Für die Kraftfahrzeugsteuer zählen nur die Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung

Die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer einschliesslich eventueller Steuerbefreiungen richtet sich nach den Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung II (ehemals Kraftfahrzeugbrief).

Wie sieht es nun aus, wenn ein Halter ein Fahrzeug erwirbt und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben wären, er dies indes nicht eintragen lässt? Wirkt die spätere Eintragung in der Zulassungsbescheinigung II zurück?

Das Finanzgericht Münster hat diese Frage nun verneint.

Worum ging es konkret?

Die Klägerin unterhält einen Schaustellerbetrieb und erwarb hierfür 2017 einen Sattelanhänger, der erstmals 1999 zum Straßenverkehr zugelassen worden war. In der Zulassungsbescheinigung Teil II war die Nutzung für das Schaustellergewerbe nicht vermerkt. Eine Änderung dieser Eintragung erfolgte auch nicht im Rahmen der Anmeldung des Sattelanhängers durch die Klägerin bei der Zulassungsbehörde.

Das Hauptzollamt setzte gegenüber der Klägerin ab dem Erwerb Kraftfahrzeugsteuer für den Sattelanhänger fest.

Hiergegen wandte die Klägerin im Einspruchsverfahren ein, dass es sich um einen „Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart“ handele, der nach § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG von der Steuer befreit sei. Diese Voraussetzung sei vom Hauptzollamt unabhängig von der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung zu prüfen.

Das Hauptzollamt erließ im November 2019 eine zurückweisende Einspruchsentscheidung und berief sich auf die Bindungswirkung der Zulassungsbescheinigung. Während des Klageverfahrens ließ die Klägerin die Zulassungsbescheinigung von der Zulassungsbehörde dahingehend umschreiben, dass der Sattelanhänger dort nunmehr als „Schaustellerfahrzeug Packwagen über 2,5t“ bezeichnet wird. Das Hauptzollamt sagte zu, die Steuerbefreiung ab dem Zeitpunkt der Umschreibung zu gewähren.

Die Entscheidung:

Das Finanzgericht hat sich der Auffassung des Hauptzollamtes angeschlossen und eine Rückwirkung der Anerkennung der Steuerbefreiung verneint.

Macht der Steuerpflichtige eine fortlaufende und jedenfalls der Sache nach bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung reichende anderweitige Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer geltend, stellt sich die Frage, über welchen Streitzeitraum im gerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist. Zwar ist der Entrichtungszeitraum der Kraftfahrzeugsteuer nach § 11 KraftStG auf die Dauer eines Jahres festgelegt. Die Steuer entsteht hierbei nach § 6 KraftStG bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums. Jedoch wird die Kraftfahrzeugsteuer nach § 12 KraftStG – wenn nicht der Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht feststeht – unbefristet festgesetzt. Diese unbefristete Festsetzung wirkt als Dauerverwaltungsakt dann sowohl für den aktuellen Entrichtungszeitraum als auch fortlaufend für die nachfolgenden Entrichtungszeiträume.

Das Finanzgericht Münster hält es angesichts dessen für zutreffend, diejenigen Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für den Streitgegenstand bei finanzgerichtlichen Klageverfahren über Kindergeld gelten, auch auf die vorliegende Konstellation im Bereich der Kraftfahrzeugsteuer zu übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist bei der Ablehnung oder der Aufhebung einer Festsetzung von Kindergeld der Streitgegenstand und damit der Streitzeitraum grundsätzlich auf die Monate bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beschränkt1. Die Bindungswirkung (i.S. einer bei fehlender Anfechtung eintretenden Bestandskraft) eines Bescheids der vorgenannten Art reiche nur bis zu diesem Zeitpunkt als Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Der Kindergeldanspruch könne daher in zeitlicher Hinsicht nur insoweit in zulässiger Weise zum Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle gemacht werden. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) sei es die Aufgabe der Gerichte, das bisher Geschehene oder Unterlassene auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben2. Eine entsprechende Klage gegen einen solchen Bescheid ist dementsprechend grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie nicht über den zulässigen Streitgegenstand hinausgeht3.

Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster erweisen sich diese Grundsätze auch für die vorliegende Konstellation im Bereich der Kraftfahrzeugsteuer als zutreffend. Der Beklagte hat unter Ablehnung der von der Klägerin geltend gemachten Steuerbefreiung die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 21.06.2017 unbefristet festgesetzt. Über den für die Steuerbefreiung relevanten Sachverhalt kann der Beklagte aber nur bis zum Zeitpunkt seiner letzten Entscheidung – hier der Einspruchsentscheidung – befunden haben. Nur bis zu diesem Zeitpunkt kann daher die entsprechende behördliche Entscheidung und die zugrunde liegende Beurteilung vom Gericht überprüft werden. Für zukünftige Zeiträume müsste das Gericht erstmals eine entsprechende Beurteilung treffen. Für den Streitfall wirkt sich die vorgenannte Auffassung des Finanzgerichts Münster so aus, dass im vorliegenden Klageverfahren nicht über die zwischen den Beteiligten unstreitige, jedoch noch nicht durch Erlass eines Änderungsbescheids umgesetzte Steuerbefreiung ab dem 09.06.2021 zu entscheiden ist, da dieser Zeitraum nicht mehr zum Streitzeitraum gehört. Der Beklagte wird aber – wie er in der mündlichen Verhandlung zugesagt hat – nachfolgend einen entsprechenden Änderungsbescheid erlassen.

Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 03.07.2017 und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Anhänger der Klägerin für den Streitzeitraum nicht nach § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG von der Steuer befreit war.

Nach § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG ist das Halten von Wohnwagen und Wohnmobilen jeweils mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 Kilogramm und Packwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2 500 Kilogramm im Gewerbe nach Schaustellerart, solange sie ausschließlich dem Schaustellergewerbe dienen, von der Steuer befreit.

Der Anhänger der Klägerin ist kein solcher begünstigter Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart i.S. des § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG. Dies steht aufgrund der Feststellungen der Zulassungsbehörde bindend fest.

Seit dem Verkehrsteueränderungsgesetz vom 05.12.20124 ist die Feststellung von Fahrzeugklassen und Aufbauarten durch die Zulassungsbehörde gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer verbindlich. Die durch die Zulassungsbehörde in den Fahrzeugpapieren dokumentierte Feststellung bezüglich Fahrzeugklasse und Aufbauart stellt insoweit einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO dar, an den die Zollverwaltung bei der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO gebunden ist, soweit nicht eine gesetzliche Regelung etwas anderes bestimmt, so z.B. § 18 Abs. 12 KraftStG in der bis zum 22.10.2020 geltenden Fassung5.

Die Zulassungsbehörden stellen die Fahrzeugklasse und die Aufbauart entsprechend dem „Verzeichnis zur Systematisierung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern“ des Kraftfahrtbundesamts (KBA-Verzeichnis) fest. Das KBA-Verzeichnis dient der einheitlichen Erfassung der gemäß § 6 Abs. 7 Nr. 1 und Nr. 7 Buchst. a der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung) in den Fahrzeugregistern zu speichernden und in den Fahrzeugpapieren zu erfassenden Daten. In diesem Verzeichnis sind im Abschn. A unter Teil A 1A die von den Zulassungsbehörden verwendeten EG-Fahrzeugklassen und in Teil A 1B die nationalen Fahrzeug- und Aufbauarten ausgewiesen6.

Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass der Anhänger der Klägerin als Sattelanhänger und nicht als Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart i.S.v. § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG zu behandeln ist. Denn laut Zulassungsbescheinigung Teil I ist der Anhänger xxx bis zum Zeitpunkt der Umschlüsselung am 09.06.2021 verkehrsrechtlich als Sattelanhänger mit Plane und Spriegel (Fahrzeugklasse 53, Aufbauart 0400) klassifiziert (vgl. dazu KBA-Verzeichnis, Stand: Juli 2021, Teil A 1B, S. 53). Für „Schaustellerwagen“ und dort „Packwagen“ über 2,5 t sieht das KBA-Verzeichnis eine eigene Einstufung vor (vgl. KBA-Verzeichnis, Stand: Juli 2021, S. 68).

