UMAG

Am 1. November tritt das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG – in Kraft. Dieses neue Recht bringt eine Reihe von Änderungen im Recht der Aktiengesellschaften und soll dazu beitragen, das Vertrauen der Anleger in die Integrität, Stabilität und Transparenz der Aktienmärkte zurückzugewinnen. Als Kernanliegen des künftigen Rechts sind besonders hervorzuheben:

Innenhaftung der Organe
Regelungsgegenstand ist die Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte wegen Sorgfaltspflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft. Der Haftungstatbestand ist im deutschen Aktienrecht an sich schon sehr scharf – berechtigte Ansprüche werden aber nur selten geltend gemacht. Dem Gesetz geht es nicht um Haftungsverschärfung, sondern um Erleichterung der Klagedurchsetzung durch eine Aktionärs-Minderheit. Um dabei missbräuchliche Rechtsausnutzung zu vermeiden, wird ein gerichtliches Vorverfahren (Zulassung) eingeführt und ein Haftungsfreiraum im Bereich qualifizierter unternehmerischer Entscheidungen geschaffen.

Nach § 148 AktG des Entwurfs können Aktionäre, deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen 1 % des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von 100.000 ? erreichen, den Anspruch der Gesellschaft gegen die Organe einklagen. Das ist gegenüber dem geltenden Recht eine sehr deutliche Herabsetzung des Quorums. Insbesondere die absolute Betragsschwelle von 100.000,- Nennbetrag ist deutlich niedriger als die bisherige Gesetzeslage – was bei der Bewertung des Gesamtkonzepts im Auge behalten werden muss. 100.000,- ? Nennbetrag in einem Einzeltitel dürften viele institutionelle Anleger und mancher größere Privatanleger auf die Waage bringen.

Die Minderheit kann den Anspruch für die Gesellschaft – und das ist ebenfalls ganz neu – im eigenen Namen geltend machen. Es gibt hier also keinen besonderen und vom Gericht eingesetzten Vertreter mehr. Die Klage wird aber „gefiltert“ durch ein gerichtliches Zulassungsverfahren. Dadurch sollen missbräuchliche Klagen ausgesiebt werden. Die Zulassung ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Das Gericht lässt die Haftungsklage nur zu, wenn

  • die antragstellenden Aktionäre die Aktien schon länger halten als sie Kenntnis von den behaupteten Pflichtverstößen und Schäden haben konnten,
  • sie die Gesellschaft vergeblich aufgefordert haben, selbst Klage zu erheben,
  • sie Tatsachen bewiesen haben, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist, und
  • keine gewichtigen Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen.

Ferner sieht das Gesetz die Schaffung eines Aktionärsforums für klagewillige Kleinaktionäre im elektronischen Bundesanzeiger vor. Auch das ist eine innovative Maßnahme zur Verbesserung des Anlegerschutzes. Über dieses Forum können Aktionäre Mitstreiter für das Erreichen gesetzlicher Quoren und zur Stimmrechtsausübung suchen und sie zum Mitmachen aufrufen.

Zuständig für die Klagezulassung ist das Landgericht des Gesellschaftssitzes. Eine Nebenintervention, also das Trittbrettfahren weiterer Aktionäre nachdem eine Klage zugelassen ist, ist hinsichtlich dieser Klage ausdrücklich ausgeschlossen. Ist die Klage einmal zugelassen, so trägt die Gesellschaft die Kosten des weiteren Verfahrens. Die Kosten des Zulassungsverfahrens bekommen die Kläger von der Gesellschaft jedoch nur erstattet, wenn die Klage zugelassen wird. Die Gesellschaft kann aber insgesamt Rückgriff nehmen, wenn sich später herausstellt, dass die Zulassung durch unrichtigen Vortrag erschlichen wurde. Haben mehrere Kläger zusammen die Klage beantragt und das Quorum gestellt, so wird grundsätzlich nur ein Anwalt erstattet.
7. Das abgesenkte Quorum von 1 % Kapitalanteil oder 100.000 ? Nennbetrag wird auch für die Sonderprüfung eingeführt. Die Sonderprüfung ist oft erforderlich, um die Tatsachen für eine spätere Haftungsklage aufzudecken. Damit werden die Voraussetzungen für Sonderprüfung und Haftungsklage vereinheitlicht, was bereits im Rahmen der KonTraG-Gesetzgebung gefordert worden war. Auch bei der Sonderprüfung haften die Kläger aber bei durch unrichtigen Vortrag erschlichener Prüfer-Bestellung für die verursachten Kosten – das ist nicht ungefährlich.

Gewissermaßen als Gegengewicht zur Erleichterung der Haftungsklage ist die sog. Business Judgment Rule in das Aktiengesetz aufgenommen worden, d.h. ein Haftungsfreiraum, wenn der Vorstand eine unternehmerische Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen getroffen hat.

Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der AG
Um dieses für die Aktionäre wichtige Schutzinstrument zu bewahren, aber zugleich die missbräuchliche Ausnutzung des Anfechtungsrechts zu unterbinden, sieht das UMAG Regelungen zum Frage- und Rederecht in der Hauptversammlung vor und übernimmt ferner für besonders wichtige Anfechtungsfälle das bewährte gerichtliche Freigabeverfahren aus dem Umwandlungsgesetz.

