Die Frage, ob ein Hund der Rasse „Bullterrier“ oder „Mini-Bullterrier“ angehört, ist von erheblicher Relevanz für die Halteerlaubnis und die Hundesteuer, da der „Bullterrier“ in vielen Bundesländern auf der sogenannten „Rasseliste“ steht. Aus diesem Grunde müssen sich die Verwaltungsgerichte immer wieder mit der Frage beschäftigen, welcher der beiden Rassen ein Hund angehört und ob dies nachgewiesen wurde und, wie dies nachzuweisen ist (wir hatten u.a. bereits hier, hier und hier darüber berichtet).
Nun hat sich im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf dieser Thematik angenommen, nachdem eine Hundehalterin sich dagegen gewandt hatte, dass ihr Hund als „Bullterrier“ eingestuft und die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet wurde.
Das Verwaltungsgericht hat der Behörde Recht gegeben.
Das Ordnungsamt der Antragsgegnerin hatte festgestellt, dass es sich bei dem von der Antragstellerin gehaltenen, U. gerufenen Hund um einen solchen der Rasse Bullterrier handele, dessen Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 LHundeG Nordrhein-Westfalen vermutet werde.
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Prüfung ergibt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf keine durchgreifenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Feststellung. Auch im Übrigen muss das private Interesse der Antragstellerin am Aufschub der Vollziehung hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme zurücktreten.
Ermächtigungsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist § 3 Abs. 2 S. 1 LHundG NRW. Danach sind gefährliche Hunde insbesondere solche der Rasse Bullterrier. Aus der gesetzlichen Definition des gefährlichen Hundes sowie aus der Systematik des Gesetzes, an die Eigenschaft als gefährlicher Hund besondere rechtliche Anforderungen an das Halten solcher Hunde zu stellen und insbesondere die Haltung der Erlaubnispflicht zu unterwerfen, folgt die durch Auslegung1 zu ermittelnde Befugnis der zuständigen Ordnungsbehörde, die Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall durch Verwaltungsakt festzustellen2.
Dem Zweck der Erlaubnisvorschrift in § 4 LHundG NRW entspricht es, wenn die Behörde die strittige Erlaubnisbedürftigkeit durch Verwaltungsakt feststellt, so dass der Halter des Hundes sich hierauf einstellen kann, sei es, dass er die Haltung auf- und den Hund abgibt oder einen Erlaubnisantrag einreicht oder den Rechtsweg beschreitet.
Nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp) von U. handelt es sich bei diesem nach den überzeugenden Ausführungen des ersichtlich nicht befangenen Amtstierarztes Dr. H., so das Verwaltungsgericht Düsseldorf (zu der Macht der Amtstierärzte und der diesen in aller Regel folgenden Gerichte sei unser Artikel vom 25.08.2016 empfohlen) die durch das von der Antragstellerin beigebrachte Gutachten nicht erschüttert werden, um einen Bullterrier und nicht um einen Miniatur Bullterrier. Für den Phänotyp der Rasse Miniatur Bullterrier ist U. zu groß, selbst wenn er lediglich eine Widerristhöhe von 38,5 cm erreichen würde. Bei den von der Fédération Cynologique Internationale (FCI, Weltorganisation der Kynologie mit zurzeit 91 Mitglieds- und Partnerländern mit Sitz in Belgien) anerkannten Hunderassen „Bullterrier“ und „Miniatur Bullterrier“ handelt es sich um zwei verschiedene Rassen. Dem Bullterrier ist der FCI Standard Nr. 11 zugeordnet, dem Miniatur Bullterrier der FCI Standard Nr. 359. Nur der Bullterrier ist kraft Landesrecht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW) ein gefährlicher Hund. Mit Ausnahme der Angaben zur Größe, die ausschließlich bei dem Miniatur Bullterrier vorhanden sind und wonach dessen Widerristhöhe 35,5 cm nicht überschreiten soll, sind die Rassebeschreibungen wortgleich. Daraus folgt, dass bei einer Prüfung und Begutachtung der Rasse nach dem Phänotyp ein Hund mit den identischen (!) phänotypischen Merkmalen von Bullterrier und Miniatur Bullterrier dann kein Miniatur Bullterrier sein kann, wenn er die Größe von 35,5 cm überschreitet, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Ist der Hund kleiner oder gleich groß, kann es sich um einen Bullterrier (für diesen sind eben keine Mindestgrößen festgesetzt) oder um einen Miniatur Bullterrier handeln.
