Selbstverständlich muss ein Grundstück so abgesichert sein, dass ein Hund nicht eigenmächtig spazieren gehen (vulgo: sich selbständig machen) kann. Sollte ein Hund dies tun, muss die Behörde naturgemäß mittels zielführender Anordnungen eingreifen. Die Anordnung eines Leinenzwangs bei geführten Spaziergängen ist aber – ohne weitergehender Begründung der Behörde – zu weitreichend und somit rechtswidrig.
Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über die Anforderungen an die (hier mangelhafte) Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich Auflagen an eine Hundehalterin zu entscheiden.
In dem seitens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entschiedenen Fall ist die Antragstellerin Halterin eines ca. vier Jahre alten American Akitarüden mit Namen „Sanjo“. Aufgrund einer anonymen Anzeige und der Mitteilung, dass „Sanjo“ regelmäßig den Zaun des Grundstücks der Antragstellerin überspringe und das Grundstück verlasse, wurde „Sanjo“ mehrmals überprüft. Die begutachtenden Tierärzte kamen insgesamt zum Ergebnis, dass es sich bei „Sanjo“ um einen temperamentvollen Rüden mit ausgeprägtem Territorialverhalten handle, der deutliche Anzeichen von Unsicherheit zeige. So wechsle sich bei ihm die freundliche Kontaktaufnahme zu anderen Personen mit einem schreckhaften Zurückweichen verbunden zum Teil mit Bellen und Zähnefletschen ab. Außerhalb seines Territoriums verhalte sich „Sanjo“ völlig unauffällig. Die Antragstellerin habe ausgesagt, „Sanjo“ werde bei Spaziergängen grundsätzlich angeleint. „Sanjo“ habe bei seiner Begutachtung auf einer Hundefreilauffläche im Umgang mit anderen Artgenossen und Passanten kein aggressives Verhalten gezeigt, es empfehle sich jedoch, am Grundgehorsam des Hundes, der früher zeitweise in einem Tierheim untergebracht war, zu arbeiten. Jedenfalls sei es erforderlich, dass die Antragstellerin ihr Grundstück so einzäune, dass der Hund nicht entweichen kann, und ein Warnschild anbringe, damit niemand unbefugt das Grundstück betritt.
Nachdem die Antragstellerin einer Aufforderung durch die Antragsgegnerin, ihr Grundstück entsprechend zu umzäunen, um ein Entweichen des Hundes und ein unbefugtes Betreten des Grundstückes zu verhindern, zunächst nicht nachgekommen war, hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.05.2013 zum Erlass eines Bescheides an. Es sei beabsichtigt, die Antragstellerin zur erforderlichen Einfriedung ihres Grundstücks zu verpflichten. Die Antragstellerin äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 01.07.2013 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, „Sanjo“
- in bewohnten Gebieten, auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie in der Nähe von dem Hund fremden Personen an einer Leine zu führen (Nr. 1.).
- Außerhalb des Halteranwesens dürfe „Sanjo“ nur unter Aufsicht an der Leine geführt werden (Nr. 2.).
- Unter Nr. 3. wurde die Antragstellerin verpflichtet, ihr Grundstück bis zum 2. September 2013 so zu umfrieden, dass ein unbeaufsichtigtes Entweichen von „Sanjo“ nicht mehr möglich ist.
- Bis dahin dürfe der Hund nur noch unter Aufsicht oder an einer Laufleine im Grundstück herumlaufen (Nr. 4).
- Unter Nr. 6. des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 angeordnet.
Zudem wurden verschiedene Zwangsgelder angedroht und Verfahrenskosten festgesetzt.
