Das Verwaltungsgericht Koblenz hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren festgestellt, dass es zulässig war, einem Hauswirtschaftsleiter (Antragsteller) den Zutritt zu einem Seniorenheim, bei dem er tätig war, zu verweigern, weil er keinen Immunitätsnachweis bzgl. Covid-19 vorweisen konnte.
Der Antragsteller hatte beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen das sofort vollziehbare Verbot zur Betretung seiner Arbeitsstätte in einem Seniorenheim sowie die ebenfalls sofort vollziehbare Zwangsmittelandrohung in einem entsprechenden Bescheid des Antragsgegners anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat diesen Antrag abgelehnt.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts – wie hier das Betretungsverbot gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20a Abs. 5 Satz 4 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG –) und die Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Landesgesetz zur Ausführung der VwGO – kraft Gesetzes entfällt, an
ordnen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Im Rahmen seiner Entscheidung trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das Interesse an einem sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder das Interesse für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung höher zu bewerten ist. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die
Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Antragstellers aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Antragsteller als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Hat dagegen die Anfechtungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen
der vorzunehmenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Folgenabwägung statt.
Diese Interessenabwägung geht nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz vorliegend zulasten des Antragstellers aus, da sich die angegriffenen Anordnungen nach derzeitigem Sach- und Streitstand als rechtmäßig erweisen.
Die Anordnung in Ziffer I. des Bescheids, mit welcher der Antragsgegner dem Antragsteller untersagt hat, ab dem 22.09.2022 seine Arbeitsstätte im A Seniorenzentrum in B zu betreten, findet ihre Rechtsgrundlage in § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG.
Die Vorschrift begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken1. Dies gilt in Anbetracht der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens auch weiterhin2. Soweit der Antragsteller die Geeignetheit der Impfung für eine Absenkung der Transmissionswahrscheinlichkeit in Zweifel zieht und auf behauptete Bestrebungen des Gesundheitsministeriums hinweist, die einrichtungsbezogene Nachweispflicht zur Immunisierung auslaufen zu lassen, ist bei summarischer Prüfung nicht festzustellen, dass die noch im April 2022 vom Bundesverfassungsgericht verfassungsgerichtlich gebilligte Einschätzung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der Omikron-Variante BA.5 nun offensichtlich als nicht mehr vertretbar erweist3. Auch bleibt die Impfung trotz der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht weiterhin freiwillig, sodass der Einwand des Antragstellers, das Bundesverfassungsgericht habe die Freiwilligkeit der Impfung betont, nicht verfängt. Den von der Nachweispflicht betroffenen Personen steht es frei, sich im Falle ihrer Ablehnung gegenüber einer Impfung um eine Tätigkeit in einer nicht von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Einrichtung zu bemühen4. Der besonderen Verantwortung, die in oder für eine Einrichtung im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG Beschäftigte für die vulnerablen Personen in dieser Einrichtung zu tragen haben und an die auch das Gesetz anknüpft5, müssen sich die Beschäftigten bei ihrer Arbeitsplatzwahl bewusst sein.
Es liegen auch die Voraussetzungen des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG vor.
Nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift müssen Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind ab dem 15.03.2022 über einen Nachweis einer COVID-19-Impfung oder einer Genesung von der COVID-19-Krankheit verfügen. Sie haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis im Sinne des Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Als Nachweis kommen danach ein Impfnachweis (§ 22a Abs. 1 IfSG), ein Genesenennachweis (§ 22a Abs. 2 IfSG), ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sich die Personen im ersten Schwangerschaftsdrittel befinden, oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können, in Betracht. Kommt die nachweispflichtige Person ihrer Pflicht zur Vorlage eines dieser Immunitätsnachweise trotz Anforderung durch das Gesundheitsamt innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, kann das Gesundheitsamt dieser Person nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird.
Dies vorausgeschickt ist der Antragsteller nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG zur Vorlage eines Immunitätsausweises an den Antragsgegner verpflichtet, weil er zu dem in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Personenkreis gehört, so das Verwaltungsgericht Koblenz. Denn er ist bei einer Firma angestellt, welche die Heimleitung für das Seniorenheim A in B übernommen hat, und dort als Leiter der Hauswirtschaft einer Einrichtung im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG tätig. Als solcher hat er die administrative Leitung und ist für die Organisation, Abwicklung, Kontrolle und Koordinierung des gesamten hauswirtschaftlichen Bereichs mit dem Schwerpunkt Wäscheversorgung, Gebäudereinigung, Gastronomie und Küche sowie Verpflegung, Service und die Cafeteria zuständig.
Soweit der Antragsteller einwendet, aufgrund seiner rein administrativen Tätigkeit in der Einrichtung keinen unmittelbaren Kontakt zu den Heimbewohnern und dem Pflegepersonal zu haben, steht dies seiner Pflicht zur Vorlage eines Immunitätsnachweises nicht entgegen. Nach dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut sowie dem Willen des Gesetzgebers kommt es für die Nachweispflicht allein darauf an, dass der Antragsteller in der Senioreneinrichtung „nicht nur zeitlich ganz vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum)“ tätig ist. Dabei ist die Art der Tätigkeit für die Nachweispflicht nicht maßgeblich6. So hat auch das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass eine Herausnahme all derjenigen Personen von der Nachweispflicht, die regelmäßig gar keinen oder einen allenfalls sporadischen Direktkontakt mit vulnerablen Menschen haben, zwar die Grundrechtsbeeinträchtigung dieser Personen ausschließen würde. Sie wäre aber nicht gleich geeignet, vulnerable Menschen zu schützen. So kann ein direkter Kontakt auch unbeabsichtigt zustande kommen. Auch kann das Virus indirekt durch die bloße zeitlich nachfolgende Nutzung von Räumlichkeiten oder die gemeinsame Nutzung von etwa Ein- und Ausgangsbereichen über Aerosole oder vermittelt durch eine Person weitergegeben werden, die ihrerseits Kontakt mit vulnerablen Menschen hat1.
