Immer häufiger werden Makler in die Vermittlung von Wohnraum eingebunden.
Was passiert, wenn der Makler in dem dem Interessenten übermittelten Exposé Angaben macht, die unzutreffend sind, was sich aber aus den weiter zur Verfügung gestellten Unterlagen ergibt?
Über einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof nun zu entscheiden.
In dem konkreten Fall kauften die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel zu einem Preis von 200.000 €.
Die Beklagte, die von Beruf Maklerin ist, hatte die Wohnung in einem Exposé wie folgt beworben:
„Komplett renovierte 4-Zimmer-Terrassenwohnung über zwei Etagen, Wohnfläche 125 qm, Zimmer 4“.
Vor Vertragsschluss hatte die Beklagte den Klägern einen Grundriss der Wohnung und eine Kopie der Teilungserklärung übergeben. In dieser ist für das Kaufobjekt eine „Wohnfläche“ von 68,66 qm und eine „zusätzliche Nutzfläche (Souterrain bzw. Spitzboden)“ von 55,20 qm angegeben.
Die Räumlichkeiten im Souterrain sind bauordnungsrechtlich wegen zu geringer Deckenhöhe nicht zum Wohnen zugelassen.
Gestützt darauf, die Beklage habe sie arglistig über die Wohnraumqualität der im Souterrain gelegenen Räumlichkeiten getäuscht, verlangen die Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der weiteren Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.
Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen1. Die Berufung der Kläger hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen2.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum mBundesgerichtshof hatten die Kläger nun Erfolg. Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht meinte, Ansprüche der Kläger auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und auf Schadensersatz aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung schieden aus, weil die Beklagte nicht vorsätzlich falsche Angaben zur Wohnnutzung gemacht habe. In der zu dem Exposé gehörenden Grundrisszeichnung sei für die Erdgeschosswohnung „WHG 51 = 70,07 qm WFL“ und „Souterrain 51 = 55,27 qm NFL“ eingezeichnet gewesen. Dadurch und durch die vorherige Übergabe der Teilungserklärung seien die Kläger über die tatsächlichen Verhältnisse der Wohnung informiert worden. Zwar habe die Beklagte als Maklerin wissen müssen, dass ein nicht fachkundiger potentieller Käufer den Begriff „Wohnfläche“ dahingehend verstehe, dass die Wohnnutzung auf der so bezeichneten Fläche zulässig sei. Die Unterscheidung zwischen Wohnfläche und zusätzlicher Nutzfläche im Souterrain hätte sich für die Kläger aber aus der Teilungserklärung und der Grundrisszeichnung eindeutig ergeben.
Dies sieht der Bundesgerichtshof anders:
Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen3. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist3.
So verhält es sich nach Auffassungs des Bundesgerichtshofs hier, soweit das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht meint, die Kläger hätten nicht dargelegt, dass die Beklagte vorsätzlich falsche Angaben zu der möglichen Wohnnutzung der Räume in dem Souterrain gemacht habe.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht verweist zur Begründung darauf, sowohl in der Teilungserklärung als auch in den Grundrisszeichnungen sei eindeutig zwischen Wohnfläche und (zusätzlicher) Nutzfläche im Souterrain unterschieden worden.
Damit übergeht das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht – so der Bundesgerichtshof – den Vortrag der Kläger in der Berufungsbegründung, bei der Besichtigung habe die Beklagte die Eignung der gesamten Wohnung zu Wohnzwecken angepriesen, obwohl sie gewusst habe, dass die Wohnnutzung des Souterrains bauordnungsrechtlich unzulässig sei. Die Souterrainräume seien von der Beklagten zu Wohnzwecken genutzt und entsprechend eingerichtet gewesen. In der Grundrisszeichnung sei das Souterrain mit „Gäste“, „Abstell“, „Bad“, „Arbeitszimmer/Schlafzimmer/Kinder“ und damit als Wohnbereich gekennzeichnet gewesen. Die Beklagte habe den Vorschlag gemacht, dass der Souterrainbereich in eine Einliegerwohnung für den Sohn der Kläger verwandelt werden könne, wenn dieser älter sei. Deswegen hätten sie, die Kläger, der Unterscheidung zwischen Wohn- und Nutzfläche in dem Grundriss und in der Teilungserklärung keine besondere Bedeutung zugemessen, sondern auf die Aussagen der Beklagten vertraut, insbesondere auch deswegen, weil diese von Beruf Maklerin gewesen sei.
Der übergangene Sachvortrag ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch entscheidungserheblich.
Bei Zugrundelegung des Vortrags der Kläger hat die Beklagte in Kenntnis der Bedeutung dieses Umstands für die Entschließung der Kläger vorsätzlich falsche Angaben über die zulässige Wohnnutzung der Räume im Souterrainbereich gemacht. Sie hat durch ihr Verhalten bei der Besichtigung den bereits durch das Exposé erweckten Eindruck verstärkt, dass es sich um Wohnräume handelt, obwohl eine solche Nutzung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wegen zu niedriger Deckenhöhe bauordnungsrechtlich nicht zugelassen ist und sie dies nach dem vom Landgericht Kiel wiedergegebenen eigenen Sachvortrag wusste. Ihr war auch bewusst, dass die Wohnnutzung für die Kläger von Interesse war.
Diese durch aktives Tun hervorgerufene Vorstellung der Kläger hat die Beklagte nicht durch spätere Aufklärung wieder beseitigt, so der Bundesgerichtshof. Die Übergabe der Teilungserklärung und der Grundrisszeichnung, in der zwischen „Wohnfläche“ und „Nutzfläche“ unterschieden wurde, war hierzu nicht ausreichend. Der Verkäufer, der falsche Angaben gemacht hat, genügt seinen vorvertraglichen Pflichten nicht schon dadurch, dass er den Kaufinteressenten in die Lage versetzt, die Unrichtigkeit dieser Angaben zu erkennen; er ist vielmehr verpflichtet, eine bei diesem zuvor hervorgerufene Fehlvorstellung zu korrigieren, indem er die wahren Verhältnisse von sich aus offenbart. Die beklagte Maklerin war deshalb verpflichtet, die Kläger auf die bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit der Wohnnutzung des Souterrains ausdrücklich hinzuweisen4.
