanzierten Anteilserwerbe, bei denen das obligatorische Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) oder die erstmalige Überlassung des dem Erwerb dienenden Fremdkapitals nach dem 31. Dezember 2001 liegt.