Die Abgabe von Steuererklärungen ist für die meisten Bürger, Vereine und Firmen eine unliebsame Angelegenheit. Gerne schiebt man dies aufgrund des Aufwandes (oder aus gewissen anderen Gründen) gerne vor sich her.
Dies kann sich aber – neben eventuellen strafrechtlichen Problemen – auch finanziell rächen. Dies insbesondere seit der Änderung der Abgabenordnung zum 01.01.2019. Seitdem gilt nach § 152 Abs. 5 S. 2 AO nämlich:
„Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.„
Verwundert hat sich der ein oder andere Steuerpflichtige seit dieser Neuregelung die Augen gerieben: Die Berechnung der Steuer nach der endlich abgegebenen Steuererklärung hatte einen geringen Betrag ausgwiesen, aber das Finanzamt fordert erhebliche Verspätungszuschläge. Kann das sein?
Das Finanzgericht Hamburg ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass dies verfassungrechtlich unbedenklich ist.
In dem entschiedenen Fall ist die Klägerin eine GmbH, die für 2018 auch nach Aufforderung durch den Beklagten (das Finanzamt) keine Steuererklärung abgab. Der Beklagte erließ am 28.09.2020 einen Körperschaftsteuerbescheid für dieses Jahr. Er schätzte das zu versteuernde Einkommen auf 500 € und setzte die Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 75 € fest. Zugleich setzte er wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung den – streitgegenständlichen – Verspätungszuschlag in Höhe von 375 € fest.
Die Klägerin reichte ihre Steuererklärung am 28.10.2020 ein und erhob zugleich Einspruch gegen den Bescheid vom 28.09.2020. Die Höhe des Verspätungszuschlags stehe in einem groben Missverhältnis zur Höhe der Körperschaftsteuer und sei daher rechtswidrig. Die erstmalig für das Streitjahr geltende Rechtsgrundlage sei der Klägerin nicht bekannt gewesen. Im Übrigen sei die Verspätung der Steuererklärung unverschuldet, denn bei der vorherigen, zeitgerechten Einreichung habe es einen technischen Defekt gegeben.
Das Finanzamt setzte die Körperschaftsteuer erklärungsgemäß fest, beließ es aber bei dem festgesetzten Verspätungszuschlag.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht Hamburg abgewiesen.
Die Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 375 € ist nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
§ 152 Abs. 2 Satz 1 AO in der ab 01.01,2019 geltenden Fassung regelt, dass ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres abgegeben wurde.
Die Klägerin hat ihre Steuererklärung für das Kalenderjahr 2018 erst am 28.10.2020 und damit mehr als 14 Monate nach Ablauf des Jahres 2018 eingereicht.
Gemäß § 152 Abs. 5 Satz 2 AO beträgt der Verspätungszuschlag im Fall der Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen, für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.
Die Körperschaftsteuererklärung der Klägerin für 2018 war gemäß § 149 Abs. 2 AO bis zum 31.07.2019 abzugeben, so dass der für den Verspätungszuschlag maßgebliche Zeitraum 15 Monate beträgt. Zu Recht wurde daher der Betrag von (15 mal 25 € =) 375 € festgesetzt.
Ein Ermessen der Finanzbehörde für die Festsetzung des Verspätungszuschlags oder die Bestimmung seiner Höhe eröffnet das Gesetz im hier vorliegenden Fall des § 152 Abs. 2 AO nicht.
Die mit Wirkung für ab dem 01.01.2019 einzureichende Steuererklärungen geänderte Rechtsgrundlage für die Festsetzung und Bemessung des Verspätungszuschlags ist rechtmäßig erlassen und verkündet worden. Für die Wirksamkeit und Anwendbarkeit ist es, anders als die Klägerin meint, nicht erforderlich, dass potentiell Betroffene individualisiert über die Neuregelung informiert werden.
Unerheblich ist, so das Finanzgericht Hamburg, dass gegenüber der Klägerin neben der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung keine Ankündigung bzw. Androhung der Festsetzung des Verspätungszuschlags erfolgt ist. Dies ist weder nach dem Gesetz noch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erforderlich gewesen.
Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin, dass Erklärungspflichten und -fristen bei Steuerfällen von verhältnismäßig geringer Bedeutung folgenlos missachtet werden können, wäre nicht geschützt. Der in § 152 Abs. 5 Satz 3 AO geregelte Ausnahmefall einer erstmaligen Steuererklärung liegt bei der Klägerin nicht vor.
Eine einschränkende Auslegung der genannten Vorschriften für den Fall, dass die Steuer bzw. der für die Berechnung des Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 5 Satz 2, 1. Halbsatz AO maßgebliche Betrag für das zu veranlagende Jahr gering ist, kommt unbeschadet der von der Klägerin – zu Unrecht – gerügten Verfassungswidrigkeit bereits deswegen nicht in Betracht, weil das Gesetz für diese Fälle mit § 152 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz AO eine zu beachtende Regelung trifft.