Zur Begründung der Anordnungen in Nr. 1 bis 4 des Bescheids stützte sich die Antragsgegnerin auf Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LStVG. Der Tatbestand dieser Norm sei erfüllt. Von „Sanjo“ gehe allein schon durch seine Größe und seine äußere Erscheinung eine Gefahr aus. Laufe er unbeaufsichtigt herum, löse dies bei vielen Menschen Angst oder Panikzustände aus, wodurch es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen könne. Dass der Hund tatsächlich regelmäßig unbeaufsichtigt das Grundstück durch Überspringen des Zauns verlasse, bestätige die anonyme Anzeige. Er stelle dann auch eine Gefahr für den Straßenverkehr dar. Für die Annahme einer Gefahr müsse es nicht notwendig zu einem Beißvorfall gekommen sein. Art. 18 Abs. 2 LStVG lasse alle hundebezogenen Anordnungen gegenüber Hundehaltern zu. Hierunter fielen insbesondere Einschränkungen des freien Umherlaufens durch Leinenzwang sowie auch Anordnungen betreffend die sichere Unterbringung des Hundes auf dem Grundstück. Die unter Nr. 1 und 2 des Bescheids getroffenen Anordnungen seien nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden und dienten zum Schutz vor den von „Sanjo“ ausgehenden konkreten Gefahren für Eigentum und Gesundheit. Die Verpflichtungen seien verhältnismäßig und geeignet. Geringere Eingriffe schieden aus. Die Antragstellerin habe ausreichend Entscheidungsspielraum, wie sie den Hund halte, damit dieser das Grundstück nicht mehr verlassen könne. Sie habe die Möglichkeit, den Hund im Freien laufen zu lassen, wenn der Hund ausreichend beaufsichtigt werde oder mit einer Laufleine angeleint sei. Sobald das Grundstück ausreichend umfriedet sei, werde die Anordnung unter Nr. 2 gegenstandslos. Die Maßnahmen seien auch angemessen. Das Interesse des Hundehalters, seinen Hund unbeaufsichtigt in dem schlecht umfriedeten Gelände frei laufen zu lassen, müsse dagegen in der Abwägung hinter das Interesse der Allgemeinheit zurücktreten. Nr. 2 des Bescheids sei schon deswegen angemessen, da sie zeitlich stark begrenzt sei und ab Erfüllung von Nr. 1 gegenstandslos werde. Nr. 2 gewährleiste einen effektiven Schutz vor den genannten Gefahren bis zur dauerhaften Sicherung des Grundstücks. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 werde im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergebe, dass der vorübergehende Schutz der Allgemeinheit überwiege. Ein Zuwarten bis zur endgültigen rechtskräftigen Entscheidung über den Bescheid hätte zur Folge, dass die Antragstellerin ihren Hund weiterhin frei in dem Grundstück herumlaufen lassen könne, „wozu es erneut zu oben aufgezeigten Gefahren kommen könne.“
Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 23.07.2013 zwischen dem Bevollmächtigten der Antragstellerin und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wurde vom Bevollmächtigten mitgeteilt, dass die Nr. 3 und 4 des Bescheids bereits erledigt seien.
Gegen den Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Sie beantragte daher beim Verwaltungsgericht Würzburg, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage hinsichtlich der Nr. 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.07.2013 wiederherzustellen. Zur Begründung trug sie vor, eine generelle und voll umfängliche Anleinpflicht für große Hunde, die keine Aggressionen zeigten, sei weder angebracht noch ein geeignetes Gefahrenabwehrmittel, denn große Hunde hätten ein ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis und Aggressionen würden erst bei ständigem Führen des Hundes an einer kurzen Leine ausgelöst. Durch den von der Antragsgegnerin angeordneten generellen Leinenzwang sei es der Antragstellerin nicht mehr möglich, mit „Sanjo“ an den wichtigen gemeinsamen Hundespaziergängen mit der Hundeschule teilzunehmen. Zudem sei die sofortige Vollziehung nicht ausreichend begründet worden.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg lehnte den Antrag mit Beschluss vom 13.08.2013 ab. Es hielt die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids für rechtens. Da von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikum frei herumliefen oder von einer nicht befähigten Person geführt würden, in der Regel eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter ausgehe, habe ein Leinenzwang angeordnet werden können, auch wenn dem Hund der Antragstellerin keine gesteigerte Aggressivität oder Gefährlichkeit attestiert worden sei. Es reiche aus, dass bei „Sanjo“ Gehorsamsdefizite sowie deutliche Anzeichen von Unsicherheit festgestellt worden seien. Zudem handle es sich um einen sehr temperamentvollen Rüden mit ausgeprägtem Territorialverhalten. Schließlich seien auch Defizite in der Erziehung des Hundes sowie bedenkliche „Erziehungsmethoden“ der Antragstellerin festgestellt worden, die dem Hund bei Ungehorsam mit einer mit Wasser gefüllten Sprühflasche drohe. Die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Die nötige Bewegung des Hundes könne innerhalb des umfriedeten Privatgrundes und außerhalb von bewohnten Gebieten sowie abseits von fremden Personen sichergestellt werden. Die getroffene Anordnung sei der Antragstellerin auch zumutbar. Schließlich genüge die Begründung des angeordneten Sofortvollzugs den gesetzlichen Anforderungen.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin wiederum Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt.
