Wird ein „gefährlicher Hund“ gehalten, aber das Antragsformular für die Erlaubnis der Haltung eines solchen Hundes nicht eingereicht, so darf die Behörde kein Hundehaltungsverbot aussprechen, so das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Die Behörde hätte allerdings ggfls. die Wegnahme anordnen können, was sie nicht tat.
Im Einzelnen:
Die Beteiligten streiten über das an die Antragstellerin gerichtete Verbot, einen bestimmten „gefährlichen Hund“ zu halten und diesen an einen Berechtigten abzugeben.
Die Antragstellerin ist Halterin eines Rüden namens A-Hund, den sie von ihrer Mutter als Vorbesitzerin aus Offenbach erworben hatte und bei dem es sich aus Sicht der Antragsgegnerin um einen American Bulldog/American Staffordshire-Terrier-Mischling handelt; über die Eigenschaft als „gefährlicher Hund“ streiten sich die Beteiligten in einem parallelen Verfahren. Durch Verfügung untersagte die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Antragstellerin die weitere Haltung und Führung dieses Hundes und ordnete an, dass der Hund innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Verfügung an einen zur Haltung (Halten und Führen) eines gefährlichen Hundes Berechtigten (Unterbringung in einem Tierheim in gemeinnütziger Trägerschaft, Unterbringung außerhalb Hessens unter Beachtung der am Unterbringungsort gültigen Rechtsvorschriften, Übergabe an einen Inhaber einer Erlaubnis für diesen Hund zum Halten und Führen eines gefährlichen Hundes) abzugeben und die erfolgte Abgabe an den Berechtigten zugleich innerhalb des vorgenannten Zeitraumes ihr gegenüber entsprechend nachzuweisen sei.
Die Antragstellerin hat daraufhin beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs beantragt.
Die Antragsgegnerin wandte hiergegen im Wesentlichen ein, die streitbefangene Haltungsuntersagung sei nach § 1 Abs. 4 HundeVO erlassen worden, weil die Antragstellerin bis dato weder das ausgefüllte Antragsformular eingereicht noch Gründe für die Verzögerung angezeigt habe. Dabei sei die Haltungsuntersagung nicht etwa sofort nach Ablauf der gesetzten Frist, sondern erst gut zwei Wochen später erlassen worden. Der Antragstellerin sei also faktisch genügend Zeit eingeräumt worden, den Antrag zu stellen. lm Übrigen sei der Antragstellerin hinlänglich bekannt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Hund A um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO handele, dessen Haltung eine Erlaubnis der örtlich zuständigen Ordnungsbehörde erfordert. Zwischenzeitlich habe die Antragstellerin nicht nur das vollständig ausgefüllte Antragsformular, sondern fast alle erforderlichen Unterlagen eingereicht. Auch das Führungszeugnis Belegart R liege der Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin mittlerweile vor. Nach wie vor fehlte aber der Nachweis über die Entrichtung der fälligen Hundesteuer. Deshalb habe dem Antrag immer noch nicht stattgegeben werden können.
Die Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat dem Antrag stattgegeben.
Der Antrag ist erfolgreich, denn an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme bestehen durchgreifende Zweifel:
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßgeblich ist eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Dabei prüft das Gericht, ob die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 VwGO formell ordnungsgemäß angeordnet wurde und trifft im Übrigen eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
Hier genügt die in der angegriffenen Verfügung gegebene Begründung den formalen Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Mit dem Hinweis auf die Beachtung der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden einschließlich des darin enthaltenen Verbots der Haltung eines gefährlichen Hundes ohne Erlaubnis sowie dem damit verfolgten Zweck des Schutzes Dritter vor Gesundheits- und Lebensgefahren als überwiegendem öffentlichen Interesse, verbunden mit der Einschätzung, die Antragstellerin habe durch ihr bisheriges Verhalten Anlass zur Befürchtung gegeben, dass sie trotz Kenntnis der Vorschriften dieser Gefahrenabwehrverordnung ihren Hund ohne die erforderliche Sorgfalt führen und weiterhin schützenswertes Gut gefährden oder verletzen würde sowie der daraus gezogenen Schlussfolgerung, sofortiges Handeln sei geboten, so dass nicht abgewartet werden könne, bis die Verfügung nach Abschluss sämtlicher Rechtsbehelfe und -mittel vollziehbar werde, ist eine hinreichend individuelle Begründung, die sich nicht in formelhaften Ausführungen erschöpft, gegeben worden.
