Veräußerung einer Arztpraxis durch einen Erben, die Einkommensteuer und die Haftungsbeschränkung

Nach einem Todesfall gibt es für die Hinterbliebenen vieles zu regeln. Hierzu gehört auch die Frage, wer Erbe ist, wie mit dem Nachlaß umzugehen ist und, ob eventuell die Erbschaft ausgeschlagen werden sollte (was fristgerecht geschehen muss!).

Das Finanzgericht Münster hat nun über einen Fall entschieden, bei dem es darum ging, ob der Erbe auch dann mit seinem gesamten Vermögen für Steuerschulden aus der Veräußerung einer geerbten Arztpraxis haftet, wenn er mangels Approbation die Praxis nicht fortführen darf.

In dem entschiedenen Fall erbte der Kläger eine Pathologie, die er nach den berufsrechtlichen Vorschriften mangels eigener Approbation weder selbst noch durch Einsatz angestellter Ärzte fortführen durfte. Daher veräußerte er die Praxis und erzielte hieraus einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn. Über den Nachlass ordnete das Amtsgericht ein Nachlassinsolvenzverfahren an.

Daraufhin erließ das Finanzamt entsprechende Einkommensteuerbescheide gegen ihn. Seine Klage richtete der Kläger gegen die vom beklagten Finanzamt im Hinblick auf die Einkommensteuerschulden durchgeführte Zwangsvollstreckung. Er führte aus, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuerschulden auf den Nachlass beschränkt seien. Da ihm keine anderen Handlungsoptionen als die Veräußerung geblieben seien, seien auch die Steuerschulden zwangsläufig entstanden.

Dem folgte das Finanzgericht Münster nicht und hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger kann der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen nicht die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass, § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 1975 BGB, entgegensetzen.

Nach geänderter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beinhaltet § 45 Abs. 2 S. 1 AO einen Rechtsgrundverweis auf das erbrechtliche Haftungsregime1. Danach ist unabhängig davon, dass einkommensteuerrechtlich allein der Erbe die Einkünfte erzielt, zivilrechtlich zu beurteilen, ob eine Steuerschuld von der Haftungsbeschränkung umfasst ist.

Die zivilrechtliche Haftung des Erben ist gemäß § 1967 BGB dadurch gekennzeichnet, dass der Erbe zunächst unbeschränkt, aber beschränkbar haftet. Eine solche Beschränkung tritt nach § 1975 BGB durch die Anordnung der Nachlassverwaltung   oder die Eröffnung der Nachlassinsolvenz ein. Sie erfasst die Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGB, d.h. einerseits die vom Erblasser herrührenden Schulden, § 1967 Abs. 1 BGB, und andererseits die sog. Erbfallschulden, die den Erben als solchen treffen.

Der Begriff der Erbfallschulden wird in Abstraktion der in § 1967 Abs. 2 BGB genannten Regelbeispiele der Erbfallschulden, nämlich den Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen, gewonnen. Diesen ist gemein, dass sie mit dem Erbfall entstehen und nicht auf einem Verhalten des Erben beruhen. So hat der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person nicht zum Erben bestimmt oder ein Vermächtnis oder eine Auflage angeordnet. Entsprechend sind Erbfallschulden jenseits einer etwaigen ausdrücklichen gesetzlichen Qualifikation nach dem erbrechtlichen Haftungsregime dadurch gekennzeichnet, dass sie trotz ihrer Entstehung nach dem Erbfall abschließend durch den Erblasser angelegt waren2.

Die Rechtsprechung hat deshalb jenseits des § 1967 Abs. 2 BGB insbesondere die vom Nachlassverwalter begründeten Verbindlichkeiten, in jüngerer Zeit unter Einschluss der begründeten Steuerschulden1, ebenso wie die Kosten der Beerdigung und die Erbschaftsteuer als Erbfallschulden qualifiziert. Ebenso hat der Bundesfinanzhof unter Anwendung dieser Maßstäbe die Einkommensteuerschuld aus der Veräußerung eines mit weiteren Mitgesellschaftern gehaltenen Motorschiffes nicht als Eigenschuld eingeordnet3. Denn noch der Erblasser fasste gemeinsam mit den weiteren Mitreedern den Beschluss, das Motorschiff zu veräußern; noch zu Lebzeiten des Erblassers wurde ein Korrespondentreeder hiermit beauftragt und bevollmächtigt. Allein die Abwicklung dieses Geschäftes folgte dem Erbfall nach, dies war aber aufgrund seerechtlicher Besonderheiten weder durch den Erben noch einen Nachlassverwalter zu beeinflussen.