Da das KraftStG keine eigenständigen und von der Bindungswirkung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG abweichenden Regelungen zur Bestimmung von Packwagen enthält, ist der Beklagte kraftfahrzeugsteuerrechtlich an die Einordnung des Anhängers der Klägerin als „Sattelanhänger“ (bis zum 08.06.2021) gebunden.

Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erst zu ändern, wenn für den Halter des Fahrzeugs ein entsprechender Feststellungsbescheid vorgelegt wird, sofern auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gegeben sind. Ist dies der Fall, so ist der Kraftfahrzeugsteuerbescheid – ggf. auch rückwirkend – ab dem Zeitpunkt zu ändern, ab dem nach dem Feststellungsbescheid die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen7. Da im Streitfall die Zulassungsbehörde den Anhänger der Klägerin nicht rückwirkend ab dem Tag der – ursprünglichen – Zulassung auf die Klägerin umgeschlüsselt und als „Schaustellerfahrzeug Packwagen“ eingetragen hat, sondern erst mit Aushändigung der neuen Zulassungsbescheinigungen am 09.06.2021, kann die begehrte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG frühestens ab dem 09.06.2021 gewährt werden.

Soweit die Klägerin auf die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 07.11.19898, vom 22.09.19929 und vom 25.04.201810 verweist, führt dies nach Auffassung des Finanzgerichts Münster zu keinem anderen Ergebnis. Denn in den genannten Entscheidungen ging es nicht um die Frage, ob die Eintragungen in den Zulassungsbescheinigungen für die steuerliche Einordnung eines Sattelanhängers – wie des der Klägerin – verbindlich sind.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die festzusetzende Kraftfahrzeugsteuer für den Streitzeitraum unzutreffend berechnet hat, haben sich nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nicht ergeben. Der anzuwendende Steuersatz richtet sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG. Danach beträgt die festzusetzende Steuer für Kraftfahrzeuganhänger – wie im Streitfall – höchstens 373,24 €.

Das Finanzgericht Münster hat allerdings die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Sowohl die Frage des maßgeblichen Streitzeitraums bei Konstellationen der vorliegenden Art als auch die Frage, ob sich die Bindungswirkung nach § 2 Abs. 2 KraftStG auf die Einordnung als Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart i.S.v. § 3 Nr. 8 Buchst. b KraftStG erstreckt, erscheinen klärungsbedürftig.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.09.2021 – 10 K 3692/19 Kfz
ECLI:DE:FGMS:2021:0923.10K3692.19KFZ.00

  1. BFH, Urteile vom 22.12.2011 – III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681; vom 05.07.2012 – V R 58/10, BFH/NV 2012, 1953 []
  2. BFH, Urteile vom 22.12.2011 – III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681; vom 19.10.2017 – III R 25/15, BFH/NV 2018, 546 []
  3. BFH, Urteil vom 25.09.2014 – III R 56/13, BFH/NV 2015, 206 []
  4. BGBl I 2012, 2431 []
  5. BFH, Urteile vom 21.02.2019 – III R 20/18, BFHE 264, 517, BFH/NV 2019, 1031; vom 12.11.2020 – IV R 36/19, BFH/NV 2021, 652 []
  6. BFH Urteil vom 12.11.2020 – IV R 36/19, BFH/NV 2021, 652 []
  7. BFH, Urteil vom 10.02.2021 – IV R 38/19, BFHE 272, 160, BFH/NV 2021, 1037 []
  8. BFH, Urteil vom 07.11.1989 – VII R 115/87 []
  9. BFH, Urteil vom 22.09.1992 – VII R 45/92 []
  10. BFH, Urteil vom 25.04.2018 – III R 40/17 []

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