Jedoch überwiegt nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage das private Aussetzungs- das öffentliche Vollzugsinteresse, da durchgreifende Zweifel an der richtigen Handhabung des § 1 Abs. 4 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) bestehen. Nach dessen Vorgabe kann
„[d]ie zuständige Behörde … jedermann das Halten und Führen eines bestimmten Hundes dauerhaft untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass davon eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht.“
In den Hinweisen für die Durchführung der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (VVHundeVO)1, heißt es hierzu:
Durch die Regelung des Abs. 4 soll der Behörde die Möglichkeit zum Einschreiten gegeben werden, wenn Gefahren von einem Hund aufgrund eines nicht sachgemäßen Haltens oder Führens ausgehen. Verursacher der Gefahren sind in erster Linie die Personen, die den Hund halten oder führen und erst in zweiter Linie der Hund. Diesen Personen kann daher das Halten oder Führen von Hunden untersagt werden. Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr vorliegt. Dies kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn bei einer alkohol- oder drogenabhängigen Person mit Ausfallerscheinungen zu rechnen ist und damit einhergehend eine Unfähigkeit zur Kontrolle des Hundes besteht.
Im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob die Untersagung zunächst zeitlich begrenzt werden muss.
Zulässig ist auch die generelle Untersagung des Haltens und Führens von Hunden auf der Grundlage der Generalklausel des § 11 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). Die Zuständigkeit liegt hierfür ebenfalls bei dem Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde (vergleiche Beschluss des Hess. VGH vom 29.06.2009 – 8 B 1034/09).
Den hiernach für sie geltenden Vorgaben wird die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin nicht gerecht.
Nach der erklärten Zielrichtung von § 1 Abs. 4 HundeVO begegnet schon die Gleichsetzung eines – aus Sicht der Antragsgegnerin – zunächst nicht erfolgten Antrags auf Erteilung einer (ggf. nur vorläufigen, vgl. § 3 Abs. 2 HundeVO) Erlaubnis für das Halten und Führen eines gefährlichen Hundes mit dem in der Verwaltungsvorschrift angeführten nicht sachgemäßen Halten oder Führen eines Hundes Bedenken.
Als potentielles Druckmittel zur Herbeiführung einer nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 3 HundeVO erforderlichen Antragstellung ist § 1 Abs. 4 HundeVO nicht konzipiert. Der Mechanismus, den die Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden für den Fall, dass die nach ihr bestehenden Verbote oder Gebote – einschließlich der Erlaubnispflicht – nicht beachtet werden, zur Verfügung stellt, ist ein anderer: In diesem Fall wäre nach § 14 Abs. 1 HundeVO die Anordnung einer Sicherstellung sowie Verwahrung des Hundes nach den §§ 40 und 41 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) zu prüfen.
Mithin wäre es nicht Sache der Antragstellerin, wegen vollziehbaren Haltungsverbots für eine Unterbringung bei einem Berechtigten innerhalb der ihr gesetzten Frist zu sorgen, sondern Sache der Antragsgegnerin, der Antragstellerin den Hund wegzunehmen.
Das hiesige Vorgehen wäre nur in Betracht gekommen, wenn aufgrund von Tatsachen die Eignung der Antragstellerin zum sachgemäßen Halten oder Führen ihres Hund A – unabhängig dessen rechtlicher Qualifizierung – zu verneinen und daraus folgende Gefahren für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren zu bejahen wären. Hierzu hat die Antragsgegnerin indes nichts aufzuzeigen vermocht.
Verwaltungsgericht Frankfurt, Beschluss vom 26.10.2021 – 5 L 2738/21.F
ECLI:DE:VGFFM:2021:1026.5L2738.21.F.00
Anmerkung:
Diese Entscheidung zeigt wieder sehr deutlich, dass Behörden – gerade auch im Bereich des Hunderechts – rechtswidrige Bescheide erlassen und es sich lohnt, anwaltliche Hilfe (am Besten durch auf das Hunderecht spezialisierter Rechtsanwälte) in Anspruch zu nehmen.
- StAnz. 48/2014 S. 1000 [↩]