Von diesen Nachlassverbindlichkeiten sind die Eigenschulden des Erben zu unterscheiden. Für solche Eigenschulden haftet der Erbe mit seinem gesamten Vermögen. Dies beruht darauf, dass der Rechtsverkehr grundsätzlich davon ausgehen kann, dass für vom Erben durch eigenes Verhalten begründete Verbindlichkeiten das gesamte Vermögen und nicht nur ein Nachlass als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung steht4.

Soweit diese Eigenschulden in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben eingegangen werden, weisen sie eine Doppelnatur auf. Neben ihrer Eigenart, Eigenschulden des Erben zu sein, qualifiziert die Rechtsprechung diese zugleich als Nachlassverbindlichkeiten in Form sog. Nachlasserbenschulden, ohne hierdurch zu einer Erweiterung der Haftungsbeschränkung des § 1975 BGB zu gelangen. Diese Einordnung als Nachlassverbindlichkeiten beruht darauf, dass dem Erben im Falle der Anordnung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach §§ 1978 Abs. 3, 670, 257 BGB ein Freistellungs- oder Ersatzanspruch gegenüber dem Nachlass zukommt, der im Falle einer Nachlassinsolvenz vorrangig zu befriedigen ist, § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Auf Grund dessen hat die Rechtsprechung dem Gläubiger einen danebenstehenden, eigenständigen und unmittelbaren Anspruch gegen den Nachlass zugebilligt, um eine aufwendige Pfändung dieses Freistellungs- oder Ersatzanspruches zu vermeiden5. Dieser weitere Anspruch lässt allerdings das Bestehen des Anspruches gegen den Erben selbst und seine Haftung mit dem Eigenvermögen unberührt4. Allein im Wege einer Vereinbarung mit dem Gläubiger kommt dem Erben die Möglichkeit zu, die Verbindlichkeit auf einen Anspruch gegen den Nachlass zu beschränken6.

Der Bundesgerichtshof hat dabei in jüngerer Zeit aus Sicht des erkennenden Senates klarstellend ausgeführt, dass die Begründung einer Eigenschuld kein aktives, nach außen wahrnehmbares Verhalten erfordert, sondern auch ein Unterlassen eine hinreichende Zurechnungsgrundlage zu begründen vermag, beispielsweise wenn ein Erbe eine ihm mögliche Kündigung oder Wohnnutzung unterlässt7. Er hat deshalb, ohne in der Sache abschließend selbst entscheiden zu können, eine Haftung des Erben mit seinem gesamten Vermögen für nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Eigentümerversammlung neu begründete Wohngeldschulden angenommen. Das notwendige haftungsbegründende eigene Verhalten des Erben sieht der Bundesgerichtshof allein im Halten der Wohnung ab Annahme der Erbschaft oder Ablauf der Ausschlagungsfrist, da es sodann „allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Entscheidung [beruhe], wie er mit der Wohnung verfährt, ob er sie selbst nutzt, vermietet bzw. vermietet lässt, verkauft oder in sonstiger Weise aus ihr Nutzen zieht“4. Dies hat der Bundesgerichtshof damit näher begründet, dass der Erbe in diesen Fällen mit den Kosten abgegoltene Leistungen erhält, die er widrigenfalls nur durch „den Abschluss oder die Fortführung von Verträgen und damit unter Begründung einer Eigenschuld erhalten würde“8. Allein in eng gefassten Ausnahmefällen sei ein „passives Verhalten“ nicht hinreichend für die parallele Begründung einer Eigenschuld, „beispielsweise dann […], wenn der Erbe aufgrund einer Belastung der Wohnung mit einem Wohnrecht für einen Dritten keine Handlungsoptionen im Hinblick auf die Nutzung der Wohnung hat und er zudem keine Nutzungen aus ihr zieht und auch nicht ziehen kann […]; sobald er aber an Beschlüssen der Eigentümerversammlung mitwirkt, liegt auch in diesen Konstellationen ein Verwaltungshandeln des Erben vor.“4. Vergleichbar hat der Budesgerichtshof das Bestehen einer Eigenschuld eines Wohnraumvermieters abgelehnt, wenn dieser das Mietverhältnis innerhalb der Frist des § 564 S. 2 BGB kündigt9.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Münster ist daher die Abgrenzung zwischen den der Haftungsbeschränkung unterliegenden Erbfallschulden und den der Haftungsbeschränkung nicht unterfallenden Eigenschulden des Erben danach vorzunehmen, ob die Verbindlichkeit abschließend und allein durch den Erblasser angelegt war oder durch ein eigenes Verhalten des Erben verursacht wurde. Soweit die Verbindlichkeit allein und abschließend durch den Erblasser angelegt war, liegt eine Erbfallschuld, andernfalls, d.h. soweit der Erbe durch eigenes Verhalten die Grundlage der Verbindlichkeit gesetzt hat, eine Eigenschuld des Erben vor.

