Umsatzsteuer in einer Labor-GmbH

Umsätze einer Labor-GmbH aus medizinischen Analysen sind nach einem jetzt veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs von der Umsatzsteuer befreit. Dieses damit abgeschlossenen aufwändigen Verfahrens vor den Finanzgerichten und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit zudem jedenfalls für den Gesetzgeber überraschendem Ausgang hätte es allerdings gar nicht erst bedurft, wenn der deutsche Gesetzgeber die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Sechsten EG-Richtlinie ordnungsgemäß in das Umsatzsteuergesetz (UStG) übernommen hätte.

Im Ausgangsfall, den der Bundesfinanzhof nun entschied, ging es darum, ob medizinische Analysen, die eine Labor-GmbH (als Spezial-Labor) im Auftrag anderer Labore (z.B. Laborgemeinschaften von Ärzten) ausführte, umsatzsteuerbefreite Umsätze im Rahmen der Heilbehandlung sind. Alleiniger Gesellschafter der Labor-GmbH – mit einer großen Zahl von Mitarbeitern – war ein Arzt für Labormedizin. Der Fall spielte in den Streitjahren 1990 bis 1993.

Im Lauf des langen Verfahrens ergab sich insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH,

  • dass § 4 Nr. 14 UStG, soweit er die Befreiung für ärztliche/arztähnliche Heilbehandlung für juristische Personen ausschloss, gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität – und damit gegen das Gemeinschaftsrecht – verstieß,
  • dass jedenfalls eine GmbH unter ärztlicher Geschäftsführung (unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter bzw. einer ertragsteuerlichen „Gepräge-Qualifikation“) befreite „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ ausführen kann und
  • dass die Leistung nicht unmittelbar an den Patienten ausgeführt werden muss, um befreit zu sein.

Daraus folgte, dass die medizinischen Analysen der GmbH im Streitfall nach § 4 Nr. 14 Abs. 1 UStG befreit werden müssen. Interessanterweise hatte der deutsche Gesetzgeber – zur Gleichstellung der entsprechenden Umsätze – auch die Umsätze aus der Tätigkeit als „klinischer Chemiker“ in die Vorschrift aufgenommen.

Dieser letztgenannte Ansatz des Gesetzgebers bewirkt einen weiteren Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht:

Umsätze einer Laboreinrichtung fallen nach dem System Sechsten EG-Richtlinie nicht unter die Befreiung für die ärztlichen und arztähnlichen Berufe, sondern für Heilbehandlung durch Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen. Für die Befreiung der zweiten Kategorie darf der nationale Gesetzgeber Einschränkungen vorsehen (wie z.B. die 40-Prozent-Grenze der begünstigten Patienten). Dabei muss er aber für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen, die solche (vergleichbare) Leistungen erbringen, gleiche Bedingungen aufstellen. Dagegen verstieß der deutsche Gesetzgeber mit der uneingeschränkten Befreiung von Leistungen der Einrichtung eines Laborarztes nach § 4 Nr. 14 UStG gegenüber der eingeschränkten Befreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG für die vergleichbaren Leistungen aller anderen Einrichtungen.

Eine richtlinienkonforme Neuregelung des Sektors dürfte nun wohl unumgänglich sein.

1. Ein Arzt für Laboratoriumsmedizin erbringt mit seinen medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen, die er im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften ausführt, „ärztliche Heilbehandlungen“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bzw. „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG; es ist nicht erforderlich, dass diese Leistungen unmittelbar gegenüber den Patienten erbracht werden (EuGH-Rechtsprechung).

2. Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin aus medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften sind auch dann nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 steuerfrei, wenn er sie in der Rechtsform einer GmbH erbringt und er der alleinige Gesellschafter dieser GmbH ist.

3. Soweit solche Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin sowohl unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/1991/1993 aufgrund dessen Anknüpfung an den Beruf (hier als Arzt) und dessen spezifische Umsätze als auch entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG unter die des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/ 1993 fallen, kann sich der Steuerpflichtige auf die für ihn günstigere Regelung des nationalen Rechts (§ 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993) berufen. § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 folgt insoweit einer anderen Systematik als Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG, die in erster Linie dem Ort der Leistungserbringung folgt. Der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 kann nicht im Wege der Auslegung auf den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 „begrenzt“ werden.

4. § 4 Nr. 16 UStG 1980/1991/1993 verstößt gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität, weil nicht für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannt sind, in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten.

5. Die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 bezieht sich nur auf die in § 4 Nr. 16 UStG 1980/1991/1993 genannten Umsätze selbst und nicht etwa auf den Gesamtumsatz des Unternehmers.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.03.07 – V R 55/03

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