Etwas anderes folgt nicht aus der vom Landgericht Kiel herangezogenen Entscheidung, in der der Bundesgerichtshof ausgesprochen hat, dass den Verkäufer, der über die Größe der Wohnfläche durch Übergabe von Grundrisszeichnungen mit Maßen und Angaben zu den Raumgrößen informiert, keine weitergehende Aufklärungspflicht trifft, weil der Kaufinteressent nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den im Verkehr herrschenden Anschauungen nicht erwarten kann, auch darüber informiert zu werden, welche Wohnfläche das zum Verkauf stehende Haus nach den für deren Ermittlung einschlägigen Normen (DIN 283, §§ 42 bis 44 II. BV aF, §§ 2 bis 4 WoFlV) hat5. Hier geht es nämlich nicht um die Richtigkeit von Grundrisszeichnungen bzw. einer daraus abgeleiteten Wohnfläche, sondern um die Frage, ob Räume überhaupt zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen.
Vorsätzlich falsche Angaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache begründen einen Anspruch des Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten. Dieser Anspruch wird auch nach Gefahrübergang nicht durch die Vorschriften über die Haftung des Verkäufers wegen eines Sachmangels nach §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen6. Der Geschädigte kann grundsätzlich Ersatz des Vertrauensschadens verlangen7. Er ist berechtigt, sich von dem Vertrag zu lösen und Ersatz seiner im Vertrauen auf den Vertragsschluss getätigten Aufwendungen zu verlangen8.
Der Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Kläger führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Für die erneute Sachbehandlung hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass auch eine Haftung der Beklagten nach §§ 434 ff. BGB in Betracht kommt:
Entgegen der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts liegt – so der Bundesgerichtshof – ein Sachmangel vor, soweit das Souterrain wegen zu niedriger Deckenhöhe bauordnungsrechtlich nicht als Wohnraum genutzt werden darf. Nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gehören zur Sollbeschaffenheit der Kaufsache die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten darf; hierzu gehören auch Angaben in einem Exposé9. Die Annahme eines Sachmangels wegen des Fehlens einer Eigenschaft der Kaufsache, die der Käufer nach § 434 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB erwarten kann, setzt nicht voraus, dass diese Eigenschaft in dem notariellen Kaufvertrag Erwähnung findet10. Danach durften die Kläger erwarten, dass das Souterrain zur Wohnnutzung zugelassen ist. Tatsächlich ist das nicht der Fall.
Die insoweit unzutreffende öffentliche Äußerung der Beklagten ist nicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB in gleichwertiger Weise berichtigt worden. Dazu hätte es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eines eindeutigen Hinweises der Beklagten bedurft, woran es fehlt. Den in der Teilungserklärung und in der Grundrisszeichnung gemachten Angaben zur Nutzfläche des Souterrains konnten die Kläger nicht klar entnehmen, dass entgegen der Angabe in dem Exposé eine Wohnnutzung der Souterrainräume bauordnungsrechtlich unzulässig ist. Eine Berichtigung ist auch nicht in § 1 Abs. 4 des Kaufvertrags erfolgt. Dort heißt es: „Die Wohnung ist belegen im Erdgeschoss und Souterrain. Die Wohnung hat gemäß der Teilungserklärung eine Wohnfläche von ca. 70,07 qm zzgl. 55,27 qm Souterrain.“ Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Unzulässigkeit der Wohnnutzung ergibt sich daraus nicht.
Auf den in dem Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss, der auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) eines Grundstücks oder des aufstehenden Gebäudes erfasst11, kann die Beklagte sich nicht berufen, wenn sie arglistig gehandelt hat (§ 444 BGB). Die objektive Seite einer arglistigen Täuschung ist regelmäßig gegeben, wenn Räume als Wohnraum angepriesen werden, obwohl die für eine solche Nutzung notwendige baurechtliche Genehmigung nicht vorliegt12. Nichts anderes gilt, wenn Räume als Wohnraum angeboten werden, obwohl die für eine solche Nutzung notwendige bauliche Beschaffenheit (hier: Deckenhöhe) nicht gegeben ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2019 – V ZR 186/18
ECLI:DE:BGH:2019:140319BVZR186.18.0
- LG Kiel, Urteil vom 30.11.2017 – 12 O 164/16 [↩]
- OLG Schleswig, Beschluss vom 19.06.2018 – 7 U 118/17 [↩]
- BGH, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZR 146/14 [↩] [↩]
- BGH, Urteil vom 27.05.1977 – V ZR 201/75 [↩]
- BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 [↩]
- BGH, Urteile vom 27.03.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205; vom 06.11.2015 – V ZR 78/14 [↩]
- BGH, Urteil vom 19.05.2006 – V ZR 264/05 [↩]
- BGH, Urteil vom 19.01.2018 – V ZR 256/16 [↩]
- BGH, Urteile vom 16.03.2012 – V ZR 18/11; vom 22.04.2016 – V ZR 23/15 [↩]
- BGH, Urteile vom 22.04.2016 – V ZR 23/15; vom 19.01.2018 – V ZR 256/16; vom 09.02.2018 – V ZR 274/16 [↩]
- BGH, Urteil vom 22.04.2016 – V ZR 23/15 [↩]
- BGH, Urteil vom 27.06.2014 – V ZR 55/13 [↩]