Die Beschwerde wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Anordnungen in Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids offensichtlich rechtswidrig seien. Das Erstgericht habe übersehen, dass, auch wenn grundsätzlich ein Leinenzwang für Hunde, egal ob klein, mittel oder groß, angeordnet werden könne, im Einzelfall geprüft werden müsse, ob zumindest ein konkreter Gefahrenverdacht bestehe, der die von der Antragsgegnerin im Einzelnen getroffenen Anordnungen jeweils decke. Ein solcher Gefahrenverdacht sei nicht gegeben. Dies ergebe sich daraus, dass „Sanjo“ kein aggressives Verhalten zeige. Außerhalb seines Territoriums sei „Sanjo“ völlig unauffällig. Deshalb sei auch von der Veterinärin der Antragsgegnerin lediglich die sichere Einfriedung des Grundstücks der Antragstellerin gefordert worden und kein genereller Leinenzwang. Die Anordnung des generellen Leinenzwangs in der Nr. 1 des angefochtenen Bescheids sei nicht erforderlich und nicht geeignet, einen Schutz der Allgemeinheit vor einem Hund mit Gehorsamsdefiziten herzustellen. Hierzu hätte der Besuch einer Hundeschule angeordnet werden können, die die Antragstellerin mit dem Hund ohnehin besuche. Die Anordnungen in Nr. 1 und 2 seien auch nicht angemessen und nicht verhältnismäßig. Durch den generellen Leinenzwang werde dem Bewegungsbedürfnis des Hundes nicht Rechnung getragen. Das Erstgericht habe auch die Erziehungsmethoden der Antragstellerin rechtsfehlerhaft gewürdigt. Das Drohen mit einer Wassersprühflasche werde bei bestimmten Rassen und Verhaltensweisen sogar empfohlen. Nach der räumlichen Umschreibung des Leinenzwangs in Nr. 1 des Bescheides könne sich „Sanjo“ auch außerhalb von bewohnten Gebieten nicht ausreichend bewegen. Dies widerspreche den Erfordernissen des Tierschutzes. Schließlich bestehe kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines generellen Leinenzwangs, da „Sanjo“ nicht konkret gefährlich sei. Die Antragsgegnerin habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids auch nicht ausreichend begründet. Die im Bescheid angestellten Erwägungen könnten als Rechtfertigung für den angeordneten Sofortvollzug nicht herhalten.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab der Antragstellerin recht.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.07.2013. Nicht Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sind die nicht für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen in Nr. 3 und 4 des Bescheids, die die Umfriedung des Grundstücks der Antragstellerin betreffen.
Unter Zugrundelegung des Prüfungsrahmens des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis als unzutreffend, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Ungeachtet der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides insgesamt ausgegangen ist, ist der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne weiteres begründet und die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheides vom 1. Juli 2013 in Nr. 6 Satz 1 dieses Bescheides bereits deshalb aufzuheben, weil die Antragsgegnerin den Sofortvollzug nicht entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet hat.
In der Beschwerdebegründung wird von der Antragstellerin zu Recht geltend gemacht, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt1. Dieses muss bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommen. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist nämlich auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat2. Pauschale, formelhafte Formulierungen genügen diesen Anforderungen grundsätzlich nicht.