Der ihm obliegenden Nachweispflicht ist der Antragsteller trotz der Aufforderung des Antragsgegners, einen Immunisierungsnachweis vorzulegen, nicht innerhalb dieser als angemessen
anzusehenden Frist nachgekommen. Die Geltungsdauer seines Genesenennachweises endete mit Ablauf des 21.09.2022, sodass der Antragsgegner mangels Vorlage eines weiteren Immunisierungsnachweises durch den Antragsteller für die Zeit ab dem 22.09.2022 zur Anordnung eines Betretungsverbots berechtigt war.
Bei dieser Anordnung sind dem Antragsgegner auch keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO unterlaufen. Zwar ist der Begründung des Bescheids nicht zu entnehmen, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung die Möglichkeit des Antragstellers berücksichtigt hat, seine Tätigkeit in einem eigenen Büro im Verwaltungstrakt der Einrichtung mit separatem Eingang abseits von Bewohnern und Pflegekräften auszuüben. Allerdings hat der Antragsgegner diesen Gesichtspunkt in seiner Antragserwiderung aufgegriffen, bewertet und trotzdem an seiner Entscheidung festgehalten. Damit hat er nach § 114 Satz 2 VwGO zulässigerweise seine Ermessenserwägungen ergänzt. Seine fachliche Einschätzung, dass dies im Vergleich zu dem ausgesprochenen Betretungsverbot kein gleich geeignetes Mitteldarstellt, weil sich in dem Verwaltungstrakt unter anderem zwei Verwaltungsangestellte, die Einrichtungsleitung und die Qualitätsbeauftragte der Einrichtung befinden und der Antragsteller im Rahmen seiner Tätigkeit zudem Rundgänge in der Einrichtung selbst durchzuführen hat, ist nicht zu beanstanden.
Soweit der Antragsteller vorträgt, bei den Rundgängen stets FFP2-Masken zu tragen und sich täglich zu testen, steht dies der Verhältnismäßigkeit des Betretungsverbots nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz nicht entgegen. Zwar kann eine regelmäßige Testung zur Entdeckung akuter Infektionen beitragen und damit das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus in gewissem Umfang verringern. Jedoch vermag eine Testung keinen gleichwertigen Schutz zu einer vollständigen Immunisierung darzustellen7. Dies gilt insbesondere für selbst durchgeführte, sogenannte Schnelltests, bei denen – vergleichbar der Einhaltung allgemeinerer Verhaltenspflichten wie etwa dem Tragen einer Schutzmaske oder dem Abstandhalten – schon das Risiko einer bewusst oder unbewusst fehlerhaften Anwendung besteht8. Auch das Tragen von FFP2-Masken ist keine gleich effektive Maßnahme. Insoweit weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass seitens des Gesundheitsamts schon nicht kontrolliert werden kann, ob der Antragsteller durchgängig eine FFP-2-Maske trägt9.
Die Verhältnismäßigkeit des dem Antragsteller auferlegten Betretungsverbots ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz auch deshalb gewahrt, da er seine Tätigkeit – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – von zu Hause aus erledigen kann, sodass ihn das Betretungsverbot auch nicht in besonderem Maße bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit trifft. Vor diesem Hintergrund überwiegt der mit dem Betretungsverbot eines nicht immunisierten Beschäftigten in einer Einrichtung mit vulnerablen Personen bezweckte Schutz von Leben und Gesundheit dieser Personen (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) den
mit dem Betretungsverbot einhergehenden Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Überdies gilt das Betretungsverbot zeitlich nicht unbefristet. Unabhängig davon, ob Ziffer II. des Bescheids als echte Befristung oder Bedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 Verwaltungsverfahrensgesetz oder als bloßen Hinweis auf die ohnehin nach § 20a Abs. 5 Satz 5 IfSG bestehende Rechtslage zu
verstehen ist, wonach das Betretungsverbot aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen ist, sobald ein Immunisierungsnachweis vorgelegt wird, ist hinreichend gewährleistet, dass das Betretungsverbot wegfällt, sobald die in § 20a IfSG ohnehin bis zum 31.12.202210 befristet eingeführte Nachweispflicht wegfällt oder der Antragsteller einen entsprechenden Nachweis vorlegt.
Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 26.10.2022 – 3 L 974/22.KO
- BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 [↩] [↩]
- OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.09.2022
– 6 B 10723/22.OVG; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 08.09.2022 – 14 ME 297/22 [↩] - OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.09.2022 – 6 B 10723/22.OVG [↩]
- so auch BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 [↩]
- BT-Drs. 20/188, S. 2 [↩]
- BT-Drs. 20/188, S. 38 [↩]
- (BT-Drs. 20/188, S. 37; BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022– 1 BvR 2649/21 [↩]
- VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss vom 20.07.2022 – 5 L 585/22.NW [↩]
- vgl. dazu Artikel 2 Nr. 1 i. V. m. Artikel 23 Abs. 3 des Gesetzes zur Stärkung der
Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie [↩]