Da U. (mindestens) 38,5 cm groß ist und im übrigen die gemeinsamen, sachlich identischen phänotypischen Merkmale von Bullterrier und Miniatur Bullterrier aufweist, ist er nach dem Phänotyp ein Bullterrier. Der phänotypischen Einstufung von U. als Standard Bullterrier durch den Amtstierarzt stehen die sachverständigen Äußerungen des von der Antragstellerin privat beauftragen Sachverständen nicht entgegen. Ein Miniatur Bullterrier unterscheidet sich vom Bullterrier wie ausgeführt nur durch die insgesamt proportional kleinere Größe; eine Unterscheidung anhand von individuell unterschiedlichen Rassemerkmalen ist daher schlicht und einfach nicht möglich. Die diesbezüglichen Versuche des Gutachters, unterschiedliche Rassemerkmale konstruieren zu wollen, erachtet das Gericht als untauglich. Die weiteren Merkmale der Rassebeschreibung des Miniatur Bullterriers „Es sollte ein Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Grösse des Hundes vorhanden sein. Es gibt keine Gewichtsgrenze. Die Hunde sollten immer harmonisch sein.“ bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als das der Miniatur Bullterrier im Vergleich zum Bullterrier insgesamt proportional kleiner sein soll. Eine an anderen Merkmalen als der Widerristhöhe orientierte Abgrenzung zum Bullterrier erlauben diese Kriterien nicht.
Der von der Antragstellerin vorgelegte Abstammungsnachweis („Ahnentafel“) für U. kann die durch Phänotyp vorgenommene, eindeutige Rasseeinstufung nicht erschüttern. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Ahnentafel mit Mängeln behaftet und daher nicht aussagekräftig ist.
Die Ahnentafel ist zunächst nicht schlüssig, weil die Mutter nach ihren phänotypischen Merkmalen kein Miniatur-Bullterrier ist und daher nicht zur Zucht hätte zugelassen werden dürfen. Ausweislich der Ahnentafel des (angeblich) am 24.12.2014 mit drei Geschwistern geborenen Rüden C. von der F. (= U. ), die die angebliche Züchterin am 08.02.2015 ausgestellt hat, soll die (am 18.04.2013 geborene) Mutter 36 cm und der (am 04.08.2013 geborene) Vater 33 cm groß gewesen sein. Abgesehen davon, dass im Eilverfahren für das Gericht zweifelhaft ist, dass derartig kleine Eltern einen gegenwärtig mindestens 38,5 cm (mit vormaligen Schreiben vom 20.01.2016 hatte die Antragstellerin eine Schulterhöhe von 41,5 cm eingeräumt; der Amtsveterinär hatte ca. 40 cm gemessen) großen Abkömmling hervorgebracht haben, überschreitet die Mutter von U. die Soll-Größe für Miniatur-Bullterrier um 0,5 cm. Mit der Hündin hätte nicht gezüchtet werden dürfen, wie sich aus dem zweiten N.B. (nota bene) aller Rassebeschreibungen des FCI ergibt, wonach zur Zucht ausschließlich funktional und klinisch gesunde, rassetypische Hunde verwendet werden sollen. Die Mutter von U. ist nicht rassetypisch, weil sie für einen Miniatur-Bullterrier zu groß ist. Sie überschreitet die zulässige Widerristhöhe, wenn auch nur geringfügig. Es bedarf keines wissenschaftlichen Nachweises, sondern liegt auf der Hand, dass bei der beabsichtigten Zucht von Miniatur-Bullterriern die Soll-Größe von 35,5 cm als Rasse-Merkmal entwertet wird, wenn zur Zucht auch nur ein Elternteil zugelassen wird, welches das Kriterium „Widerristhöhe kleiner oder gleich 35,5 cm“ nicht erfüllt. Bei Anerkennung einer derartigen Zuchtpraxis würde die Einhaltung der Soll-Größe zukünftig vom Zufall abhängen; es würden fortlaufend „abstammungsmäßig“ als Miniatur-Bullterrier bezeichnete Hunde geworfen, die den Rassestandard nicht mehr einhalten (können), sondern mit jeder Generation größer werden. Bei Zulassung einer solchen Zuchtpraxis wäre die Einhaltung der Soll-Größe der Beliebigkeit bzw. dem Zufall preisgegeben; auf mittlere Sicht wäre eine Unterscheidung des Miniatur-Bullterriers vom Bullterrier unmöglich. Würde man beispielhaft U. zur Zucht zulassen, was wegen dessen Kastration wohl nicht beabsichtigt ist, wäre bei Ausschöpfung der Soll-Grenze durch das Muttertier (35,5 cm) ernsthaft zu besorgen, dass kein einziger Abkömmling die Widerristhöhe von 35,5 cm einhielte. Ein Abstammungsnachweis entwertet sich aber in Bezug auf seine Eignung zur Rassebestimmung inhaltlich selbst, wenn aus ihm hervorgeht, dass sich unter den Ahnen eines zu beurteilenden Hundes solche Hunde befinden, die nicht vollständig rassetypisch sind und daher nicht zur Zucht hätten eingesetzt werden dürfen.