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid werden diesen Vorgaben nicht gerecht. So wie bereits in der Begründung des Bescheids zum Erlass der vier einzelnen Anordnungen von der Antragsgegnerin ganz offensichtlich die Nr. 1 und 2 mit der Nr. 3 und 4 verwechselt worden ist, weil hinsichtlich der Anordnungen in Nr. 3 und 4 immer von den Anordnungen in Nr. 1 und 2 gesprochen wird, bezieht sich auch die – ohnehin sehr knappe – Begründung des Sofortvollzugs lediglich auf die Anordnungen in Nr. 3 und 4 des Bescheids. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ausgeführt wird, “der vorübergehende Schutz der Allgemeinheit“ überwiege die privaten Interessen der Antragstellerin. Damit wird aber von der Antragsgegnerin offensichtlich nur auf die Anordnung in Nr. 4 Bezug genommen, wonach sich „Sanjo“ auf dem Grundstück der Antragstellerin nur unter Aufsicht bzw. an einer Laufleine aufhalten darf, und zwar so lange, bis das Grundstück entsprechend der Anordnung in Nr. 3 des Bescheides sicher umfriedet ist. Die Anordnungen in Nr. 1 und 2 des Bescheides, bei denen allein die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, dienen nicht dem vorübergehenden Schutz der Allgemeinheit, sondern sollen ganz offensichtlich auf Dauer gelten. Auch die weitere Begründung der sofortigen Vollziehung bezieht sich ausschließlich auf das freie Herumlaufen des Hundes auf dem Grundstück der Antragstellerin. In diesem Fall kommt es nach Auffassung der Antragsgegnerin „erneut zu oben aufgezeigten Gefahren‘“, nämlich, dass der Hund über den Zaun springt und außerhalb des Grundstücks der Antragstellerin frei herumläuft, was gerade mit den Anordnungen in Nr. 3 und 4 verhindert werden soll. Insoweit ist aber, wie bereits dargelegt, die sofortige Vollziehung gar nicht angeordnet worden. Damit fehlt es aber von vorneherein an einer auf den Einzelfall bezogenen schlüssigen und substantiierten Darlegung der Gründe, warum gerade im Fall der Antragstellerin die Anordnung eines generellen Leinenzwangs sowie eine in Nr. 2 angeordnete Beaufsichtigung und Leinenführung sofort vollziehbar sein sollen.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin (gemeint ist wohl die Antragsgegnerin) habe nachvollziehbar zu erkennen gegeben, dass sie die im streitgegenständlichen Bescheid angestellten Erwägungen auch zur Begründung der Notwendigkeit des sofortigen Vollzugs der Anordnung heranziehen wolle, vermag der Senat nicht zu teilen. Bei der Begründung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 ihres Bescheides hat die Antragsgegnerin mit keinem Wort auf ihre Ausführungen zur Begründung der Anordnungen selbst Bezug genommen. Abgesehen davon, dass diese Erwägungen die Anordnung der sofortigen Vollziehung ohnehin nicht tragen würden, weil das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes über jenes hinausgehen muss, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, lassen gerade die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Problematik der Umfriedung des Grundstücks der Antragstellerin und der Konsequenzen, die bis zur Erledigung dieser Anordnung drohen, erkennen, dass sie sich gerade nicht damit befasst hat, weshalb die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 im Bescheid angeordnet werden soll.
Da aus diesen Gründen bereits dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO nicht Rechnung getragen worden ist, war die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 6 Satz 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.07. 2013 aufzuheben2.