Die Bemessung des Verspätungszuschlags hat der Gesetzgeber zunächst an die – um bestimmte Beträge verminderte – Steuer angeknüpft, was im Fall der Klägerin einen Gesamtbetrag von weniger als 10 € ergeben würde. Allerdings hat der Gesetzgeber die Fälle, in denen der Verspätungszuschlag bei dieser Bemessung sehr niedrig ausfallen würde, offensichtlich im Blick gehabt und für sie in § 152 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz AO die Regelung getroffen, dass ein Mindestbetrag von 25 € je Monat festzusetzen ist. Diese eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers für einen Mindestbetrag kann und darf, unbeschadet einer von der Klägerin in Frage gestellten Verfassungsmäßigkeit der Regelung, von den Rechtsanwendern in Verwaltung und Justiz nicht im Wege einer einschränkenden Auslegung übergangen werden, so das Finanzgericht Hamburg.
Das Finanzgericht Hamburg wäre zu der von der Klägerin geforderten Verwerfung der maßgeblichen Gesetzesvorschrift nicht befugt, denn die Verwerfungskompetenz steht im Fall der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen allein dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu. Auch hat das Finanzgericht Hamburg nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG i.V.m. § 80 BVerfGG das Klageverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage einzuholen, denn das Finanzgericht Hamburg hält die Rechtsgrundlage unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin nicht, wie es das Vorlageverfahren vorsieht, für verfassungswidrig.
Das einzige Argument der Klägerin – der Eingriff betreffe sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 GG, weil der Verspätungszuschlag ihren Gewinn des Streitjahres um nahezu das doppelt übersteige und damit in einem Missverhältnis zu dem mit dem Verspätungszuschlag verfolgten Zweck stehe – taugt zur Begründung eines Vorlagebeschlusses nicht. Die Klägerin hat, so das Finanzgericht Hamburg, schon nicht näher dargelegt, was der von ihr bemühte Zweck des Verspätungszuschlags ist bzw. warum die im Veranlagungsverfahren festzusetzende Steuer (einziger) Maßstab für die Verhältnismäßigkeit eines Verspätungszuschlags sein soll.
Im Übrigen ist die Regelung zum Verspätungszuschlag gemessen an den Regelungszwecken nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg nicht unverhältnismäßig.
Der Sinn und Zweck des Verspätungszuschlags besteht als Druckmittel eigener Art in einem zugleich repressiven und präventiven (erzieherischen) Charakter. Es soll die Störung der Veranlagungsarbeit durch den verzögerten oder unterbliebenen Eingang der Steuererklärung sanktioniert und der Steuerpflichtige für die Zukunft zur pünktlichen Abgabe der Steuererklärung angehalten werden1. Dass der Verspätungszuschlag daneben auch der Abschöpfung von Vorteilen dient, die der Steuerpflichtige aus einer verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogen hat, wird insbesondere bei der Bemessung nach § 152 Abs. 5 Satz 1 AO deutlich, soweit der Gesetzgeber die Höhe des Verspätungszuschlags auf 0,25 % der festgesetzten Steuer für jeden vollen Monat der verspäteten Abgabe der Steuererklärung bemisst2, ist aber bei der alternativen Berechnung nach dem in § 152 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz AO geregelten Mindestsatz erkennbar nicht bezweckt.
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 25 € pro Monat der Verspätung ist vor diesem Hintergrund nach Meinung des Finanzgerichts Hamburg nicht unverhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass der verfolgte Zweck durch andere, „mildere“ Mittel gleich wirksam zu erreichen ist3. Im maßgeblichen Normalfall ist der festgelegte, seiner absoluten Größe nach eher geringe Mindestbetrag auch im engeren Sinn nicht unverhältnismäßig, weder im Hinblick auf den zusätzlichen Aufwand, der der Finanzverwaltung durch die Nichtabgabe oder die verspätete Abgabe von Steuererklärungen entsteht, noch in Anbetracht der Verantwortung, die dem Steuerpflichtigen für die Erfüllung seiner Steuererklärungspflichten obliegt.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 27.07.2021 – 3 K 27/21
ECLI:DE:FGHH:2021:0727.3K27.21.00
- FG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2018 – 2 V 110/18 [↩]
- BFH, Urteil vom 28.03.2007 – IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450; Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 161. Lieferung, § 152 Verspätungszuschlag, Rn. 1 [↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 18.07.2003 – 18 K 5779/02 AO, EFG 2004, 17 [↩]