Wohl am bedeutsamsten ist die Einführung eines gerichtlichen Eilverfahrens (Freigabeverfahrens) für Anfechtungsklagen (Vorbild: § 16 UmwG). Wird eine Anfechtungsklage gegen einen besonders wichtigen Hauptversammlungs-Beschluss eingelegt, so kann die Gesellschaft beim Gericht beantragen, dass der Beschluss trotzdem in das Handelsregister eingetragen wird und ausgeführt werden kann. Die Klage legt das Unternehmen also nicht auf lange Zeit lahm. Das Gericht hat hier eine sorgfältige Interessenabwägung zu treffen. Die Freigabe ist mit Bestandssicherungswirkung ausgestattet. Das heißt: Verfügt das Gericht die Eintragung des Beschlusses, so muss seine Umsetzung nicht rückgängig gemacht werden, selbst wenn der Anfechtungskläger später im Hauptverfahren recht bekommt. Der Anfechtungskläger erhält dann nur noch Schadensersatz. Das Freigabeverfahren ist aber beschränkt auf Kapitalmaßnahmen (also vor allem Kapitalerhöhungen) und Unternehmensverträge. Hier ist die Gefahr einer Blockade des Unternehmens besonders groß. Dadurch entsteht auch ein sehr hohes Erpressungspotential. In allen anderen Fällen der Anfechtungsklage kann es dem Unternehmen zugemutet werden, den Ausgang des Hauptverfahrens abzuwarten.

Da das Freigabeverfahren ein Eilverfahren ist, wird dem Gericht eine Fristvorgabe gesetzt. Das Prozessgericht soll spätestens binnen drei Monaten entscheiden. Vergleiche müssen künftig mit allen Nebenbedingungen und eventuellen Sondervorteilen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Ferner: Wo ein Spruchverfahren nach dem neuen Spruchverfahrensgesetz möglich und ausreichend ist, es also nur um Bewertungsfragen geht, soll künftig eine auf Auskunftsrügen gestützte Anfechtungsklage ausgeschlossen sein, denn ein doppelter Rechtsschutz ist nicht nötig. Anfechtungsklage kann künftig nur erheben, wer schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung Aktionär war. Damit wird verhindert, dass sich jemand nach Lektüre der Tagesordnung schnell eine Aktie kauft, weil er eine Klagemöglichkeit wittert.

Das Fragerecht der Aktionäre in der Hauptversammlung ist sehr wichtig, wurde aber bisher mitunter missbraucht, um Verfahrensfehler zu provozieren und den Boden für Anfechtungsklagen zu bereiten. Die Neuregelung sieht vor, dass der Versammlungsleiter per Satzung ermächtigt werden kann, angemessene Frage- und Redezeitbegrenzungen festzusetzen. Das Gesetz stärkt also die Satzungsautonomie der Aktiengesellschaft. Des weiteren behandelt das UMAG die frequently asked questions (faq) und vorab von Aktionären eingereichte schriftliche Fragen. Diese können auf der Website der Gesellschaft eingestellt und beantwortet werden. Sie brauchen dann in der Hauptversammlung nicht mehr beantwortet zu werden. Dadurch kann das lästige und zeitraubende Verlesen von Listen, Tabellen u. dergl. eingespart werden. Die Hauptversammlung soll der Strategiediskussion dienen und soll ein Forum ernsthaft an dem Unternehmen interessierter Gesellschafter sein.

Teilnahme an der Hauptversammlung
Mit der Neuregelung des § 123 AktG wird ein ganz alter Zopf abgeschnitten: Die Hinterlegung der Aktien zur Hauptversammlungsanmeldung ist nicht mehr das gesetzliche Basismodell für die Legitimation der Teilnahme an der Hauptversammlung. Die bisherige Regelung sprach noch davon, dass ein Aktionär, der seine Rechte in der Hauptversammlung ausüben möchte, dazu seine Aktien zu „hinterlegen“ habe. Das macht heute keinen Sinn mehr, denn meist gibt es nur noch Globalurkunden und die Aktionäre haben keine verbrieften Stücke mehr. Nunmehr gilt:

  • Es wird nunmehr ausdrücklich ein Anmeldeerfordernis zur Hauptversammlung eingeführt. In Satzungsautonomie wird die nähere Ausgestaltung geregelt;
  • Abschaffung der historischen Hinterlegung von Aktien als gesetzliche Grundregel;
  • bei Inhaberaktien zusätzlich Regelung eines Berechtigungsnachweises, die genaueren Regelungen erfolgen in der Satzung der Gesellschaft. Da die Aktiengesellschaft bei Inhaberaktien ihren Aktionär nicht kennt, bedarf es hier einer besonderen Legitimation.
  • Einführung eines so genannten record date 21Tage vor der Hauptversammlung – (Stichtag vor der Hauptversammlung). Das folgt internationalen Vorbildern und bedeutet, dass derjenige, der sich mit einem solchen Nachweis fristgemäß angemeldet hat, als legitimiert gilt, auch wenn er die Aktien danach noch veräußern sollte. Dadurch werden die Aktien insbesondere bei den Fonds handelbar gehalten, die aus Furcht vor der „Sperrung der Aktien“ bisher oft ihre Stimmen nicht ausgeübt haben. Für die erste Hauptversammlung nach neuem Recht sieht das Gesetz in § 16 EG-AktG eine Übergangsregelung vor.

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