In Anwendung dieser zivilrechtlichen Maßstäbe kommt das Finanzgericht Münster zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine Eigenschuld des Klägers anzunehmen ist, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet.

Die rechtsgeschäftliche Veräußerung der Pathologie stellt zweifelsohne ein eigenes Verhalten des Klägers dar. Mit ihr hat der Kläger am Rechtsverkehr teilgenommen, indem er einen Käufer für die Pathologie suchte und einen Kaufvertrag über ebendiese abschloss. Der Rechtsverkehr musste und konnte dabei davon ausgehen, dass das Eigenvermögen des Klägers als Haftungsmasse zur Verfügung stand. Nichts anderes kann dann aber für das Steuerrecht gelten, das in § 45 Abs. 2 S. 1 AO unmittelbar an diese zivilrechtliche Rechtslage anknüpft.

Die hiergegen vom Kläger vorgebrachten Einwendungen erachtet das Finanzgericht Münster als nicht durchgreifend.

Dem Kläger ist zunächst nicht darin zu folgen, dass der hier zur Entscheidung stehende Fall wie der vom Bundesfinanzhof im Urteil vom 11.08.199810, beurteilte Fall zu behandeln ist. In diesem Verfahren bejahte der Bundesfinanzhof die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass, weil durch den Erblasser ein Geschehensablauf in Gang gesetzt worden war, kraft dessen es ohne irgendein Handeln des Erben zur Entstehung eines Veräußerungsgewinnes gekommen ist. Konkret fasste der Erblasser gemeinsamen mit den weiteren Mitreedern einen Beschluss, ein Motorschiff zu veräußern; noch zu Lebzeiten des Erblassers wurde ein Korrespondentreeder hiermit beauftragt und bevollmächtigt. Allein die Abwicklung dieses Geschäftes folgte dem Erbfall nach, war aber weder durch den Erben noch einen Nachlassverwalter zu beeinflussen. Es entsprach dem Zufall, ob die Steuerschuld noch zu Lebzeiten des Erblassers oder erst nach dessen Ableben entstand.

Hiervon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Einzelfall erheblich, so das Finanzgericht Münster weiter.

Denn anders als im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat der Kläger im vorliegenden Fall mit der Veräußerung der Pathologie eine eigene Handlungsgrundlage gesetzt, die zur Entstehung des Veräußerungsgewinnes nach § 16 Abs. 1 EStG geführt hat. Ohne die Vornahme der Veräußerung wäre es zur Entstehung dieses Gewinnes und der hieraus resultierenden Steuerschuld nicht gekommen. Es entsprach gerade nicht dem Zufall, ob die Steuerschuld zu Lebzeiten des Erblassers entstand.