Darüber hinaus weist die Ahnentafel einen weiteren Mangel auf. Sie lässt den Züchter nicht erkennen. Es bestehen Zweifel, ob Frau L. Züchterin von U. ist. In dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin befindet sich eine E-Mail der für den Sitz der vermeintlichen Züchterin zuständigen Amtstierärztin an Dr. H., wonach eine aktuelle telefonische Anfrage über Umfang und Rassen der Zuchttätigkeit ergeben habe, dass nicht Frau L., sondern ihr Mann, Herr L., Miniatur-Bullterrier züchte. Es sei ein Wurf gezüchtet und die Zucht danach eingestellt worden. Herr L. habe angegeben, dass die Zuchthündin die geforderte Rasse-Höchstgröße leicht überschreite. Dies sei ihm bekannt, wäre aber in allen diesen Zuchten vorhanden. Die Problematik, die sich hieraus für die von ihm nach Nordrhein-Westfalen verkauften Welpen ergäbe, sei ihm bewusst. Nach dem Inhalt dieser E-Mail wäre nicht Frau L., sondern Herr L. der Züchter. Die Ahnentafel wäre mithin nicht vom Züchter unterschrieben und schon deshalb ohne Beweiswert.
Auch die (ergänzend) vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Aus der Einstufung als der Rasse nach gefährlicher Hund folgen erhebliche Pflichten des Hundehalters zum Schutz der Allgemeinheit. Insbesondere dürfen gefährliche Hunde nur angeleint und mit Maulkorb ausgeführt werden, § 5 Abs. 2 LHundG NRW. Es liegt im öffentlichen Interesse, dass diese Pflichten im Streit um die richtige Einstufung des Hundes vorläufig beachtet werden, um die Allgemeinheit vor möglicherweise von dem Hund rassetypisch zu vermutenden Gefahren zu schützen. Die vorläufige Beachtung von Leinen- und Maulkorbzwang ist der Antragstellerin deutlich eher zumutbar als es der Allgemeinheit zumutbar wäre, dass ein eventuell der Rasse nach gefährlicher Hund ohne Beachtung der besonderen gesetzlichen Schutzvorkehrungen gehalten wird.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2016 – 18 L 2679/16
(nicht rechtskräftig – OVG NRW: 5 B 1311/16)
Hinweis:
Wie wir bereits hier geschrieben hatten (und man kann es nicht oft genug sagen):
Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass man bei einem Hundekauf sorgsam sein sollte. Insbesondere sollten die Papiere „sauber“ sein, d.h. Stammbaum / Ahnentafel sollten „sauber“ sein, die Chip-Nummer sollte überall eingetragen sein etc.
Als Hundehalter erspart man sich viel Ärger und – was viel wichtiger ist – dem Hund erspart einen gegebenenfalls bis zum Ende seines Lebens andauernden Tierheimaufenthalt.
- BVerwG, Beschluss vom 02.07.1991 – 1 B 64/91 [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 04.12.2006 – 5 B 2300/06 [↩]