Auf Antrag eines Bordellbetreibers, der Zimmer zu Tagesmieten an Prostituierte vermietet, hat der Bundesfinanzhof in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass gegen seinen erklärten Willen von der Steuerfahndung im Beisein von Polizeibeamten durchgeführte Kontrollbesuche, bei denen die Prostituierten vor Ort nach Namen, Anschrift, Aufenthaltsdauer und Tätigkeitsumfang und außerdem auch deren Kunden nach ihrem Namen befragt werden, schützenswerte Interessen des Vermieters nicht verletzen.
Wenngleich das „Älteste Gewerbe der Welt“ in unserer bürgerlichen Gesellschaft noch längst keine auch nur annähernd gleiche Akzeptanz wie die „ehrbaren“ Gewerbe erreicht hat, so wurde ihm doch die Gleichberechtigung zur Steuerzahlung stets eingeräumt. Einkünfte aus der Prostitution oder dem Betreiben eines Prostitutionsbetriebes waren trotz der Bewertung der Prostitution als sittenwidrig schon immer steuerpflichtig. Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt. Allerdings wird diese Gleichbehandlung dem Fiskus nicht immer leicht gemacht. In einem Bericht zur steuerlichen Erfassung von Prostituierten aus dem Jahr 2003 ging der Bundesrechnungshof davon aus, dass weniger als 1 % der in Deutschland tätigen Prostituierten steuerlich erfasst sind, konstatierte eine „unzureichende Besteuerung im Rotlichtmilieu“ und schätzte die Steuerausfälle auf jährlich mehr als 2 Milliarden Euro. Er hielt das übliche Verfahren der Einzelveranlagung bei Prostituierten für wenig erfolgreich und empfahl ein rechtlich abgesichertes pauschaliertes Besteuerungsverfahren. In einigen Bundesländern wird bereits seit etlichen Jahren ein pauschaliertes Besteuerungsverfahren praktiziert (sog. „Düsseldorfer Verfahren“). Dabei handelt es sich um ein gesetzlich nicht geregeltes, vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren, an dem sich die Betreiber von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben und die dort arbeitenden Prostituierten freiwillig beteiligen können. Der Vermieter zieht mit der Miete einen bestimmten Tagessatz ein, der sich aus Ertragsteuern, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer zusammensetzt, und führt den Betrag vierteljährlich an das zuständige Finanzamt ab.
Vor diesem Hintergrund hatte sich der Bundesfinanzhof mit der Zulässigkeit von Kontrollbesuchen der Steuerfahndung in einem Fall zu befassen, in dem ein Vermieter sich zunächst an diesem Verfahren beteiligte, dann aber über längere Zeit die Abführung der einbehaltenen Tagessätze – trotz wiederholter Aufforderung – unterließ. Die daraufhin von der Steuerfahndung durchgeführten Kontrollbesuche hält der BFH – in angemessener und zumutbarer Häufigkeit – im Rahmen des Auftrags der Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle für zulässig. Der mögliche (Neben-)Effekt, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen bzw. am „Düsseldorfer Verfahren“ teilzunehmen, sei mit dem Ermittlungsauftrag der Steuerfahndung nicht unvereinbar. Der Vermieter könne sich gegenüber den Kontrollbesuchen nicht auf ein Abwehrrecht als Inhaber des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen berufen, da die Kontrollbesuche bei den Mieterinnen selbst nicht als „Eingriffe und Beschränkungen“ des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 7 des Grundgesetzes zu qualifizieren seien.
Kontrollbesuche der Steuerfahndung in Räumlichkeiten, die an Prostituierte zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit vermietet worden sind, sind grundsätzlich –in angemessener und zumutbarer Häufigkeit– zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 hinreichend veranlasst. Der mögliche (Neben-)Effekt, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen bzw. am „Düsseldorfer Verfahren“ teilzunehmen, ist mit dem Ermittlungsauftrag der Steuerfahndung nicht unvereinbar.
Der Vermieter kann sich gegenüber den Kontrollbesuchen nicht auf ein Abwehrrecht als Inhaber des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen berufen, da die Kontrollbesuche bei den Mieterinnen selbst nicht als „Eingriffe und Beschränkungen“ i.S. des Art. 13 Abs. 7 GG zu qualifizieren sind.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. Dezember 2006 – VII B 121/06