Anders als der Kläger annimmt, standen diesem auch verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung, sodass nicht bereits deshalb, entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 05.07.201311 eine Haftungsbeschränkung anzunehmen ist. Denn dieser hat eine Haftungsbeschränkung nur für den Fall für möglich erachtet, dass dem dortigen Kläger überhaupt keine Möglichkeit zur Nutzung der Wohnung verbliebe12. Im Streitfall musste der Kläger die Praxis zwar aufgrund der berufsrechtlichen Vorgaben aufgeben. Mit der Möglichkeit einer Betriebsaufgabe, einer Betriebsveräußerung oder allmählichen Betriebsabwicklung standen dem Kläger jedoch verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) ist die Ausübung des ärztlichen Berufes in kassen- wie privatärztlicher Tätigkeit an die Approbation gebunden. § 29 Abs. 2 HeilBerG NRW fordert zudem grundsätzlich die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten in einer niedergelassenen Praxis. Die Anstellung einer Ärztin oder eines Arztes ist nach § 29 Abs. 2 S. 1 aE HeilBerG NRW nur in der Praxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte möglich. Die Errichtung einer juristischen Person des Privatrechts zur Ausübung des ärztlichen Berufes ist im hier maßgebenden Bezirk der Ärztekammer Westfalen-Lippe, vgl. §§ 2 Abs. 1, 1 S. 1 Nr. 1 HeilBerG NRW, allein durch Ärztinnen und Ärzte sowie bestimmte weitere Berufsgruppen als Gesellschafter zulässig, § 29 Abs. 2 S. 3 HeilBerG NRW, §§ 23a Abs. 1 S. 2, 23b Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (BO-Ä WL). § 23a Abs. 1 S. 4 BO-Ä WL bestimmt ausdrücklich, dass die Gesellschaft verantwortlich von einem Arzt geführt werden muss und Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein dürfen. Allein für einen Übergangszeitraum ist die vertretungsweise Führung der Praxis berufsrechtlich zulässig. Nach § 20 Abs. 2 BO-Ä WL darf die Praxis zugunsten bestimmter Verwandter sowie der Ehe- oder Lebenspartner für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten weitergeführt werden. Im Falle einer kassenärztlichen Tätigkeit beschränkt § 95 Abs. 7 S. 1 SGB V den zeitlichen Rahmen der durch § 2 Abs. 2 BO-Ä WL eröffneten Fortführungsmöglichkeit weiter und erlaubt die Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit durch einen anderen Arzt lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten, § 8 Abs. 5 des Bundesmantelvertrages Ärzte (BMV-Ä) in der im Streitjahr maßgebenden Fassung.

Nach diesem Maßstab musste der Kläger die Praxis aufgeben, da er diese in keiner Form fortführen konnte. Der Kläger selbst verfügt nicht über die erforderliche berufsrechtliche Qualifikation. Er selbst konnte daher die Praxis weder in eigener Person fortführen noch einen zugelassenen Arzt zur Führung der Praxis anstellen. Überdies bestand auch nicht die Möglichkeit eines Rechtsformwechsels zur Beteiligung als Gesellschafter und Führung der Gesellschaft durch einen Arzt. Letztlich war ihm jede finanzielle, gewinnorientierte Beteiligung verwehrt.

Soweit der Kläger daher die Praxis aufgeben musste, konnte er dies aber durch eine Betriebsaufgabe, Betriebsveräußerung oder allmähliche Betriebsabwicklung herbeiführen. Damit stand es dem Kläger trotz der einengenden berufsrechtlichen Vorgaben frei, darüber zu befinden, ob er die Praxis in einem Zug aufgibt oder veräußert oder mehraktig abwickelt. Der Kläger konnte mit anderen Worten entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Form er die Praxis nutzt, indem er ihren Wert (anteilig) realisiert.