Ohne dass es für diese Entscheidung darauf ankommt, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur Klarstellung noch auf Folgendes hingewiesen:
An der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 01.07.2013 bestehen auch insoweit Bedenken, als die Antragstellerin in Nr. 1 und 2 dazu verpflichtet worden ist, „Sanjo“ generell an der Leine zu führen und Vorgaben hinsichtlich der führenden Person gemacht wurden. Insoweit ist bereits fraglich, ob diese Anordnungen erforderlich waren. Anlass für die Überprüfung des Hundes „Sanjo“ war ausschließlich die Behauptung einer anonymen Person, „Sanjo“ verlasse regelmäßig das Grundstück und laufe frei und unbeaufsichtigt umher. Um dies zu verhindern, ist die sichere Umfriedung des Grundstücks der Antragstellerin ein geeignetes Mittel. Wieso daneben ein genereller Leinenzwang angeordnet wurde, erschließt sich dem Senat dagegen aus den vorliegenden Akten nicht, zumal die Antragstellerin selbst angegeben hat, sie führe ihren Hund immer an der Leine aus. Dass dies entgegen ihrer Äußerung nicht der Fall ist, hat die Antragsgegnerin weder in Abrede gestellt noch gibt es Hinweise dafür, dass die Antragstellerin ihren Hund regelmäßig auch in bewohnten Gegenden und auf öffentlichen Straßen und Wegen frei herumlaufen lässt. Der Hund lief offensichtlich nur dann ohne Aufsicht frei herum, wenn er Gelegenheit hatte, aus dem Grundstück der Antragstellerin zu entweichen. Kann dies aber durch eine sichere Umfriedung verhindert werden, besteht wohl kein Anlass mehr, die Antragstellerin zusätzlich mit Anordnungen wie in Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids zu verpflichten. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seinen Urteilen vom 09.11.20103 und vom 21.12.20114 entschieden, dass eine konkrete Gefahr für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter regelmäßig gegeben ist, wenn große und kräftige Hunde in bewohnten Gebieten frei umherlaufen, jedoch setzt der Erlass einer Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG auch voraus, dass für eine entsprechende Anordnung überhaupt ein konkreter Anlass besteht. Dies ist z.B. grundsätzlich dann der Fall, wenn Hundebesitzer uneinsichtig sind und ihre (großen und kräftigen) Hunde regelmäßig unbeaufsichtigt spazieren führen. Dass dies bei der Antragstellerin der Fall ist, lässt sich den vorgelegten Akten aber gerade nicht entnehmen. Schließlich ist ein genereller Leinenzwang für „Sanjo“ auch von den den Hund begutachtenden Veterinären nicht ausdrücklich für erforderlich angesehen worden.
Des Weiteren fehlt es wohl, worauf der Bevollmächtigte der Antragstellerin ebenfalls hingewiesen hat, an einer ordnungsgemäßen Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheids, denn das Anhörungsschreiben vom 21.05.2013 bezieht sich allein auf die Anordnungen in Nr. 3 und 4 des Bescheids, d.h., es betrifft ausschließlich die Notwendigkeit, das Grundstück der Antragstellerin sicher einzufrieden, um Gefahren, die durch ein Entweichen des Hundes entstehen, zu begegnen. Von einem Leinenzwang ist weder in diesem Schreiben noch in früheren Schreiben der Antragsgegnerin an die Antragstellerin die Rede.
Schließlich rügt die Antragstellerin wohl nicht zu Unrecht die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Anordnung hinsichtlich der örtlichen Beschreibung der Gebiete, in denen „Sanjo“ angeleint zu führen ist. Nach dieser Umschreibung darf die Antragstellerin ihren Hund nur auf entlegenen Wiesen oder im Wald frei laufen lassen, wobei ein Freilaufen im Wald für einen Akitarüden, der ausweislich der Rassebeschreibung ein ausgeprägtes Jagdverhalten zeigt, nicht gerade angezeigt sein dürfte. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie den Hund rein nach dem Wortlaut des Bescheides auch außerhalb bewohnter Gebiete nicht auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen ohne Leine laufen lassen darf und ebenso nicht auf den von der Antragsgegnerin im Stadtgebiet ausgewiesenen Hundewiesen, denn diese sind öffentliche Anlagen im Sinne der Nr. 1 des Bescheids. Damit wäre tatsächlich dem Bewegungsdrang des Tieres nicht hinreichend Rechnung getragen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.12.2013 – 10 CS 13.1782
- BVerfG, Beschluss vom 25.01.1996 – 2 BvR 2718/95 [↩]
- BVerwG, Beschluss vom 08.09.2001 –1 DB 26/01 [↩] [↩]
- BayVGH, Urteil vom 09.11.2010 – 10 BV 06.3053 [↩]
- BayVGH, Urteil vom 21.12.2011 – 10 B 10.2806 [↩]