Ein Tierarzt ist und bleibt ein Tierarzt – auch wenn er Menschen behandelt

Der Bundesfinanzhof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Tierarzt – neben der Behandlung von Tieren – auch sog. „Akupunkturbehandlungen“ an Menschen durchführte.

In mehreren Schreiben an das beklagte Finanzamt sowie in seinen Umsatzsteuererklärungen vertrat der klagende Tierarzt die Auffassung, seine Behandlungen von Menschen seien nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt hingegen sah die Leistungen in den Umsatzsteuerbescheiden als umsatzsteuerpflichtig an, weil der Kläger als Tierarzt nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis für die Behandlung von Menschen verfüge.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger u.a. mehrere positive Berichte von Patienten einreichte, hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht entschied, es fehle der berufliche Befähigungsnachweis. Eine berufsrechtliche Regelung für die vom Kläger angewandte Behandlungsform liege nicht vor. Er habe die Akupunkturprüfung nicht für den Bereich der Human-, sondern der Tiermedizin abgelegt. Eine regelmäßige Kostentragung durch Sozialversicherungsträger erfolge nicht. Den Leistungen liege auch kein Versorgungsvertrag zugrunde. Zwar könne sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen ausnahmsweise ergeben, wenn die fehlende Anerkennung einer bestimmten Heilmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe (sog. „Systemversagen“). Die danach erforderlichen Voraussetzungen seien aber vom Kläger nicht vorgetragen worden und lägen auch nicht vor, weil Akupunkturbehandlungen durch Humanmediziner anerkannt seien.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof verworfen.

Der Kläger hat nämlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.

Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt1. Hat der Bundesfinanzhof die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist2. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zur von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse3. Das Vorbringen, der Bundesfinanzhof habe über einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden, genügt insoweit nicht4.

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger bringt vor, eine Ausbildung zum Heilpraktiker würde sich aufgrund seines Alters nicht mehr „rentieren“. Das Finanzgericht habe die Klage abgewiesen, ohne auf die Besonderheiten des Einzelfalls einzugehen und diese zu würdigen. Der Begriff der „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“ sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich einer festen Abgrenzung entziehe und bei dem sich das, was rechtens sei, immer nach den Umständen des Einzelfalls richte. Demzufolge sei eine Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls vorzunehmen. Es reiche deshalb nicht aus, dass das FG allein die von der Rechtsprechung und Verwaltung aufgestellten Kriterien abgeprüft habe, aber den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt (Einzelfall) nicht gewürdigt habe. Ein solches Vorgehen widerspreche überdies dem Zweck unbestimmter Rechtsbegriffe, auch „untypische Sachverhalte“ systemkonform zu lösen. Dass die Definition der Rechtsprechung nicht abschließend sei, zeige sich z.B. an der Neuentwicklung von Behandlungsmethoden.

Soweit der Kläger damit vornehmlich auf die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls hinweist, liegt darin keine Darlegung einer – von den Umständen des Einzelfalls unabhängigen – abstrakten Rechtsfrage5.

Selbst wenn man jedoch den Ausführungen abstrakte Rechtsfragen entnehmen könnte, hat sich der Kläger außerdem weder mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union6 noch mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs7 zur Notwendigkeit eines beruflichen Befähigungsnachweises befasst. Weitergehender Klärungsbedarf allgemeiner Art ist insoweit nicht ersichtlich8.

Der Hinweis des Klägers darauf, dass die Rechtsprechung insbesondere bei neuen Behandlungsmethoden der Ergänzung bedürfe, stellt sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil das Finanzgericht in seinem Urteil – was in der Beschwerdebegründung nicht bestritten worden ist – angenommen hat, die vom Kläger angewandte Behandlungsmethode sei bei Personen, die über eine Akupunkturausbildung im Bereich der Humanmedizin – und nicht nur, wie der Kläger, im Bereich der Tiermedizin – verfügen, erstattungsfähig. Die Gewährung der Steuerbefreiung scheiterte mithin an einer nicht ausreichenden Ausbildung des Klägers im Bereich der Humanmedizin und nicht daran, dass die von ihm angewandte Behandlungsmethode (als solche) nicht anerkannt werden könne.

Fragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalt ausgeht, können in einem Revisionsverfahren indes nicht geklärt werden.

Weil sich der Streitfall auf eine nationale Gesetzeslage bezieht, in der – anders als heute – in § 4 Nr. 14 S. 4 Buchst. a UStG der Tierarzt noch ausdrücklich als potentieller Leistungserbringer genannt war hätte der Kläger überdies darlegen müssen, inwieweit sich die von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen entweder auch mit Blick auf die – gänzlich anders formulierte – Nachfolgeregelung oder in einer nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren stellen9.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.08.2014 – XI B 33/14

  1. BFH, Beschlüsse vom 16.05.2008 – VII B 118/07; vom 21.05.2013 – III B 59/12 []
  2. BFH, Beschluss vom 04.10.2010 – III B 82/10 []
  3. BFH, Beschlüsse vom 24.02.2014 – XI B 15/13; vom 09.04.2014 – III B 143/13 []
  4. BFH, Beschluss vom 10.08.2011 – X B 100/10 []
  5. BFH, Beschlüsse vom 16.09.2008 – X B 88/08; vom 18.02.2014 – III B 118/13; vom 05.03.2014 – IX B 107/13 []
  6. EuGH, Urteil vom 27.04.2006 – C-444/04 – Solleveld -, Slg. 2006, I-3617 []
  7. BFH, Urteile vom 12.08.2004 – V R 18/02; vom 11.11.2004 – V R 34/02; vom 30.04.2009 – V R 6/07; vom 08.03.2012 – V R 30/09 []
  8. BFH, Beschluss vom 14.10.2010 – V B 152/09 []
  9. BFH, Beschlüsse vom 03.11.2010 – I B 40/10; vom 31.10.2013 – V B 67/12 []

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