Soweit der Beklagte noch auf die Möglichkeit der Ausschlagung als Handlungsoption des Klägers verweist, folgt das Finanzgericht Münster dem nicht, ohne dass dies angesichts der vorgenannten Handlungsoptionen von Bedeutung ist. Denn sähe man in jedem Fall, bei dem die Ausschlagungsfrist ohne Erklärung der Ausschlagung ausläuft, bereits eine hinreichende Haftungsgrundlage, die zur Begründung von Eigenschulden führt, so würden die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975 ff. BGB weitgehend leerlaufen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass allein für den Fall einer nicht anfechtbaren Annahme der Erbschaft vorgesehen ist.

In diesem Sinne versteht das Finanzgericht Münster auch die Hinweise des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 05.07.201312. Soweit dieser auf die Ausschlagungsmöglichkeit verweist, dient dies nicht mehr der Begründung, warum eine Eigenschuld vorliegt und eine hinreichende Haftungsgrundlage des Erben anzunehmen ist. Vielmehr begründet der Bundesgerichtshof an dieser Stelle ausdrücklich nur, warum die Haftung nicht unbillig sei11. Die Entstehung einer Eigenschuld hat der Bundesgerichtshof aber ausdrücklich nicht mit dieser Erwägung begründet, sondern ausgeführt, dass das bloße Halten einer Wohnung eine hinreichende Haftungsgrundlage für die Entstehung einer Eigenschuld vermittle, wenn dem Erben verschiedene Nutzungsmöglichkeiten zukommen11.

Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass sich der Kläger auf Grund des Vermächtnisses zur Veräußerung veranlasst sah. Soweit der Kläger vorträgt, ihm hätten ohne die Veräußerung die erforderlichen Mittel zur Erfüllung des Vermächtnisses nicht zur Verfügung gestanden, so liegen hierin zwar nachvollziehbare wirtschaftliche Erwägungen für eine Veräußerung der Pathologie. Der Kläger war aber nicht, wie es erforderlich wäre, rechtsverbindlich auf eben diese Handlungsoption beschränkt.

Aus Sicht des Finanzgerichts Münster ist schließlich nicht deshalb eine andere Beurteilung angezeigt, weil die Entstehung einer Steuerschuld mit der Erbeinsetzung des Klägers angelegt war. Zwar musste der Kläger die Praxis aufgrund der berufsrechtlichen Vorgaben aufgeben und damit war die Entstehung einer Steuerschuld zwingend. Hieraus kann aber weder das Vorliegen einer Erbfallschuld noch die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung dergestalt, dass unabhängig des konkreten Entstehungstatbestandes eine Beschränkungen der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass anzunehmen ist, gefolgert werden.

Soweit der Kläger die Praxis aufgeben musste, war die Entstehung einer Steuerschuld im Zuge einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG, im Zuge einer Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG oder im Zusammenhang mit einer allmählichen Betriebsabwicklung nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zwingend. Denn der Kläger konnte sich nicht auf die Rechtsgrundsätze einer steuerlichen Betriebsverpachtung oder Betriebsunterbrechung im engeren Sinne berufen, um die Entstehung eines Betriebsaufgabegewinnes zu verhindern.  Voraussetzung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist nämlich, dass der Steuerpflichtige den Betrieb entweder jederzeit fortführen kann13, woran der Kläger aber gerade gehindert war, oder der Steuerpflichtige im Begriff ist, die notwendige Qualifikation zu erwerben, weshalb der Betrieb als solcher für diesen Übergangszeitraum erhalten bleiben soll. Der Kläger war aber nicht im Begriff, die notwendige Qualifikation zu erwerben, dies wäre ihm angesichts des notwendigen Erwerbs des Abiturs, der Absolvierung des Medizinstudiums einschließlich des Praxisjahres und dem Abschluss der Facharztausbildung auch nicht in Bälde möglich gewesen.

Auch wenn damit die Entstehung einer Steuerschuld durch den Erblasser angelegt war, was typisch für die der Haftungsbeschränkung unterliegenden Erbfallschulden ist, vermag das Finanzgericht Münster angesichts der eigenen Handlungsgrundlage, die durch die Betriebsveräußerung gesetzt wurde, keine systematische Gleichstellung der verschiedenen Entstehungstatbestände anzuerkennen, in deren Folge für alle Formen der Entstehung der Steuerschuld eine Haftungsbeschränkung anzunehmen sein könnte.

Hiergegen spricht aus Sicht des Finanzgerichts Münster zunächst die Systematik des erbrechtlichen Haftungsregimes, das nach der gesetzgeberischen Entscheidung des § 45 Abs. 2 S. 1 AO auch für das Besteuerungsverfahren maßgebend ist. Denn nach der eingangs geschilderten Systematik dient der Einbezug der Eigenschulden in den Kanon der Nachlassverbindlichkeiten nicht dem Zweck, auf diese die Haftungsbeschränkung des § 1975 BGB zu erweitern. Vielmehr soll hierdurch dem Gläubiger nur ein direkter Zugriff auf den Nachlass ermöglicht werden.

Auch steuerrechtssystematische Erwägungen streiten nicht für eine derartige Gleichstellung. Denn die einer solchen Schlussfolgerung zugrunde zu legenden Erwägungen, erweisen sich als nicht tragfähig. So wäre einerseits anzunehmen, dass die Betriebsaufgabe, die Betriebsveräußerung und die allmähliche Betriebsabwicklung steuerrechtlich gleich zu behandeln sind. Andererseits wäre vorauszusetzen, dass der im Zuge einer Betriebsaufgabe entstehende Aufgabegewinn der Haftungsbeschränkung unterfiele.

Zwar stellen die Durchführung einer Betriebsaufgabe, einer Betriebsveräußerung und einer allmählichen Betriebsabwicklung Verhaltensweisen dar, die sämtlich die Entstehung einer Einkommensteuerschuld zur Folge haben. Sie beruhen allerdings im tatsächlichen Vorgang auf unterschiedlichen Verhaltensweisen und zeitigen verschiedene einkommensteuerrechtliche Rechtsfolgen. So ist im Zuge einer Betriebsveräußerung der aus dem Einmalvorgang der Veräußerung konkret erzielte Veräußerungsgewinn einmalig der Besteuerung zugrunde zu legen. Im Falle einer allmählichen Betriebsabwicklung sind veräußerte Wirtschaftsgüter auf Basis des Veräußerungspreises und entnommene Wirtschaftsgüter auf Grundlage des gemeinen Wertes als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb zu versteuern. Im Zuge einer Betriebsaufgabe ist wiederum einmalig der Aufgabegewinn zu versteuern, der ausgehend vom gemeinen Wert entnommener und vom Veräußerungspreis veräußerter Wirtschaftsgüter ermittelt wird. Während im Falle der Betriebsveräußerung regelmäßig ein Geschäfts- oder Firmenwert abgegolten werden wird, ist dieser bei der Ermittlung des Aufgabegewinnes nach der Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen; vielmehr ist von einem Untergang des Geschäfts- oder Firmenwertes auszugehen14. Soweit § 16 EStG nach der äußeren Systematik damit noch eine Gleichstellung dieser beiden Varianten nahelegt, erschöpft sich diese darin, dass ein einmaliger Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn zu besteuern ist.

Schließlich geht aus Sicht des Finanzgerichts Münster jedenfalls nicht eine jede Betriebsaufgabe mit der Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung einher. Denn § 16 Abs. 3 S. 6 EStG sieht im Zuge einer Betriebsaufgabe ausdrücklich die Möglichkeit vor, einzelne Wirtschafsgüter zu veräußern. Eine solche Veräußerung würde aber auch zumindest für den auf der Veräußerung beruhenden Anteil am Aufgabegewinn eine   Eigenschuld begründen, für die zivilrechtlich eine Haftungsbeschränkung ausscheidet.

Auch die weiteren vom Kläger gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände erachtet das Finanzgericht Münster als nicht durchgreifend.

So ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Nachlass kein Einkommensteuersubjekt ist, sondern der Erbe die Einkünfte erzielt. Soweit der Kläger damit auf Grund des Vorliegens einer Eigenschuld für Steuerschulden haftet, die auf in den Nachlass fallenden Einkünften beruhen, liegt hierin keine übermäßige Besteuerung, die gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt15.

Dem Einwand des Klägers, er werde nunmehr dafür bestraft, Arbeitsplätze erhalten und eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewählt zu haben, kommt nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen keine Bedeutung zu. § 45 Abs. 2 S. 1 AO beinhaltet allein einen Rechtsgrundverweis auf das erbrechtliche Haftungsregime1. Das erbrechtliche Haftungsregime beruht allerdings nur auf den eingangs geschilderten Erwägungen, nicht aber auf wirtschaftspolitischen Überlegungen. Entscheidend bleibt allein das Vorliegen einer eigenen Haftungsgrundlage, weil hierdurch die begründete Erwartung des Rechtsverkehrs hervorgerufen wird, dass die handelnde Person mit ihrem Eigenvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht.

Die Revision gegen diese Entscheidung hat das Finanzgericht Münster gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Denn der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 10.11.201516 bisher nur über eine Erbfallschuld befunden, nicht aber über Eigenschulden des Erben. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung jedenfalls nicht geklärt, ob unter Beachtung berufsrechtlicher Vorgaben, die mangels persönlicher Fortführungsmöglichkeit zu einer Veräußerung, Abwicklung oder Aufgabe eines ererbten ehemals freiberuflichen Betriebes zwingen, die durch eine Betriebsveräußerung, -aufgabe oder -abwicklung zur Entstehung gelangende Steuerschuld der Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass unterfällt.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 24.09.2019 – 12 K 2262/16
ECLI:DE:FGMS:2019:0924.12K2262.16.00

  1. BFH, Urteil vom 10.11.2015 – VII R 35/13, BFHE 252, 201, BStBl. II 2016, 372 [] [] []
  2. BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446; Palandt, 77. Auflage 2018, § 1967 BGB, Rz. 2 ff.; Erman/Horn, 15. Auflage 2017, § 1967 BGB, Rz. 1 f., 6 f. []
  3. BFH, Urteil vom 11.08.1998 – VII R 118/95, BFHE 186, 328, BStBl. II 1998, 705 []
  4. BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446 [] [] [] []
  5. RG, Urteil vom 26.03.1917 – IV 398/16, RGZ 90, 91; BGH, Urteile vom 10.02.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60; vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446 []
  6. Staudinger/Dutta, Neubearbeitung 2016, § 1978 BGB, Rz. 40, 42 m.w.N. []
  7. BGH, Urteile vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446; vom 23.01.2013 – VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933 []
  8. BGH, Urteil vom 14.12.2018 – V ZR 309/17, NJW 2019, 988 []
  9. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933 []
  10. BFH, Urteil vom 11.08.1998 – VII R 118/95 []
  11. BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12 [] [] []
  12. BGH, Urteil vom 05.07.2013, V ZR 81/12 [] []
  13. BFH, Urteil vom 28.09.1995 – IV R 39/94, BFHE 179, 75, BStBl. II 1996, 276 []
  14. BFH, Urteile vom 02.09.2008 – X R 32/05, BFHE 224, 217, BStBl. II 2009, 634; vom 04.04.1989 – X R 49/87, BFHE 156, 214, BStBl. II 1989, 606; vom 14.02.1978 – VIII R 158/73, BFHE 124, 447, BStBl. II 1979, 99; Schmidt/Wacker, 38. Auflage 2019, § 16 EStG, Rz. 294 aE []
  15. BFH, Urteil vom 11.08.1998 – VII R 118/95, BFHE 186, 328, BStBl. II 1998, 705; dem für die zivilrechtliche Betrachtungsweise ausdrücklich folgend BFH, Urteil vom 10.11.2015 – VII R 35/13, BFHE 252, 201, BStBl. II 2016, 372; BFH, Beschluss vom 14.07.2016 – IX B 142/15, BFH/NV 2016, 1453 []
  16. BFH, Urteil vom 10.11.2015 – VII R 35/13, in Abkehr vom Urteil vom 28.04.1992, VII R 33/91 []